ADB:Pettenkofen, August Ritter von

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Pettenkofen, Karl August von“ von Arpad Weixlgärtner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 32–35, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pettenkofen,_August_Ritter_von&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 02:00 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Petri, Julius
Nächster>>>
Petz, Johann
Band 53 (1907), S. 32–35 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
August von Pettenkofen in der Wikipedia
August von Pettenkofen in Wikidata
GND-Nummer 120637162
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|53|32|35|Pettenkofen, Karl August von|Arpad Weixlgärtner|ADB:Pettenkofen, August Ritter von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=120637162}}    

Pettenkofen: Karl August von P. August Xaver Karl Pettenkoffer ward am 10. Mai 1822 in der Pfarrkirche St. Peter zu Wien getauft. (Die Schreibung Pettenkofen nahm der Künstler erst als Mann an, geadelt wurde er 1874.) Sein Vater war der Handelsmann und Gutsbesitzer Anton Pettenkoffer, seine Mutter Anna geborene Edle v. Nespern. (Durch sie war P. der Vetter des Dichters Ferdinand v. Saar, des Sohnes ihrer an Ludwig v. Saar verheiratheten Schwester Karoline.) Der Vater starb schon 1834 und ließ Frau und Kinder in wenig günstigen finanziellen Verhältnissen zurück. Noch im selben Jahre, also 12jährig, kam P. an die Akademie der bildenden Künste. Von 1837 bis 1840 zeichnete er unter Kupelwieser nach der Antike. 1842 und 1843 diente P. als Cadett im Dragoner-Regiment Ludwig I., König von Baiern, Nr. 2. Seine erste Lithographie, ein dornengekrönter Christuskopf nach einem italienischen Vorbild, stammt bereits aus dem Jahre 1837. Lithographien sind es auch, die ihn bis zur Mitte des Jahrhunderts vorwiegend beschäftigen. Anfänglich scheinen ihn Franz Eybl und Peter Johann Nepomuk Geiger, mit denen zusammen er auch an einem Blatte (der „Huldigung an den Palatin Josef“) arbeitet, wenigstens in technischer Beziehung beeinflußt zu haben. Von seinen Lithographien sind folgende besonders hervorzuheben: die Federzeichnungen für Duller’s Biographie des Erzherzogs Karl, an deren Illustration auch Moriz Schwind, Johann Nepomuk Geiger und Fritz L’Allemand betheiligt waren (1844–47), die Arbeiten für den „Kobold“ (1846–47), die Serie „K. k. österreich’sches Militär“ (1847), die „Wiener Bilder“, die er zusammen mit Anton Zampis schuf (1847–48), seine Arbeiten für die „Bewegung“ (1848), die Eröffnung des ungarischen Reichstages am 5. Juli 1848 (1848, zusammen mit Josef Borsos gearbeitet), die drei großen Blätter: Kaiser Franz Josef I., Radetzky und Haynau, jeder mit seiner Suite (1849), die Darstellungen aus dem ungarischen Feldzug (1849–50), die Bilder aus dem Soldatenleben mit Versen (1849–50), die „k. k. österreich’sche Armee“ (1850–51, zusammen mit Anton Straßgschwandtner), und die „12 Scenen aus der Ehren-Halle des k. k. Militär-Fuhrwesen-Korps“ (1851). Die besten dieser Lithographien, die künstlerisch ziemlich ungleich sind und daher mit recht verschiedener Antheilnahme gearbeitet sein müssen, verrathen einerseits ein ausgesprochenes Erzählertalent, das gleicherweise dramatisch bewegten und harmlos komischen sowie scharf satirischen Scenen gerecht wird, und andererseits einen eminent malerischen Sinn. Neben den Lithographien entstehen in jenen Jahren vornehmlich Aquarelle, z. Th. dieselben Gegenstände wie jene behandelnd. Oelbildnisse kleineren Formats sind noch etwas unpersönlich. Sie zeigen den allgemeinen Charakter der Wiener Schule und erinnern noch am ehesten an die Art Franz Eybl’s. In seinen Soldatenbildern ist P. zuerst am meisten von seinem gleichaltrigen Studiengenossen an der Akademie, Karl Schindler, beeinflußt, nach dem er auch lithographirt hat. Im [33] Aquarell ist er am frühesten selbständig. Die Lithographien vom Ende der 40er Jahre zeigen deutlich, daß er Raffet und Gavarni kennen gelernt hat. Nach dem Jahre 1851 hat P., der so viel und so ausgezeichnet lithographirt hat, daß er unter den gleichzeitigen Wiener Lithographen eine erste Stelle einnimmt, sein ganzes Leben lang nicht mehr auf dem Stein gezeichnet.

