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Artikel „Johann von Gmunden“ von Karl Christian Bruhns in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 456–457, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_von_Gmunden&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 12:21 Uhr UTC)
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Johann von Gmunden, auch Joannes de Gamundia, geb. bald nach 1380, † am 23. Febr. 1442, führte seinen Beinamen nach seinem Geburtsorte, einer kleinen Stadt am Traunsee in Oberösterreich. Irrig soll die Meinung sein, daß er aus Schwäbisch-Gemünd oder aus dem niederösterreichischen Dorfe Gmünd stamme. Ob er einen besonderen Familiennamen geführt und identisch ist mit einem Wißbier, der unter dem Namen Johannes Wißbier de Gamundia am Ende des J. 1404 astronomischen und besonders kalendarischen Studien in Ulm oblag, ist zweifelhaft. Daß er Nider oder Schindel geheißen, läßt sich urkundlich nicht nachweisen; er selbst hat sich nur Johannes de Gmunden, Joannes de Gamundia geschrieben. Aus seiner Jugend ist nichts bekannt; am 21. März 1406 erhielt er mit Ulrich Grünwalder das artistische Magisterium in Wien; im J. 1408 begann er seine philosophischen Vorlesungen über die aristotelischen Libri physicorum 1409 und 11 las er über die Meteore, 1412 über den Algorismus, 1414 über Perspectiva communis etc. Schon 1413 war er als Dekan der artistischen Fakultät gewählt und verwaltete im folgenden Jahre als Receptor die Kasse, 1423 war er zum zweiten Male Dekan und später mehrere Jahre Vicekanzler, aber nie Rector und Kanzler, letzteres konnte nur der Dompropst sein. Nachdem er 1418 (damals war er bereits magister stipendiatus, d. h. besoldeter Lehrer) krank gewesen und 1419 zu Hause seine astronomischen Tafeln erklärt hatte, hielt er vom J. 1420 an als magister regens nur mathematische und astronomische Vorlesungen theils über die Elemente Euklids und die sphaera materialis, theils über die theoriae planetarum und theils über den Gebrauch des Astrolabs. In der Astronomie bildete er mehrere Schüler aus: unter denselben Georg Pruner von Ruspach. Mit Recht kann man ihn, wie Kästner in seiner Geschichte der Mathematik nachweist, als den Vater der mathematischen und astronomischen Wissenschaft in Deutschland betrachten. Seine Schriften sind theils theologischen, theils mathematischen und vorzüglich astronomischen Inhalts; von den theologischen kennt man zwei, die „Lectura super Exodum“ und die „Lectura textualis quatuor librorum sententiarum“, von den mathematischen Schriften ist sein „Algorismus“ oder Arithmetik uns bekannt. Seine astronomischen Schriften sind bahnbrechend gewesen. Die „Practica tabularum astronomicarum“ enthalten seine astronomischen Tafeln; die „Tabulae de planetarum motibus et luminarium eclipsibus verissime ad meridianum Viennensem“ und das „Aequatorium motuum planetarum ex campano transsumtum“, enthalten die Bewegung der Planeten, selbstverständlich nach dem [457] Ptolemäischen System. Das Astrolabium hat er beschrieben in „Compositio astrolabii et utilitates ejusdem et quorundam aliorum instrumentorum“, aber von der größten Wichtigkeit ist sein „Calendarium quod multis sequentibus annis utile erit et jucundissimum“, und er ist der erste Berechner derartiger Ephemeriden, denn vor ihm hat kein Mathematiker einen auf mehrere Jahre brauchbaren Kalender mit den dazu gehörigen Tafeln und Erklärungen entworfen. Die Benennung solcher Ephemeriden mit dem Namen „Almanach“ wird ihm beigelegt. Großes Verdienst erwarb er sich um die Universität durch die Schenkung seiner Bücher und Instrumente, welche er noch bei Lebzeiten im J. 1435 machte. Dadurch wurde eine Grundlage zunächst für eine Büchersammlung der artistischen Fakultät, später aber auch für eine Universitätsbibliothek gewonnen. Für die Benutzung der Bücher mußte etwas bezahlt werden, wofür neue Anschaffungen gemacht wurden. Von den Instrumenten, welche er schenkte, nennen wir eine sphaera solida, eine Sphaera materialis die figurae communes in theorias planetarum, ein hölzernes Astrolabium, zwei Quadranten etc. Er starb am 23. Februar 1442 und wurde in der Stephanskirche beigesetzt, wo jedoch kein Denkmal seine Ruhestätte anzeigt.

Vgl. Weidler’s Historia astronomiae, Kästner’s Geschichte der Mathematik, Zach’s Monatliche Correspondenz, Bd. XVIII, Aschbach, Geschichte der Wiener Universität, Wien 1865 und Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit (Organ des Germanischen Museums), 1878, Nr. 1.