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Artikel „Tobler, Joh. Georg“ von Otto Hunziker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 393–394, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tobler,_Johann_Georg&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 08:46 Uhr UTC)
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Tobler: Joh. Georg T. von Wolfhalden (Appenzell A. Rh.) ist am 17. December 1769 zu Trogen geboren. Er verlor früh die Eltern, wurde als vermögensloser Waisenknabe bei fremden Leuten untergebracht und genoß nur ungenügende Schulbildung. Aber Handwerk und Gewerbe, denen er sich widmen sollte, zogen den Jüngling weniger an als die Gelegenheit, dem Pfarrer seines Wohnortes beim Religionsunterrichte zu helfen, und als schon gereifter Mann ging er 1792 nach Basel, um dort Theologie zu studiren. Indeß siegte in ihm der innere Beruf zum Pädagogen über das theologische Studium; er nahm 1795 eine Hauslehrerstelle in Basel an, las die Schriften Basedow’s, Salzmann’s u. A., und begeisterte sich an „Lienhard und Gertrud“ für Pestalozzi; 1799 gründete er mit Hülfe von Freunden eine Schule für die Mädchen, die bei den Kindertransporten aus den Bergkantonen, um der Hungersnoth in der Heimath zu entgehen, nach Basel gebracht worden waren. Dies brachte ihn mit Professor Fischer in Verbindung, der zu Burgdorf im Auftrag der helvetischen Regierung eine Normalanstalt zu organisiren im Begriffe war; als dieser starb und Pestalozzi sich mit Fischer’s Gehülfen, Krüsi, verband, ward auf Krüsi’s Rath sein Landsmann T., und auf dessen Wunsch auch Buß, aus Basel herbeigezogen (Frühsommer 1800); mit diesen drei Mitarbeitern eröffnete Pestalozzi im October sein Erziehungsinstitut auf Schloß Burgdorf. Der akademisch gebildete T. ward zunächst von Pestalozzi weniger für den Unterricht als zur Beihülfe bei seinen litterarischen Arbeiten verwendet; als der an Jahren älteste und durch seinen bisherigen Lebensgang selbständigste der Gehülfen Pestalozzi’s hatte er bei aller seiner Hingabe für Pestalozzi’s Ideen schwerer als die Anderen mit Pestalozzi persönlich in ungetrübt guten Beziehungen zu stehen. Dieser scheint eine Zeit lang daran gedacht zu haben, ihm das Institut förmlich abzutreten; statt dessen kam es schon im Winter zu einer Spannung zwischen beiden Männern, infolge welcher T. im Mai 1801 (nicht Herbst 1800) nach Basel zurückging und dort eine Erziehungsanstalt begründete; erst im Sommer 1803 finden wir ihn wieder an Pestalozzi’s Seite in Burgdorf.

Als Pestalozzi im folgenden Jahre nach Münchenbuchsee übersiedelte und sich mit Fellenberg zu gemeinsamen pädagogischen Unternehmungen verband, wurden T. (der sich mittlerweile verheirathet hatte) und Muralt mit der Leitung des Pestalozzi’schen Instituts in Buchsee betraut, während Pestalozzi nach Iferten ging; aber der Bruch zwischen Fellenberg und Pestalozzi führte auch die Lehrer und Schüler in Buchsee im Juli 1805 dem Meister wieder zu; hier in Iferten stieg nun das Institut zur vollen Höhe des Weltruhms empor. Doch schon 1808 schied T. zum zweiten Male und nun bleibend aus diesem Kreise aus; [394] den Pestalozzi’schen Ideen und dem Pestalozzi’schen Idealismus ist er bis zum Ende seines Lebens treu geblieben. Nach mannichfachem Wechsel des Schicksals und des Wohnortes (1808–9 Basel, 1809–11 Mülhausen i. E., 1811–12 Basel, 1812–19 Glarus, 1820 Arbon) gelang es ihm 1821, in St. Gallen festen Fuß zu fassen und hier eine Erziehungsanstalt zu organisiren, die er zu hoher Blüthe brachte; nach zehnjähriger Leitung trat er dieselbe seinem Sohne ab; als dieser, einem Rufe Niederer’s nach Iferten folgend, das Institut aufhob (1836), siedelte Vater T. wieder nach Basel über; die fünf letzten Jahre seines Lebens brachte er bei seinem jüngeren Sohn zu, der in Nyon eine Erziehungsanstalt errichtet hatte. Eben als er sich rüstete, in die Heimath zurückzukehren, um seine alten Tage bei seinem Erstgeborenen, der Director der Kantonsschule in Trogen geworden war, zu verbringen, trafen ihn apoplektische Anfälle, denen er am 10. August 1843 erlag; am 14. ward er in Nyon begraben. Am Vorabend des Begräbnisses schrieb Niederer, einst Tobler’s Studiengenosse in Basel, dann durch die Beziehungen zu Pestalozzi für das ganze Leben mit ihm in intimster Freundschaft verbunden: „Er war der unpersönlichste, überpersönlichste Mensch von allen, die ich je kannte; nur der Sache, der er lebte, und den Personen, in welchen sie ihm erschien, mit Abstraction von seiner Person und wahrhaft christlicher Selbstverleugnung ergeben“.

In methodisch-wissenschaftlicher Hinsicht hat T. vornehmlich das Gebiet der Geographie und des geographischen Unterrichts gepflegt; indem er die Pestalozzi’sche Methode auf letzteren übertrug, hat er hier geradezu bahnbrechend gewirkt; Henning’s Leitfaden beim methodischen Unterricht in der Geographie (Iferten 1812) ist auf Grund von Tobler’s Anregungen und Unterrichtsheften entstanden und Karl Ritter hat in hohem Maaße Tobler’s Leistungen anerkannt. Aber T. selbst ist, obschon er vierzig Jahre lang sich mit geographischen Studien beschäftigte und einige Jahre ausschließlich der Ausarbeitung seiner geographischen Werke widmete, nicht dazu gekommen, mit denselben vor die Oeffentlichkeit zu treten; seine Bücher blieben Manuscript und diese Manuscripte sind, wie es scheint, seither spurlos verschwunden. Aufsätze von T. über geographischen Unterricht finden sich in Mager’s Pädagogischer Revue (Jahrg. 1, 2, 3).

Mit Glück hat sich dagegen T. als Volks- und Jugendschriftsteller bethätigt: „Ali und Ala“ (1818); „Gotthold“ (1820); „Ferdinand Dulder“ (1821). Seine pädagogischen Ansichten und Erfahrungen sind namentlich (nach einigen mißglückten Versuchen, eine selbständige pädagogische Zeitschrift ins Leben zu rufen) niedergelegt in den „Beiträgen zu den Mitteln der Volkserziehung im Geiste der Menschenbildung“, deren 2.–4. Jahrgang er gemeinsam mit Krüsi herausgab (Zürich 1833–35).

Appenzellisches Monatsblatt 1843, S. 154 ff. – Nekrolog (von Niederer) in den Verhandlungen der Schweiz. Gemeinnütz. Gesellschaft 1843, S. 350 bis 358. – Neuer Nekrolog der Deutschen 1843, Nr. 209, S. 737–740. – Biogr. Skizze (von J. Heim) in Hunziker’s Geschichte der schweiz. Volksschule II, 125–128, wo er nach dem Vorgange Morf’s (Zur Biogr. Pestalozzi’s II, 59) irriger Weise „Gustav Tobler“ genannt ist.