Schon 1852, scheint es, reist er zum ersten Male nach Paris. Dort schufen damals – um nur die Maler zu nennen, für deren Werke P. seiner eigenen Veranlagung gemäß das größte Interesse haben mußte – die Franzosen Decamps, Huet, Troyon, Rousseau, Dupré, Millet, Meissonier und Daubigny und die beiden Belgier Stevens und Willems. P. brachte aus der Heimath ein paar Bilder mit, die auch die Anerkennung der Pariser Kenner fanden, und 1853 malte er seinen „Verwundetentransport“ (Karl Reichert in Wien) und seine „Ungarischen Freiwilligen“ (Vanderbilt in New-York), Bilder, die an der Seine geradezu enthusiastisch aufgenommen wurden. So viel er aber auch in Paris lernt, so wird er doch niemandes Nachahmer. Es macht im Gegentheil den Eindruck, als ob er durch den ersten Pariser Aufenthalt seiner selbst bewußter würde. Wenigstens pflegt er gerade in den nächsten zwei Jahrzehnten ganz besonders jenes Thema, das ihn populär gemacht hat: die Pußta und ihre Bewohner. Seine Bilder werden ruhiger, erzählen weniger. Alles Actuelle, aber auch alles Historische verschwindet aus ihnen. Die Personen werden mehr zur Staffage, wenn auch niemals zur nichtssagenden. Die Landschaft tritt in den Vordergrund, und die Stimmung wird Hauptsache. Oelbild und Aquarell spielen gleich große Rollen. Das Colorit macht selbstverständlich viele Wandlungen durch, ist aber immer unendlich geschmackvoll, bald pikant, bald discret. Ganz wunderbar ist namentlich auf den Oelgemälden die Luft behandelt.

P. ist von 1852 ständig auf der Wanderschaft. Nach Paris geht er bis 1883 immer wieder, auf ein paar Tage oder auf viele Monate. Seit 1858 sucht er Italien auf, das er schon als Cadett kennen gelernt haben muß. 1888, das Jahr vor seinem Tode, ist er das letzte Mal dort. Er reist nicht nur von Stadt zu Stadt, sondern hält sich auch zu wiederholten Malen längere Zeit in Rom, Neapel und Venedig auf, besonders in Venedig, wo er einige Winter verbringt. Im Sommer oder Herbst geht er gern nach Ungarn, und zwar nach Szolnok, das ihm fortwährend die meisten Motive für seine ungarischen Bilder liefert. Auch in Wien, wo er seit 1870 keine ständige Wohnung mehr, seit 1880 aber ein Atelier auf der Akademie hat, verweilt er nicht länger als anderswo, ja einige Jahre (1872, 78 und 83) läßt er sich in seiner Vaterstadt überhaupt nicht sehen. Natürlich kommt der Wechsel der Aufenthaltsorte auch in den Sujets der Bilder zum Ausdruck. Vor allem sind venezianische und südtirolische Interieurs zu verzeichnen. Doch überwiegen bis in die 80er Jahre die ungarischen Stoffe. Sie sind bekannt genug, immer einander ähnlich und doch nie dieselben: Szolnoker Marktgetriebe, als ganzes und im einzelnen gesehen, Zigeuner lagernd oder auf der Wanderschaft, Bauern bei ihren mannichfachen Beschäftigungen, niedrige Gehöfte mit weißen Mauern und Strohdächern, kothige Dorfstraßen, von Gänsen und Schweinen belebt, die endlose Puszta, aus der nur hohe Ziehbrunnen aufragen, armselige Klepper in der Schwemme oder neben ihren Karren mit gesenkten Köpfen beisammen stehend, – das sind so etwa die häufigsten Themen. Ungefähr im letzten Jahrzehnt seines Lebens fängt P. wieder zu componiren, wieder das historische Genrebild zu pflegen an. Eine Reihe großer Entwürfe beschäftigt ihn, von denen eigentlich keiner ganz zur Ausführung gekommen ist. Doch gibt es wenigstens zwei dieser Compositionen in verschiedenen Stadien [34] und Fassungen: die „Reitknechte (im Kostüm des 17. Jhdts.), die mit den Pferden ihrer Herren auf den Ausgang eines Zweikampfs warten“ und den „Straßenkampf (in der Tracht des 18. Jhdts.) in einer venezianischen Calle“ – beides Schöpfungen, die den Künstler auf der höchsten Höhe seines Könnens zeigen. Auch die Zeichnung tritt wieder mehr in den Vordergrund. P. plant die Illustration seines Lieblingsbuches „Gil Blas“ von Lesage. Dutzende von köstlichen Blättern, zum Theil ganz flüchtig skizzirt, zum Theil prachtvoll mit Pinsel und Feder ausgeführt, sind erhalten. Viele große Zeichnungen der 80er Jahre, zumeist südtirolische Motive festhaltend, sind mit weichem Bleistift meisterhaft breit und sicher hingeworfen. Noch in den letzten Jahren bereichert P. seine Technik, indem er mit Pastell und Gouache zu arbeiten beginnt. Ueberhaupt entgeht ihm ebensowenig ein Fortschritt der Technik wie eine neue künstlerische Erscheinung, und rastlos strebt er, das eigene Können zu vervollkommnen. Nie kann er sich selbst genug thun, und was vor seiner strengen Selbstkritik nicht stand hält, vernichtet er einfach. Sein Fleiß übersteigt alle Grenzen. Nichts ist ihm für eine Naturstudie zu gering, er zeichnet immer und überall. Noch als fertiger Meister besucht er einen Actcurs oder zeichnet täglich in der Frühe nach dem Modell. Zum „Gil Blas“ macht er die sorgfältigsten Kostümstudien nach alten Meistern, die er genau kennt.

