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Artikel „Varrentrapp, Georg“ von Emil Rödiger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 500–502, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Varrentrapp,_Georg&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 18:48 Uhr UTC)
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Varrentrapp: Georg V., geboren zu Frankfurt am Main am 20. März 1809, als Sohn des damals ersten und angesehensten Arztes, Professor Dr. Konrad V.[WS 1], studirte von 1827 an in Heidelberg, Straßburg, Paris und Würzburg, woselbst er 1831 promovirte. In demselben Jahre legte er das Staatsexamen in Frankfurt am Main ab und wurde Assistent seines Vaters am Hospital zum heiligen Geist. In dieser Stelle blieb er 10 Jahre, 1832 und 1838 unternahm er zwei größere wissenschaftliche Reisen, die erste nach Deutschland und Oesterreich, die zweite nach Holland, Belgien und England. Ein Neubau jenes größten Hospitales Frankfurts, dessen Pläne und Einrichtungen er gemeinsam mit seinem Vater bearbeitete, lenkte ihn zuerst auf die Fragen der Hygiene und des gesammten Hospitalwesens, Fragen, die ihn auf der Reise 1838 in hervorragender Weise interessirten und beschäftigten. 1842 wurde er Oberarzt des Hospitals zum heiligen Geist und bekleidete diese Stelle bis 1872.

1834 gründete er mit Anderen die „Armenklinik“, ein Ambulatorium, das später durch eine stationäre Klinik vergrößert wurde und Unbemittelten unentgeltlich ärztlichen Rath und Arznei gewährte. Bereits auf seiner Reise nach England fesselten Varrentrapp’s Interesse die dortigen Reformen auf dem Gebiete des Gefängnißwesens. Er besuchte deutsche und schweizer Gefängnisse, studirte die neueren amerikanischen Systeme, sowie die reformatorischen Bestrebungen Ducpétiaux in Belgien und legte das Resultat seiner Studien 1841 in der Schrift „Ueber Pönitentiarsysteme“ nieder, in welcher er sehr entschieden für getrennte Haft nach pennsylvanischem System auftrat. In demselben Sinne [501] wirkte er in einer in französischer Sprache geschriebenen Schrift: „De l’emprisonnement individuel sous le rapport sanitaire“, in welcher er ebenfalls das von der französischen Regierung angenommene pennsylvanische System gegen die Angriffe von dessen Gegner vertheidigte, eine Schrift, die von der Société de médecine de Bordeaux preisgekrönt wurde. 1842 wurde er mit dem Juristen Nöller und Dr. Julius in Gießen Herausgeber der „Jahrbücher für Gefängnißkunde und Besserungsanstalten“. Seiner rastlosen Bemühung gelang es 1846 die erste internationale Versammlung für Gefängnißreform nach Frankfurt zu berufen, die von den ersten Autoritäten dieses Faches und von Vertretern zahlreicher in- und ausländischer Regierungen besucht wurde. Er hatte die Genugthuung mit überwiegender Majorität die Ansichten, für welche er seit Jahren gekämpft hatte, als richtig anerkannt zu sehen.

Im Anschluß an den Besuch des zweiten Gefängnißcongresses in Brüssel (1847), unternahm er die zweite, 1852 nach der Theilnahme an dem ersten hygienischen Congreß in Brüssel, die dritte Reise nach England, die vorwiegend dem Studium der Fragen der öffentlichen Gesundheitspflege galten. Mit dem lebhaftesten Interesse widmete er sich nunmehr der Hygiene. Seine ganze Lebensaufgabe ging auf Hebung des allgemeinen Wohles, auf Verbesserung der Volksgesundheit im weitesten Sinne des Wortes. Wie bedeutend hierin die Erfolge seiner Thätigkeit waren, beweisen die Worte John Simons auf dem letzten internationalen Congreß in London, der V. als den „Luther der Hygiene“ feierte. Als äußerliche Marksteine seines Schaffens mögen folgende Daten dienen: 1860 gründete er die Frankfurter gemeinnützige Baugesellschaft zur Herstellung gesundheitsgemäßer, billiger Wohnungen. 1867 gemeinsam mit seinem Freunde Pettenkofer die Section für Hygiene auf der Naturforscherversammlung zu Frankfurt am Main, 1869 erschien auf seine Anregung die „Deutsche Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege“, deren Redaction er von 1871–75 allein, von da ab bis 1884 mit Dr. A. Spieß führte. 1873 wurde durch seine thätige Mithülfe in Frankfurt am Main der Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege gegründet. 1878 gab er nach dem Vorbilde Zürichs in Deutschland die erste Anregung zur Bildung der Feriencolonien. Seit 1880 gehörte er dem kaiserlichen Gesundheitsamte als außerordentliches Mitglied an.

