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Artikel „Thümen, August von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 167–169, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Th%C3%BCmen,_August_von&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 07:35 Uhr UTC)
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Thümen: Heinrich Ludwig August v. Th., preußischer Generallieutenant, am 30. December 1757 auf dem väterlichen Gute Stücken im Kreise Zauche-Belzig, Regierungsbezirk Potsdam, geboren, wurde schon 1769 bei dem in Potsdam garnisonirenden Infanterieregimente Kronprinz als Junker eingestellt, trat aber erst im März 1771 thatsächlich in den Dienst und ward am 6. September 1775 zum Fähnrich ernannt. Der bairische Erbfolgekrieg gab ihm bald Gelegenheit seine guten soldatischen Anlagen, sowie Einsicht und Entschlossenheit zu bekunden; in die Friedensverhältnisse zurückgekehrt, war er eifrig bestrebt seine militärischen Kenntnisse zu vermehren; eine gute allgemeinwissenschaftliche Bildung, welche er genossen hatte, begünstigte ihn dabei. Am 5. August 1781 wurde er zum Secondlieutenant ernannt, 1787 verheiratete er sich mit der Tochter eines Kaufmann Fischer in Potsdam und wurde dann in Anerkennung seiner Brauchbarkeit als Officier mit großem Vortheile als Stabscapitän in das in Heilsberg in Ostpreußen stehende Füsilierbataillon von Dessauniers Nr. 11, im Juni 1795 aber, nachdem er kurz vorher zum Major aufgerückt war, in das Infanterieregiment Herzog von Holstein-Beck Nr. 11 zu Königsberg i. Pr. versetzt. Im Herbst 1797 begleitete er den Herzog, seinen Chef, an den kaiserlichen Hof von St. Petersburg; ein Jahr später ward er selbst Chef des Füsilierbataillons v. Eichler. Der vorzügliche Zustand, in welchem er dieses im Jahre 1802, als König Friedrich Wilhelm III. und Kaiser Alexander von Rußland in seiner Garnison in Memel eine Zusammenkunft hatten, den beiden Monarchen vorführte, trugen ihm den Orden pour le mérite ein. Am 18. Januar 1805 erfolgte seine Beförderung zum Commandeur des Infanterieregiments Graf von Kunheim Nr. 1 in Berlin, am 20. Juni des nämlichen Jahres die zum Oberstlieutenant. An der Spitze seines Regiments machte er den Herbstfeldzug vom Jahre 1806 mit. In einem Gefechte bei Schwartau, kurz vor der Blücherschen Capitulation, gefangen genommen und auf Ehrenwort entlassen, lebte er sodann, da er eine zahlreiche Familie hatte, sein geringes Vermögen verzehrend, in sehr ärmlichen Verhältnissen zu Berlin, bis er, von namhaften höheren Officieren dringend empfohlen, am 7. April 1809 als Commandant von Spandau wieder angestellt wurde. Am nächstfolgenden 20. August wurde er Oberst. Mit den Schicksalen von Spandau blieben seine Erlebnisse sodann drei Jahre lang eng verbunden. Zunächst wurde er am 21. November 1812 von seinem Posten abberufen. Mißhelligkeiten mit dem Marschall Augereau und Klagen über ihn, denen der König unter den damaligen Verhältnissen sein Ohr nicht verschließen durfte, veranlaßten seine Enthebung, welche übrigens in den gnädigsten Worten ausgesprochen wurde. Vier Wochen später, als schon die kommenden Ereignisse ihre Schatten voraus warfen, ward er zur Aufstellung neuer Truppenkörper nach Marienwerder entsandt.