Als Künstler war P. der einzige unter den Malern der alten Wiener Schule, der völlig über die heimathliche Localtradition hinauswuchs und noch in seinem Alter dort stand, wo die am meisten fortgeschrittenen seiner Zeitgenossen auch in anderen Ländern standen. Er war infolgedessen auch der einzige Alt-Wiener Maler, der bei Lebzeiten einen internationalen Ruf genoß. Als Mensch war er ein vornehmer Charakter, aber ein wenig glückliches Temperament. Ein ausgesprochener Hypochonder, litt er nicht nur an wirklichen, sondern noch mehr an eingebildeten Uebeln. Den Anwandlungen von Menschenscheu stehen jedoch seine Kinderliebe und die treue Freundschaft, die ihn z. B. mit Leopold Karl Müller (siehe diesen!) verbunden hat, gegenüber. Ist er einerseits zurückhaltend und verschlossen, so kann er andererseits der amüsanteste Gesellschafter und ausgelassen lustig sein. Dem Wiener Künstlerkreis steht er, wenigstens in späteren Jahren, recht fremd gegenüber, dagegen ist er mit vielen hervorragenden Künstlern des Auslands, z. B. Lenbach und Fortuny befreundet. Zu seinen Lebzeiten kam – mit seinem Willen – keines seiner Bilder auf eine Ausstellung. Jedenfalls war er der schlechteste Geschäftsmann und daher stets in Geldnoth, während Andere durch seine Bilder reich wurden.

P. starb am 21. März 1889 im Sanatorium Löw an einer Rippenfellentzündung, die er sich bei der Arbeit zu seinem letzten Bild, dem Straßenkampf, geholt hatte, und die zu einem alten Herzleiden verderblich hinzutrat. Er hatte seinen Nachlaß noch selbst geordnet und die Schwestern seines Freundes Müller zu Erbinnen eingesetzt.

P. war seit 1857 Ehrenmitglied der „Koninklyke Akademie van Beeldende Kunsten te Amsterdam“, 1863 erhielt er das Ritterkreuz des Franz Josefs-Ordens und wurde Ehrenmitglied der „Réunion des Artistes Peintres etc. du Royaume des Pays-Bas sous le nom de la Société ‚Arti et Amicitiae‘“, 1866 ward er wirkliches Mitglied der k. k. Akademie der bildenden Künste in Wien, 1872 Ehrenmitglied der königlich bairischen Akademie der bildenden Künste in München, 1873 erhielt er den Orden der eisernen Krone 3. Classe, 1874 ward er, wie schon erwähnt, in den Ritterstand erhoben, 1880 erhielt er den Titel „k. k. Professor“.

Pettenkofen’s Werke sind in öffentlichen Sammlungen verhältnißmäßig spärlich vertreten, die meisten befinden sich in Wiener Privatsammlungen, vor [35] allem bei Franz Xaver Mayer, Eugen Miller v. Aichholz, den Schwestern Leopold Karl Müller’s und August Heymann, der die vollständigste Sammlung von des Künstlers Lithographien besitzt. Auch die Stadt Reichenberg nennt eine stattliche Anzahl von Pettenkofen’s Bildern ihr eigen.

Theodor v. Frimmel, Einleitung zum Katalog der Nachlaßauction, die unter H. O. Miethke’s Leitung im Januar 1890 stattfand. – Karl v. Lützow, August v. Pettenkofen in den Graphischen Künsten, Wien 1895, XVIII, 25 ff. – Friedrich v. Boetticher, Malerwerke des 19. Jhdts., Leipzig, II (1898), 248 ff.