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Artikel „Teimer, Martin Rochus“ von Josef Egger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 547–550, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Teimer,_Martin_Rochus&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 01:19 Uhr UTC)
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Teimer: Martin Rochus T. wurde als Sohn eines Kleinhäuslers am 14. August 1778 zu Schlanders im Vintschgau geboren und studirte zu Meran das Gymnasium, wobei er sich durch gute Aufführung wie durch rastlosen Fleiß hervorthat. Als er aber auf die Hochschule nach Innsbruck sich begeben, wurden seine Studien bald unterbrochen. Von patriotischer Begeisterung erfaßt, trat er als Gemeiner in die Compagnie seiner Heimath, um das durch den Einbruch der Franzosen im J. 1796 zum erstenmal gefährdete Vaterland zu vertheidigen und hielt sich so tapfer, daß am Beginne des Jahres 1797 die Maiser Compagnie ihn zum Fähnrich wählte. In dieser Eigenschaft gab er die ersten Beweise seines unerschrockenen Muthes in den Gefechten bei Zambana und Rocchetta auf dem Nonsberge, indem er am 26. Februar mit mehreren Freiwilligen den anstürmenden Feind von den Höhen hinabtrieb, den wichtigen Posten Fajo wegnahm und mit seiner schwachen Mannschaft behauptete, bis das k. k. Militär ihm die nöthige Unterstützung schickte. Noch in weit höherem Grade zeichnete er sich, inzwischen von seiner Compagnie zum Lieutenant erwählt, in den Kämpfen nahe dem Dorfe Terlan im mittleren Etschlande aus. Hier rettete er am 29. März 1797 mit seiner kleinen Schaar nicht allein ein Piquet k. k. Dragoner vor den verfolgenden Feinden, denen er von seinem sichern Standpunkt ober dem Schlosse Maultasch in den Rücken fiel, sondern vertheidigte auch diese Anhöhe und die darunter wegführende Passage nach Meran durch ein wohlgezieltes und acht volle Stunden fortgesetztes Feuer mit solchem Nachdrucke gegen eine zwanzigfache Uebermacht, daß der Feind endlich den wiederholt gemachten Versuch, nach Meran vorzudringen, zuletzt aufgab und nach Verlust vieler Todten und Verwundeten sich gegen Bozen zurückzog. Und als er am Abend jede Aussicht verloren [548] hatte, mit seiner auf drei Mann zusammengeschwundenen Schaar den Posten noch länger zu halten, da wußte er in der Nacht durch zahlreiche Wachtfeuer, die er von Weibern und Kindern anzünden ließ, den Gegner derart zu täuschen, daß er keinen weiteren Angriff wagte. Durch diese tapferen Thaten verschaffte er dem österreichischen General Laudon, der mit seinem Corps bis zur Töll ober Meran hatte zurückweichen müssen, eine Frist von drei Tagen, um den Landsturm des Burggrafenamtes und Vintschgaues aufzubieten und durch ihn verstärkt, neuerdings nach Bozen vorgehen zu können. Sein Verdienst fand auch die entsprechende Anerkennung, indem ihm die tirolische Landschaft für seine Tapferkeit und kriegerische Umsicht die große Ehrenmedaille verlieh. Hierdurch zu noch größerem Eifer angespornt, warb er im J. 1799 zu Bozen selbst eine Freiwilligencompagnie und rückte mit ihr gegen die Franzosen zur Vertheidigung der Westgrenze Tirols aus. An deren Spitze betheiligte er sich bei dem Einbruche der Oesterreicher in den Kanton Graubünden an dem hitzigen Gefechte im Scharlthale (30. April) und erstieg er die dortige feindliche Hauptschanze, wobei er zwei Wunden erhielt. Jetzt gab er seine unterbrochenen Studien ganz auf, heirathete und ließ sich, wie es scheint, häuslich in seiner Heimath nieder; hier bekleidete er auch in den Jahren 1802–1805 die Stelle eines Hauptmannes in der neu organisierten Landmiliz. Als aber Tirol an Baiern abgetreten worden war, litt es ihn nicht mehr in seinem Vaterlande, er übersiedelte mit seiner Familie nach Klagenfurt und fand dort als Oekonom und Tabakverleger seinen Unterhalt. Doch sein Herz schlug darum nicht minder warm für Tirol und deshalb war ihm keine Aufgabe zu schwer, als es sich um dessen Befreiung von der ihm verhaßten baierischen Herrschaft handelte. Bereitwilligst verließ er im Februar 1809 sein Amt und seine Familie und wanderte unter tausend Gefahren durch die Thäler Tirols, um im geheimen zur Vorbereitung der allgemeinen Erhebung aufzufordern und diese ins Werk setzen zu helfen. Kaum nach Kärnten zurückgekehrt, eilte er zum zweitenmal, dem Corps des nach Tirol beorderten Marquis Chasteler voran, in sein Vaterland; es galt ja Andreas Hofer und den andern Führern die frohe Botschaft von der Ankunft der Oesterreicher zu bringen und sie zu den ersten offenen Schritten zu veranlassen. Doch mußte er sich ein paar Tage in Passeier verborgen halten, bis er wagen konnte, mit dem spätern Obercommandanten des Landes die bekannte offene Ordre vom 9. April an seine Landsleute zu erlassen. Aber noch an demselben Tage begab er sich in sein Heimathsthal Vintschgau, um hier den Aufstand zu organisiren, und von hier sofort zu gleichem Zwecke ins Oberinnthal. So konnte er bereits am 12. April mit den Landstürmern dieses Thales nach Innsbruck vorrücken, wo die Bauern der Umgebung nach hartnäckigem Kampfe eben im Begriffe standen, die ganze bairische Besatzung gefangen zu nehmen.

