ADB:Thumb von Neuburg, Konrad

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Artikel „Thumb von Neuburg, Konrad“ von Rudolf Krauß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 163–165, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Thumb_von_Neuburg,_Konrad&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 15:45 Uhr UTC)
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Thumb von Neuburg: Konrad Th., württembergischer Staatsmann. – Konrad Th. ist einem ursprünglich oberschwäbischen Adelsgeschlecht entsprossen. Sein Vater Hans, mit der 1502 verstorbenen Hildegard v. Stein vermählt, [164] stand erst in württembergischen, dann in bairischen Diensten; er lebte bis 1482. Konrad, 1465 geboren, kam früh an den Hof des Grafen Eberhard des Aelteren (oder im Bart), der auf ihn offenbar große Stücke hielt und ihm eine Gemahlin aussuchte: Margarethe, die Tochter des Georg Megentzer v. Felldorf. Th. hatte Eberhard im Bart, in dessen Schule sein von Natur scharfer Verstand sich entwickelte und dessen diplomatische Geschicklichkeit ihm zum Vorbild diente, viel zu danken. Als 1487 Eberhard der Jüngere das Dominicanerinnenkloster Kircheim u. T. vergewaltigte und im Februar des folgenden Jahrs Eberhard der Aeltere den bedrängten Nonnen zu Hülfe eilte, war Th. bei dem Unternehmen betheiligt. 1495 folgte er seinem Herrn nach Worms, wo am 21. Juli auf dem Reichstag Württemberg zum Herzogthum erhoben wurde. Später begegnen wir ihm als Burgvogt zu Neuffen und auf der Achalm. Nach dem Tod seines Gönners 1496 diente Th. Herzog Eberhard II. als Rath, kündigte jedoch diesem unwürdigen Fürsten mit den meisten andern Räthen April 1498 die Dienstpflicht auf; im Mai des genannten Jahrs sandten ihn die württembergischen Stände an König Maximilian mit einem Schreiben, worin die Uebergabe der Herrschaft an den jungen Ulrich angeregt war. Nachdem Eberhard’s Absetzung wirklich erfolgt war, nahm Th. an der Regentschaft als „Kammermeister“ theil. Strebsam, gewandt, klug und in der Wahl der Mittel nicht eben bedenklich, gewann er immer mehr an Einfluß, der sich noch steigerte, als der König 1503 Herzog Ulrich für volljährig und regierungsfähig erklärte. Auch an anderen Höfen stand Th. in Gunst: der Kaiser machte ihn zum besoldeten Rath, und der Baiernherzog Albrecht suchte ihn seiner mit Ulrich verlobten Tochter Sabine wegen in sein Interesse zu ziehen. In Ulrich’s siegreichem Feldzug gegen die Pfalz, 1504, leistete Th. wichtige Dienste; zum Entgelt schenkte der Herzog seinem „Marschall“ Schloß Stettenfels mit Dorf Gruppenbach, ein der Pfalz im Krieg abgenommenes Lehen. 1507 wurde für den Günstling das Erbmarschallenamt errichtet und im selben Jahr vom Kaiser bestätigt; es war als Lehen an die Herrschaft Stettenfels und Gruppenbach geknüpft. Auch sonst erweiterte Th. mit Unterstützung des Herzogs seinen Hausbesitz bedeutend; namentlich kaufte er allmählich das Dorf Stetten im Remsthal mit Zubehören zusammen. In diesen Tagen von Ulrich’s Glück stand auch der Erbmarschall auf der Höhe seiner Macht. Bei Ulrich’s Hochzeit am 2. März 1511 spielten er und seine Sippschaft eine große Rolle. Er hatte damals zwei erwachsene Söhne und 4 Töchter. Als die wachsende Steuerlast, die Folge der fürstlichen Verschwendungssucht, allmählich große Unzufriedenheit beim Volk erzeugte, richtete sich der Unwillen mehr gegen des Herzogs Räthe als gegen diesen selbst. Vor allem war Konrad Th. verhaßt. Man sagte im Lande, er „habe den Herzog am rechten Ohr und wende ihn, wie er ihn haben wolle“. In der That war der Erbmarschall zwar energisch und rücksichtslos im Interesse seines Fürsten thätig, übte aber keinen günstigen Einfluß auf diesen aus und bekräftigte ihn namentlich in seiner autokratischen Ueberhebung. Ueberhaupt machte Th. in seinem ganzen Thun und Lassen den Eindruck eines weder charaktervollen noch gewissenhaften Selbstlings. Auf dem Tübinger Landtag im Juni 1514 fehlte es nicht an heftigen Angriffen gegen ihn und die übrigen Räthe des Herzogs. Mit diesem erschien der Erbmarschall am 28. Juni persönlich zu Tübingen. Ulrich trat für seine Diener ein, so daß sie im Nebenabschied als entschuldigt angenommen wurden. Als der Aufruhr im Remsthal fortdauerte und der Herzog bei Schorndorf mit Lebensgefahr unter die Empörer trat, war Konrad Th. an seiner Seite.