Bei Ausbruch des Krieges, am 31. März 1813, zum Generalmajor ernannt, erhielt er am 1. April den Befehl Spandau zu belagern. Es konnten dazu nur schwache Kräfte und unzureichende Angriffsmittel zur Verfügung gestellt [168] worden. Trotzdem gelang es ihm, nachdem ein am 20. unternommener Sturm abgeschlagen war, den feindlichen Commandanten, General Bruny, zur Uebergabe zu bestimmen und am 27. April zog er in die Festung ein. Es war eine tüchtige Waffenthat, aber „vielleicht hat nie ein General für die Wegnahme einer sehr wichtigen Festung nach einer Beschießung von nur fünf Tagen mit einem verhältnißmäßig ganz geringen Verluste weniger Lob und Dank geerntet als General v. Th., dabei des Umstandes gar nicht zu gedenken, daß die Belagernden an Kopfzahl wirklich um ein ganzes Dritttheil schwächer waren als die Belagerten“ (Beiträge zur Geschichte des Jahres 1813 [vom General v. Prittwitz], Potsdam 1843). Als Chef einer Brigade, d. h. einer aus allen Waffen zusammengesetzten Truppenabtheilung, welche beim Wiederbeginn der Feindseligkeiten nach Ablauf des Waffenstillstandes den Namen „Division“ erhielt, dem General v. Bülow unterstellt, machte er sodann dessen Zug an die Elbe und die Gefechte bei Kalau und Luckau, am 3. und 4. Juni, mit, erhielt das Eiserne Kreuz 2. Classe, und leitete während des Waffenstillstandes die Besetzung des durch die Nuthe und die Notte gebildeten Vertheidigungsabschnittes zwischen Zossen und Trebbin. Hier bestand er am 21. August ein Gefecht bei Trebbin, am 22. ein solches bei Wendisch-Wilmersdorf und Wittstock, mußte infolge des letzteren den Rückzug antreten, welcher in großer Ordnung vor sich ging, und hatte am 23. großen Antheil an dem Siege bei Großbeeren. General v. Boyen zollt in seinen Erinnerungen Thümen’s Einsicht und dessen an diesem Tage getroffenen Maßregeln große Anerkennung. Noch glänzender waren seine Leistungen am Tage von Dennewitz, dem 6. September, an welchem er dem hartbedrängten Tauentzien die erste Hülfe brachte und wesentlich zu glücklichem Ausgange des Kampfes beitrug. Auch bei dieser Gelegenheit rühmt Boyen Thümen’s Thatkraft und sein persönliches Eingreifen. Seine Verdienste wurden später durch die Verleihung des Eisernen Kreuzes 1. Classe und des Eichenlaubes zum Orden pour le mérite anerkannt. Dann wurden seine Truppen zur Einschließung von Wittenberg herangezogen, eine Aufgabe, welche am 5. October, nachdem Bülow mit den übrigen Theilen des 3. Armeecorps abgerückt war, Th. allein zufiel. Er mußte jedoch bald darauf verzichten sie zu erfüllen. Am 11. October brach General Reynier mit großer Uebermacht aus der Festung hervor und drängte am 12. Th. durch ein Gefecht bei Coswig nach Roslau zurück, wo letzterer am Abend Tauentzien traf. Vereint traten beide noch in der Nacht den vielgetadelten Rückzug nach Berlin an. Da Th. dem General Tauentzien (s. A. D. B. XXXVII, 447) nicht unterstellt war, so trifft ihn der jenem gemachte Vorwurf ebenfalls. Daß sein Verhalten nicht die Billigung seines Kriegsherrn fand, wurde ihm dadurch fühlbar gemacht, daß jüngere Generalmajors zu Generallieutenants befördert wurden. Bei Leipzig mit Bülow’s übrigen Truppen kämpfen zu dürfen, war ihm somit durch eigene Schuld versagt geblieben, dagegen hatte er an den späteren Erfolgen des 3. Armeecorps wieder vollen Antheil. Zu dem nach jener Schlacht nach den Niederlanden abmarschirten Corps herangezogen, wirkte er am 30. November bei der Erstürmung von Arnheim und, nach einigen kleineren im Januar 1814 vorgekommenen Gefechten, zu Anfang Februar bei dem erfolglosen Angriffe auf Antwerpen mit, dann rückte er unter Bülow nach Frankreich. Hier vermochten sein entschiedenes Auftreten und seine geschickten Anordnungen den französischen Commandanten, General Pommerein, ihm am 28. Februar die Festung La Fère mit ihren bedeutenden Vorräthen fast ohne Kampf zu übergeben. Zu der Kriegsbeute gehörten zwei große Wurfgeschütze, welche noch gegenwärtig im Kastanienwäldchen bei dem Zeughause in Berlin aufgestellt sind. Th. wurde jetzt unter ausdrücklicher Anerkennung seines Verdienstes zum Generallieutenant ernannt. Nachdem er sodann mit Auszeichnung [169] an den Schlachttagen von Laon, dem 9. und 10. März, gefochten und an der Einschließung der Festung Soissons theilgenommen hatte, rückte er im April nach Paris und von hier wieder nach den Niederlanden. In der Heimath wurde sein Stabsquartier zunächst Frankfurt a. O. Als der Krieg vom Jahre 1815 bevorstand stieß die Mehrzahl der ihm unterstellten Regimenter zu dem unter Yorck an der Elbe sich sammelnden 5. Armeecorps, Th. selbst erhielt den Auftrag mit den übrigen die an Preußen abgetretenen Theile des bisherigen Großherzogthums Warschau zu besetzen, welche dann die Provinz Posen bildeten. Er wurde hier der erste commandirende General, aber eingedenk einer von ihm ausgearbeiteten und im Jahre 1808 dem Könige eingereichten Denkschrift, in welcher der Grundsatz aufgestellt war, daß ein jeder General, wenn er sechzig Jahr alt geworden sei, seinen Abschied nehmen müsse, bat er, nachdem er dieses Alter selbst schon überschritten hatte, im Jahre 1819 um seine Entlassung, welche ihm unter Beilegung einer Pension von 3000 Thalern bewilligt wurde. Er zog sich auf eine von ihm von der Regierung erkaufte Besitzung (Erbpachtgüter Caputh und Neu-Langerwisch) bei Potsdam zurück und starb am 15. März 1826 auf dem Schlosse zu Caputh. König Friedrich Wilhelm III. legte 1814 Thümen’s Namen einer Lünette der Festung Danzig bei.

In der von der historischen Abtheilung des preußischen großen Generalstabes unter Leitung des damaligen Majors Ollech im Beihefte zum Militär-Wochenblatt für 1859 veröffentlichten Geschichte der Nordarmee im Jahre 1813 heißt es vom General v. Th. (S. 167): „Ein ausgezeichneter Soldat und brauchbarer General, der keinen Anstand nahm, sich bei jeder Gelegenheit mit militärischer Kürze und Bestimmtheit deutlich und unumwunden auszusprechen. In soldatischer Derbheit machte er keinen Anspruch darauf, durch Abgeschliffenheit der Formen zu glänzen. Allein Vertrauen und Achtung folgten ihm durch seine ganze militärische Laufbahn.“

Geschichte des Geschlechts v. Thümen von Major K. v. Thümen, 2. Theil, S. 133, Liegnitz 1889. – B. v. Quistorp, Geschichte der Nordarmee im J. 1813, Berlin 1893.