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Artikel „Vögelin, Johannes“ von Siegmund Günther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 142–143, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:V%C3%B6gelin,_Johannes&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 08:37 Uhr UTC)
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Voegelin: Johannes V., Astronom und Mathematiker, geboren zu Heilbronn Ende des 15. Jahrhunderts, † zu Wien im J. 1549. V., der gelegentlich auch Voegele genannt wird, begegnet uns zuerst 1517 als Lehrer an der Augsburger Domschule, als welcher er sich große Verdienste erworben zu haben scheint. Sein Schüler Birk (Betulejus) ist als der Begründer des Augsburger höheren Schulwesens anzusehen; ihn selbst aber führte 1525 eine Berufung nach Wien, wo er als „collega civilis collegii Viennensis“ an der Schule bei St. Stephan Mathematik zu lehren hatte. Drei Jahre verblieb er zunächst in dieser Stellung, dann erhielt er, ohne erstere aufgeben zu müssen, auch zugleich eine an der Universität erledigte Professur, und zwar bezeichnet ihn das von den Curatoren vom 11. December 1528 ausgestellte Decret als „Professor astronomie, theoretice et apotelesmatice, nec non geographie“. In dem Lehrauftrage war somit die Astrologie ausdrücklich mit enthalten; außerdem war ihm eine Pflichtvorlesung über die Sphärik des Theodosius vorgeschrieben. In das erzherzogliche Collegium wurde V. 1534 aufgenommen, obwol dies, da er verheirathet war, eigentlich gegen die Statuten verstieß; er empfing dafür, daß er auf die freie Wohnung im Collegialgebäude verzichten mußte, eine jährliche Entschädigung von 32 Pfund Pfennigen. V. hat sich ausschließlich seinem Lehramte und seiner litterarischen Thätigkeit gewidmet, ein Universitätsamt dagegen niemals bekleidet. Wie hoch die Hochschule diese Kraft zu schätzen wußte, geht aus der von Stephan Solidus verfaßten Trauerelegie (Wien 1549) hervor. In der That darf V. als der letzte Vertreter jener stattlichen Mathematikerschule bezeichnet werden, welche, mit Johann v. Gmünd beginnend, der österreichischen Hauptstadt über ein Jahrhundert lang zur Zierde gereichte. Noch als Lehrer benützte er jede Gelegenheit, sich weiter auszubilden, und studirte unter Tannstetter und Perlacher; auch der hebräischen Sprache bemeisterte er sich durch Selbststudium. Für seinen Unterricht verfaßte er ein „Elementale geometricum ex Euclidis geometria“, welches, nach zahlreichen Neu- und Nachdrucken zu schließen, seine Bestimmung „ad omnium mathematices candidatorum utilitatem“ vollauf erfüllt haben muß. Die Sphärik des Theodosius gab er, um für seine erwähnte Hauptlection einen Anhalt zu besitzen, mit erläuternden Noten heraus (Wien 1529). Auch die Kometen zogen seine Aufmerksamkeit auf sich, und seinen Beobachtungen der Schweifsterne von 1527 und 1532 wurde die Ehre zu theil, in des Hagecius Schrift über den neuen Stern in der Kassiopeja (Frankfurt a. M. 1574), sowie in Tycho Brahe’s „Progymnasamata“ wieder abgedruckt zu werden. Eine andere Arbeit von ihm über Kometen sowie einen Kommentar zu Geber’s Auslegung des ptolemäischen Almagestes sollen sich noch handschriftlich auf der Wiener Hofbibliothek befinden. Wenn auch V., wie ausdrücklich bezeugt wird, bei seinen astrologischen Prognosen nicht immer vom Glücke begünstigt war, so that dies doch seiner Werthschätzung bei den Zeitgenossen keinen Eintrag. Melanchthon sprach [143] ihm 1536 öffentlich seine Verehrung aus, und in dem Wiener „Mathematikerverzeichnis“, welches ein gewisser Poppenheuser in poetischer Form, auf eine ältere Vorarbeit des Stiborius gestützt, herausgab, bezieht sich auch ein Hexameter („Vogelinus vir solertissimus …“) auf unseren Gelehrten.

Weidler, Historia Astronomiae, Wittenberg 1741, S. 341. – Kink, Geschichte der kaiserl. Universität zu Wien, 1. Band, Wien 1854, S. 318. – v. Aschbach, Die Wiener Universität und ihre Humanisten im Zeitalter Kaiser Maximilian’s I., Wien 1877, S. 342 ff. – v. Aschbach, Die Wiener Universität und ihre Gelehrten 1520 bis 1565, Wien 1888, S. 291 ff. – Cantor, Vorles. üb. Gesch. d. Mathem., 2. Bd., Leipzig 1892, S. 362 ff.