ADB:Ugarte, Alois Graf von und zu

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Artikel „Ugarte, Alois Graf von und zu“ von Árpád Győry von Nádudvar in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 137–139, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ugarte,_Alois_Graf_von_und_zu&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 13:12 Uhr UTC)
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Ugarte: Alois, des H. Röm. Reiches Graf von und zu U., Herr der Herrschaft Jaispitz in Mähren, geboren 1749, † zu Graz am 18. November 1817 als österreichischer oberster Kanzler, war der Sprosse einer aus Spanien stammenden Familie, welche im 16. Jahrhundert nach den Niederlanden gekommen war. Peter v. U. trat 1639 aus spanischen Kriegsdiensten in die des Kaisers und wußte sich so sehr die Zufriedenheit und Gunst seiner obersten Kriegsherren zu erwerben, daß er 1654 in den Freiherrn-, 1676 in den Grafenstand erhoben, zum Hofkriegsrath und schließlich zum Stadtcommandanten von Wien ernannt wurde. Dessen Urenkel Johann erwarb von der Schwester seiner Frau Marie Wilhelmine Rabutin Gräfin Souches deren Familiengut Jaispitz in Mähren, nach welchem sich ihr Sohn Alois nannte. Von ihm soll hier gesprochen werden. Er oblag seinen Studien an der Theresianischen Akademie in Wien während der Jahre 1760–1768 und trat nach deren Beendigung sofort bei der niederösterreichischen Regierung in den Staatsdienst. Bald zum Rath dieser Behörde ernannt, vertauschte er die Stelle mit der eines k. ungar. Hofkammerrathes, bis er 1782 als „erster Hofrath und Vicepräsident bei dem Gubernio in dem Königreiche Galizien und Lodomerien“ nach Lemberg versetzt wurde. Scheint er, seinen ausgezeichneten Fähigkeiten gemäß, hier auch seine Pflichten in getreuester Weise erfüllt zu haben, so war er doch nicht ganz auf die Intentionen seines Kaisers eingegangen. Denn in dem Billete K. Josef’s II. an den Hofkanzler, worin er jene Veränderungen in der öffentlichen Verwaltung anbefiehlt, welche er auf Grund seiner in diesem Jahre (1786) unternommenen Reise in die Provinzen des Reiches für ersprießlich erachtet, sagt der Kaiser über Galizien folgendes: „(Dort) gebricht es hauptsächlich an der wahren Leitung der Geschäfte und an der Einigkeit, welche zur Beförderung des Dienstes höchst nothwendig ist; Ich finde dahero räthlich den Hofrath Baron Margelik“ (von der vereinigten Hofkanzlei, ein vom Kaiser besonders geschätzter Beamter) „dem die Dikasterial-Verfassung und der Geist, nach welchem ich die Geschäfte behandelt wissen will, vollkommen eigen sind, als Hofrath und Vicepräsidenten dahin zu ernennen … dagegen will Ich den Grafen Alois Ugarte als Referenten von Galizien zur Kanzlei ziehen, dem ein geschickter Secretär von dem dortigen Gubernio als Hofsecretär beizugeben ist.“ Nicht lange wirkte er in dieser Stellung. Denn als der Posten eines Gouverneurs von Mähren und Schlesien frei wurde, und der Vicekanzler Graf Johann Wenzel Ugarte diese ihm seitens [138] des Kaisers mittels Handbillets an Kolowrat d. d. 5. August 1787 angebotene Stelle ausschlug, wurde Graf Alois zum „Gubernator“ der genannten Provinz, zum Landeshauptmann und Appellationspräsidenten ernannt. Die Verdienste, die sich U. in dieser Stellung erworben, die er „mit unermüdetem Eifer, besonderer Geschicklichkeit, bewährter Treue und Rechtschaffenheit geleistet hat“, fanden rasch die Anerkennung des neuen Kaisers und als die Krönung Leopold’s II. zum König von Böhmen bevorstand, war es eine der bei solchen Gelegenheiten gewöhnlichen Gnadenbezeigungen, daß Leopold auch dem Grafen U. am 2. November mit obigen Worten die Würde eines wirklichen Geheimen Rathes verlieh. Noch weitere 12 Jahre widmete U. alle seine Kräfte den Ländern als Gubernator, als Präsident der Militär- und geistlichen Hofcommission, als Protector der k. mährischen und schlesischen Ackerbaugesellschaften und des Armeninstitutes in Mähren wie als Landeshauptmann und Director der mährischen Herren Stände. Besonders der Landwirthschaft hatte er seine Fürsorge zugewendet. Durch die Musterwirthschaften, die er auf seinen eigenen Gütern, wie auf den seiner Vormundschaft zugewiesenen verwandtschaftlichen Gütern eingerichtet hatte, ging er als erster des Landes dessen Bewohnern erfolgreich und zur Nachahmung aneifernd voran. Begreiflich ist daher das allgemeine Bedauern, welches sich in Mähren und Schlesien zeigte, als daselbst bekannt wurde, Kaiser Franz II. habe den Grafen U. nach Auflösung der galizischen Hofkanzlei und deren Verschmelzung mit der vereinigten Hofstelle zur vereinigten Hofkanzlei zum Chef dieser obersten Stelle, als „Böhmischen Obersten und österreichischen ersten Kanzler“ ernannt. Als nämlich der Kaiser nach Abschluß des Luneviller Friedens im April 1801 nach Budweis kam, um durch sein persönliches Erscheinen bei Auflösung der Böhm.