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Artikel „Unger, Manasse“ von Albert Pick in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 298–299, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Unger,_Manasse&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 23:13 Uhr UTC)
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Unger: Manasse U., Maler und Kunstgelehrter. Er war der jüngste Bruder des Stifters des Erfurter Realgymnasiums, Ephr. Salomon U. (s. o. S. 282). Am 14. März 1802 zu Coswig a. E. geboren, kam U. schon als vierjähriger Knabe nach Erfurt, das er selbst stets als seine Vaterstadt betrachtet hat. Hier verlebte er seine Jugend, die in die Zeit der Befreiungskriege fiel; hier erlangte er den Kern seiner wissenschaftlichen und künstlerischen Ausbildung. Seine für die Erfurter Geschichte werthvollen Jugenderinnerungen sind in einem „Semidas Kinderjahre“ betitelten Büchlein niedergelegt, das gelegentlich des fünfzigjährigen Doctorjubiläums seines Bruders am 20. September 1860 erschienen ist. Der Name „Semida“ ist einem Jünglinge entlehnt, den Klopstock im vierten Gesange seines „Messias“ auftreten läßt. Zur Zeit der Napoleonischen Zwingherrschaft entwickelten sich in dem Knaben, wie Richard Lucae in dem Nekrologe auf U. bemerkt (erstes Beiblatt zur National-Zeitung Nr. 257 vom 5. Juni 1868), die beiden Eigenschaften, die stets der Grundzug seines Lebens geblieben sind: Muth und Uneigennützigkeit. Auf Veranlassung eines Freundes des elterlichen Hauses wurde der begabte junge Mann in eine Zeichenschule geschickt, und bald erkannte der diesen unterrichtende Lehrer den Eifer des Zöglings und suchte denselben durch sein Lob rege zu erhalten. U. wählte zu seinem Berufe die Baukunst; da er aber nicht der Landeskirche angehörte, mußte er nach abgelegtem Geometerexamen jener Laufbahn entsagen und wurde Maler. Bei seiner Kunst blieb er auch später, als er zum Protestantismus übergetreten war. Bald erkannte er, daß seine theoretische Bildung sein Können in der Malerei überwog, und so widmete er sich dieser fortan nur insoweit, als er sich mit der Restaurirung unscheinbar gewordener Bilder älterer Meister beschäftigte, wozu ihn seine gründlichen Studien auf technischem Gebiete vorzüglich befähigten. Seinen künstlerischen Gesichtskreis erweiterte er durch Reisen im Auslande: in den Jahren 1844–45 war er in Italien, 1852 in Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Von diesen Reisen brachte er eine Menge werthvoller Gemälde mit, die bald eine ansehnliche Privatgalerie bildeten. So gelang es ihm auch, in dem Haag Rubens’ „Opfer Abrahams“ aufzufinden. Infolge der großen Schwierigkeit, für ein älteres Gemälde den Maler mit Bestimmtheit anzugeben, wird bei den von ihm dem Tizian, Murillo, Salvator Rosa und anderen Meistern zugeschriebenen Kunstwerken wohl hie und da eines gewesen sein, bei dem er in der Bestimmung geirrt hat; aber im allgemeinen war sein Urtheil ein gründliches und feinsinniges, [299] so daß er für eine Autorität auf diesem Gebiete galt. „Er war damals“, sagt Wilhelm Lübke von ihm (Lebenserinnerungen, Berlin 1891, S. 195–202), „in Deutschland einer der ersten, welche sich auf eindringende Prüfung der technischen Eigenschaften der Kunstwerke einließen.“ Seine Hauptbedeutung liegt indessen auf dem Gebiete der Kunstphilosophie. Unger’s hierher gehöriges wichtigstes Werk „Das Wesen der Malerei“, erschien 1851 und ist auf ästhetischem Gebiete bahnbrechend gewesen. Als Ergänzung dieses Werkes schrieb er 1865 seine „Kritischen Forschungen im Gebiete der Malerei alter und neuer Zeit“, ein gleichfalls vortreffliches Werk, welches U. seinem Gönner Peter v. Cornelius gewidmet hat. Außer diesen zwei fachwissenschaftlichen und der oben erwähnten autobiographischen Schrift hat U. noch eine 1843 erschienene Künstler-Novelle, betitelt „Semida, der Selbstdenker“, und zwei dramatische Dichtungen verfaßt. Von diesen wurde die eine, „Künstler und Fürst“ im J. 1857 der Oeffentlichkeit übergeben, während die andere, ein Trauerspiel unter dem Titel „Ribera, genannt lo Spagnoletto“, nur im Manuscripte erhalten blieb. Beides sind Künstlerdramen und zeichnen sich durch feine Skizzirung der Charaktere wie durch edle Sprache aus. – Aus dem äußeren Leben Unger’s sind noch wenige Thatsachen nachzuholen. Er diente im Heere, nahm aber dann als Hauptmann seinen Abschied. Im J. 1848 wurde er zum Chef des bewaffneten Künstlercorps gewählt und hat sich als solcher durch die von ihm geleitete Beschützung der königlichen Kunstsammlungen, sowie zeitweise des königlichen Schlosses ein nicht geringes Verdienst erworben. U. blieb unvermählt; viele Jahre war er mit einer in Hamburg lebenden Dame verlobt, die heimzuführen ihm seine Glücksumstände nicht gestatteten, bis endlich das Brautpaar das Jubiläum seiner silbernen Verlobung feierte. Der originelle und geistreiche Mann, welcher im persönlichen Umgang auf viele junge Künstler sehr anregend gewirkt hat, starb infolge eines Schlagflusses am 17. Mai 1868 zu Berlin.

Vgl. Dr. Albert Pick, Ueber den Erfurter Maler und Kunstgelehrten Manasse Unger. Erfurt 1890.