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Artikel „Ulrich, David“ von Wilhelm Oechsli in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 253–254, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ulrich,_David&oldid=- (Version vom 10. November 2024, 06:46 Uhr UTC)
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Ulrich: David U., schweizerischer Jurist und Politiker, geboren am 25. April 1797 zu Zürich, † am 2. März 1844 daselbst, stammte aus einer angesehenen Zürcher Familie. Sein Vater, Friedrich Salomon U., war Chorherr und Professor am Carolinum, seine Mutter eine Tochter des Bürgermeisters David v. Wyß. Nachdem U. auf den gelehrten Schulen seiner Vaterstadt eine gute classische Vorbildung genossen und seit 1816 an dem sogen. politischen Institut juristische Vorlesungen gehört hatte, bezog er im Frühjahr 1818 die Universität Göttingen, hatte aber dort das Unglück, daß ihm als bloßem Zuschauer bei einem Studentenauflauf der linke Vorderarm durch den Säbelhieb eines hannöverschen Husaren zerschmettert wurde, weshalb er schon im Herbst Göttingen mit Berlin vertauschte. Hier zogen und regten die Vorlesungen Savigny’s, der Umgang mit dem Philologen August Friedrich Wolf, einem Bekannten seines Vaters, überhaupt das ganze wissenschaftliche und künstlerische Leben der Hauptstadt den jungen Schweizer mächtig an und emsig betrieb er seine Studien, bis die ausbrechende Demagogenverfolgung denselben jählings ein Ende bereitete. Infolge eines Briefes an seinen Vater, der Bemerkungen über Sand’s That enthielt und von der Polizei abgefangen und eröffnet worden war, wurden früh Morgens am 7. Juli 1819 sowol seine, als seines Vetters und Zimmergenossen Konrad Wyß Papiere polizeilich versiegelt und weggenommen. Auf die Verwendung des akademischen Senates erhielt Wyß seine Papiere schon nach einigen Tagen mit einer Art Ehrenerklärung zurück. U. dagegen hatte am 1. und 2. August ein scharfes Verhör zu bestehen, wobei er in seiner unerschrockenen, derben Art mit dem Untersuchungscommissarius Grano hart zusammenstieß und mit Verhaftung bedroht wurde. Schließlich erhielt er am 17. August die gewünschte Erlaubniß zur Abreise. Nachdem er schon im Frühling von Berlin aus die Hansestädte besucht hatte, begab er sich jetzt über Weimar, wo er bei Hofrath Meyer und Goethe vorsprach, nach Paris und wurde hier in längerem Aufenthalt mit allerlei hervorragenden Persönlichkeiten, wie Oelsner, dem Abbé Grégoire, der Madame de Baudreuil, Diderot’s Tochter, u. A. bekannt. Im Juli 1820 kehrte der reichbegabte junge Mann nach Hause zurück und wurde, nachdem er zuerst als Secretär auf der Obergerichtskanzlei gearbeitet hatte, 1824 zum öffentlichen Ankläger befördert. Auch hielt er Vorlesungen über Civilrecht am politischen Institut. Politisch und religiös liberalen Ansichten zugethan, nahm U. eifrigen Antheil an den Bestrebungen der Griechenvereine – er übertrug Lord Erskine’s Schutzschrift für die Griechen ins Deutsche – und begrüßte trotz seiner stadtbürgerlichen Abkunft die vom Landvolk ausgehende demokratische Umwälzung des Jahres 1830. Er trat in enge Verbindung mit Dr. Ludwig Snell, dem Verfasser des sog. Küsnachter Memorials, welches das leitende Programm der Bewegungspartei wurde. Im December 1830 wurde er in den Großen Rath gewählt, der dem Kanton eine neue Verfassung [254] zu geben hatte, zog in demselben durch einen trefflichen zusammenfassenden Bericht über 270 von Gemeinden und Privaten eingelangte Petitionen die Aufmerksamkeit auf sich und schwang sich alsbald durch die Entschiedenheit seiner Ansichten, seine schlagfertige Beredsamkeit und seine gründlichen Kenntnisse neben Dr. Friedrich Ludwig Keller, dem berühmten Romanisten, zum einflußreichen Führer der zur Herrschaft gelangten liberalen Partei empor. Als ausgezeichneter Jurist wirkte er insbesondere bei der Neuorganisation der zürcherischen Rechtspflege auf Grund der Gewaltentrennung in hervorragender Weise mit. Obgleich U. jedes Amt offen gestanden hätte, verblieb er in seinem bisherigen Wirkungskreis in der 1831 neu geschaffenen Stelle eines Staatsanwaltes. Daneben bethätigte er sich als Mitglied des Erziehungsrathes an der schöpferischen Umgestaltung des zürcherischen Unterrichtswesens durch Thomas Scherr und Orelli. Allmählich wurde jedoch seine öffentliche Stellung untergraben. An seiner geschickten und unparteiischen Amtsführung konnten zwar auch die Gegner nichts aussetzen. Aber die Schroffheit seines politischen Auftretens, die ihm trotz angeborener Gutmüthigkeit eigen war, sowie die offenkundigen Blößen seines Junggesellenlebens weckten gegen ihn, ähnlich wie gegen Keller, in weiten Kreisen Haß und Erbitterung, zumal er seinen Hang zu derb sinnlichen Genüssen mit einem gewissen Cynismus zur Schau trug. Die Verletzung des Anstands und der guten Sitte, die sich die beiden Häupter der liberalen Partei zu schulden kommen ließen, war nicht die geringste Ursache des Sturzes der letztern, der 1839 im „Zürichputsch“ erfolgte. Mit Eifer wirkte U. im Erziehungsrathe für die Berufung von David Friedrich Strauß an die Zürcher Hochschule, die den Anlaß zu der conservativen Bewegung von 1839 gab, und vertheidigte dieselbe im Großen Rathe. Als nach der Pensionirung von Strauß die Agitation des sogen. Glaubenscomités fortdauerte, drängte er mit Keller die Regierung zum Einschreiten. Da diese am 23. August 1839 die Veranstaltung von Gemeindeversammlungen im Auftrag des Comités untersagte, dieses aber in einem Aufruf das Volk zur Nichtbeachtung jenes Verbotes aufforderte, ließ U. als Staatsanwalt beim Criminalgericht eine Anklage gegen den engern Ausschuß des Comités stellen und den Aufruf, sowie einige Tage später ein conservatives Zeitungsblatt mit Beschlag belegen. Die Antwort war, daß eine vom Glaubenscomité einberufene Volksversammlung zu Kloten am 2. September verlangte, daß die Regierung ihren Erlaß vom 23. August desavouire, die gegen das Comité eingeleitete Untersuchung für unstatthaft erkläre und die Staatsanwaltschaft wegen Verfassungsverletzung zur Rechenschaft ziehe. Als am 6. September 1839 der Putsch erfolgte, flüchtete U. mit Keller und anderen liberalen Führern nach Baden. Durch die conservative Revolution aus all seinen öffentlichen Stellungen hinausgedrängt, widmete er sich der Advocatur, bis eine Lungenkrankheit seinem Leben vorzeitig ein Ende bereitete.

Vogel, David Ulrich, Staatsanwalt des Kantons Zürich, in d. Schweizer geschichtlichen Studien. Bern 1864. – Nekrolog in der neuen Helvetia II. Zürich 1844. – Escher, Erinnerungen seit mehr als sechzig Jahren, II. Zürich 1867. – v. Wyß, Leben der beiden zürcherischen Bürgermeister David v. Wyß, II. Zürich 1886.