V. war in erster Linie praktischer Hygieniker und es gab kein Gebiet der praktischen Gesundheitspflege, das er nicht seinen Mitmenschen zu verwerthen suchte. Als Mitglied der gesetzgebenden Versammlung, später der Stadtverordnetenversammlung von 1842–1884 widmete er sich der Wohlfahrt seiner Vaterstadt. „Was in diesen 42 Jahren in Frankfurt Gutes und Gemeinnütziges geschehen ist, sind fast ausnahmslos Schöpfungen Varrentrapp’s oder Werke seiner Mitarbeit“ (Marcus). Ganz besonders sind seine Verdienste zu nennen in der Verbesserung des Schulwesens, der Schuleinrichtungen, der Fabriken, der Gefängnisse und Hospitäler, des Impfwesens, der städtischen Bauordnung, in der Wasserversorgung und Canalisation. Bei seinem 50jährigen Doctorjubiläum widmeten ihm Collegen und Freunde ein Prachtwerk: „Frankfurt am Main in seinen hygienischen Verhältnissen und Einrichtungen“, worin alle auch nicht hier angeführten Seiten von Varrentrapp’s Thätigkeit dargelegt sind. Ein vollständiges Verzeichniß seiner Schriften giebt der unten angeführte Nekrolog von Marcus. V. starb am 15. März 1886.

„Observationes anatomicae de parte cephalica nervi sympathici ejusque coniunctionibus cum nervis cerebralibus. Diss. inaug.“ Frankfurt a. M. 1831. „Tagebuch einer medicinischen Reise nach England, Holland und Belgien“. 1839. „Ueber Pönitentialsysteme, insbesondere über die vorgeschlagene Einführung des pennsylvanischen Systems“. 1841. „Jahrbücher für Gefängnißkunde und [502] Besserungsanstalten 1842–1849“. „De l’emprisonnement individuel sous le rapport sanitaire et des attaques dirigées contre lui par M. M. Charles Lucas et Leon Faucher“. 1844. Preisgekrönt. „Die Bestimmung über das von Frankfurt zu liefernde Bundescontingent, geschichtlich und kritisch dargestellt.“ 1858. „Ueber Entwässerung der Städte, über Werth und Unwerth der Wasserclosette, über deren angeblichen Folgen; Verlust werthvollen Düngers, Verunreinigung der Flüsse, Benachtheiligung der Gesundheit“. 1868.

Hirsch, Biograph. Lexikon VI, 72. – Marcus, Festrede beim 50jähr. Doctorjubiläum. Jahresber. über die Verwaltung des Medicinalwesens der Stadt Frankfurt 1881, S. 217. – Marcus, Nekrolog, ebendas. 1886, S. 262. – Spieß, Nekrolog, Deutsche Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege XVIII. S. III–XXIV. – Stricker, Nekrolog, Jahresberichte des Frankfurter Vereins für Geographie und Statistik. 1885/86. S. 152. – Wasserfuhr, Berliner klin. Wochenschrift 1886. XIII, 213.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Johann Konrad Varrentrapp (1779–1860); Professor der gerichtlichen Heilkunde und medizinischen Polizei in Frankfurt.