-mähr.-schlesischen Erzh. Karl-Legion öffentlich darzuthun, wie sehr er das patriotische Wirken dieses Corps und den Geist, der sich in der Gründung dieser Legion documentirt hatte, zu schätzen wisse, wurde er natürlich von den Landeschefs von Böhmen und von Mähren, den Grafen Stampach und Ugarte empfangen. Der Kaiser hatte hier neuerlich Gelegenheit sich von der Tüchtigkeit und vaterländischen Gesinnung beider zu überzeugen. Die unmittelbare Aeußerung seiner Zufriedenheit war die Verleihung des Großkreuzes des Stephansordens an beide. So nachhaltig aber war der Eindruck, den der Kaiser von Ugarte’s administrativen Fähigkeiten erhielt, daß er ihn, als eben die Reorganisation der Hofstelle erfolgte, zum Chef der inneren Verwaltung berief. Bestimmend auf den Kaiser mag auch der Einfluß des Staats- und Conferenzministers Grafen Kolowrat zu Gunsten Ugarte’s gewesen sein, welcher der erklärte Günstling des mächtigen Ministers gewesen ist. Hatten schon die vergangenen Jahrzehnte ein fortwährendes Herumtasten bei der Organisation der inneren österreichischen Verwaltung gezeigt, eine ewige Veränderung der Competenz besonders der obersten Behörden und ihres Wirkungskreises, so sollte auch das zweite Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts im Zeichen dieser Unsicherheit stehen. U. aber war der Mann, der bei diesen Experimenten zur Leitung der verschiedensten Ressorts berufen wurde. Da wieder einmal die Trennung der obersten Aufsicht über den Unterricht von den Agenden der politischen höchsten Stelle für ersprießlich erachtet wurde, und man die k. k. Studienhofcommission schuf, wurde U. zu ihrem Präsidenten ausersehen, welche Stelle er bis zu seinem Tode inne hatte. Von viel kürzerer Dauer war seine Thätigkeit als Präsident der k. k. Hofkammer, Ministerialbanco-Hofdeputation, Finanz- und Commerzhofstelle, dann der k. k. Hofkammer in Münz- und Bergwesen. Zu dieser Stelle berief ihn Kaiser Franz im J. 1813, nachdem er ihn vorher durch die Ernennung zum Staats- und Conferenzminister als dauernden Beirath an seine Seite berufen hatte. Die Vereinigung des Hauptressorts einer Staatsverwaltung [139] in einer Hand konnte unmöglich für die Dauer vortheilhaft sein. Zu dieser Einsicht war man denn in Wien bereits im folgenden Jahre gekommen. Man hatte in Graf Stadion den richtigen Finanzminister zu finden gehofft, ein kaiserliches Decret vom September 1814 vertraute seinen Händen die Leitung dieses Ressorts an. U. aber konnte sich von da ab ganz der innern Administration widmen. Das Jahr 1815 brachte U. in der Verleihung des goldnen Civilverdienstkreuzes seitens des Kaisers eine neuerliche Anerkennung seiner Verdienste. Als der Graf im Herbste des Jahres 1817 nach Graz reiste zur Begrüßung seines Souveräns, der auf einer großen Reise durch die Monarchie nach mehr als fünfmonatlicher Abwesenheit im Begriffe war zu dauerndem Aufenthalte nach Wien zurückzukehren, warf den ohnedies schon unpäßlichen Mann eine ernste Krankheit auf das Sterbelager. Am 18. November um 12 Uhr Mittags beendete er sein thatenreiches Leben. Vier Tage vorher noch hatte ihm der Kaiser als besonderes Zeichen seiner Huld durch seinen Oberstkämmerer Graf Wrbna den Orden des goldenen Vließes überbringen lassen. Einem Sterbenden sollten die letzten Tage durch diese kaiserliche Anerkennung verschönt werden „für“, wie die öffentliche Meinung in etwas eigenthümlicher Fassung damals sagte, „für die geleisteten langjährigen Dienste in den ausgezeichnetsten Dienstes-Kategorieen und die Beweise von erprobter Anhänglichkeit in den bedenklichsten Perioden der ereignißschwangeren (!) Vergangenheit“.