Im Jahr 1514 hatte sich des Erbmarschalls um 1490 geborene Tochter Ursula mit dem fränkischen Ritter Hans v. Hutten, der seit 1511 als Stallmeister am württembergischen Hof weilte, vermählt. Th. verleugnete bei der [165] Wahl seines Schwiegersohns seine Schlauheit nicht: Hutten gehörte einer angesehenen Familie an und stand zum Herzog in sehr intimen Beziehungen. Indessen machte der Gang der Ereignisse seine Berechnungen zu Schanden. Das junge Paar wohnte im sogenannten Marschallenhaus, wo Ulrich als häufiger Gast aus- und einging, wie auch schon früher. Sein Wohlgefallen an der schönen Ursula steigerte sich allmählich zu leidenschaftlicher Begierde, es kam zum Conflict, zur Katastrophe: der Ermordung Hutten’s. Welche Rolle Ursula’s Vater in der Tragödie gespielt hat, ist nicht ersichtlich. Das strenge Ehrgesetz hätte jedenfalls dem Schwiegervater des Getöteten geboten, sich von dem Herzog abzuwenden. Th. folgte vielmehr der Stimme der Klugheit und ließ in seinem Verhältniß zu letzterem vorderhand keine Aenderung eintreten. Als die Huttenschen dies sahen, überschütteten sie die der Wahrscheinlichkeit nach unschuldige Ursula und ihren Vater, die sie anfangs geschont hatten, mit Schmähungen. Aber auch Ulrich ließ bald darauf den Erbmarschall fallen, dem er als Hutten’s Schwiegervater nicht mehr trauen mochte. Auch war er mit seinem Verhalten bei den Vorgängen, die den Blaubeurer Vertrag vom 18. October 1516 begleiteten, unzufrieden. 1518 wurde Th. in Stuttgart festgesetzt, dann nach Hohen-Neuffen geführt, von da wieder in das Stuttgarter Schloß zurück, wo er bis zum Ausbruch des Kriegs mit dem schwäbischen Bund gefangen lag. Damals befreite ihn Ulrich, der auch die zweifelhaften Freunde nicht entbehren konnte. Der Erbmarschall mußte gleichzeitig mit seinem Fürsten dem Herzog Albrecht von Baiern den Absagebrief schicken und ersteren nach Hohen-Tübingen begleiten. Als Ulrich das Schloß verließ, nahm Th. bei dem Abt in der Reichenau Zuflucht. Nach des Herzogs völliger Vertreibung kehrte er jedoch in das Land zurück, söhnte sich mit dem schwäbischen Bund aus und trat in das neue Regiment ein. Als Ulrich im August 1519 sein Land vorübergehend wieder eroberte und in Stuttgart einzog, entfloh sein ehemaliger Günstling mit den übrigen Mitgliedern der Regierung. Nach des Herzogs abermaliger Verjagung, zu der Th. selbst kräftig mitwirkte, gehörte er als Rath der neugebildeten österreichischen Regierung an und war hauptsächlich bei der Ordnung finanzieller Angelegenheiten thätig, bei welcher Gelegenheit er mit der Herzogin Sabina in Conflict gerieth. Da sein Besitzthum in den Kriegszeiten Schaden gelitten hatte, richtete er nun sein Augenmerk darauf, den Verlust wieder zu ersetzen, was ihm auch durch bedeutende Gütererwerbungen gelang. 1522 machte ihn Pfalzgraf Ludwig zu seinem besoldeten Rath. Th. starb am 26. März 1525 zu Tübingen, nachdem ihm seine Gattin am 28. Mai 1522 im Tod vorangegangen war. Beide wurden in der Thumbschen Familiengruft zu Köngen beigesetzt.

Ernst Boger, Geschichte der freiherrlichen Familie Thumb v. Neuburg (1885), S. 69–100. – Vgl. außerdem die Geschichtswerke über die betr. Periode.