Der folgende Tag, 13. April 1809, brachte T. die Gelegenheit zur bedeutendsten That seines Lebens. Schon bei Tagesanbruch war die Colonne Franzosen unter General Bisson nebst den Baiern unter Oberstlieutenant v. Wreden, die sich ihm unterwegs angeschlossen hatten, von den Höhen des Iselberges in die Thalebene von Wilten herabgestiegen, um durch Innsbruck den Weg nach Augsburg zu nehmen, aber auf das Gerücht von ihrem Anzuge und den Hilferuf Teimer’s und anderer Commandanten waren auch von allen Seiten Landesvertheidiger herangeeilt und besetzten nun die Höhen nördlich und südlich von der Stadt oder stürmten durch deren Gassen dem vermeintlichen Kampfplatze auf den Feldern von Wilten zu: ein ernstlicher blutiger Waffengang schien unvermeidlich und dabei schwebte die Stadt Innsbruck in größter Gefahr. Da machten der Buchhalter J. Lener, der Commandant der Bürgergarde und ein paar Innsbrucker Kaufleute den französischen General für den Gedanken zu capituliren [549] geneigt und schickten auf seine Erklärung, die Capitulation nur mit einem österreichischen Officiere abschließen zu können, nach M. T. Dieser warf sich rasch in die geborgte Uniform eines österreichischen Generalstabsofficiers, eilte zu General Bisson nach Wilten und wußte durch seine entschiedene Haltung und den Hinweis auf die große Gefahr seitens des kampfbegierigen Landvolkes den ergrauten Führer und seine Officiere so einzuschüchtern, daß die ganze Colonne gegen Zusicherung des Lebens und Belassung des Privateigenthumes, darunter auch die Seitengewehre der Officiere, die Waffen streckte und sich gefangen gab. Auf diese Weise fielen bei 1800 Franzosen und 1200 Baiern in die Hände der Tiroler. Aber noch an demselben Tage bedrohte Teimer’s Leben die ernsteste Gefahr. Da die von ihm schon lange angekündigten Oesterreicher noch immer nicht erschienen, so hielt ihn das Landvolk, das ihn wegen seiner längern Abwesenheit nicht näher kannte, für einen Verräther und ward ganz wüthend auf ihn; er wäre sicher ein Opfer dieser Wuth geworden, wenn nicht der Priester J. Danej mit seiner Donnerstimme und demagogischen Beredtsamkeit die Schreier beschwichtigt und den Bedrängten in Sicherheit gebracht hätte. Den Lohn für die glückliche That dieses Tages brachte nach Ablauf eines Monats das kaiserliche Handbillet vom 15. Mai 1809, durch das er den Rang eines Majors in der österreichischen Armee, das kleine Kreuz des Maria-Theresia-Ordens und die Anwartschaft auf ein Lehengut erhielt.

Auch in den folgenden Monaten bis zum Abschlusse des Waffenstillstandes von Znaim und dem Abzuge des letzten österreichischen Soldaten zeigte sich T. als eifriger Patriot und Landesvertheidiger. Vom Marquis Chasteler an den Grenzpunkt Reutte zuerst beordert, machte er von hier anfangs Mai einen Streifzug nach Baiern, von dem er bedeutende Vorräthe an Getreide, Waffen und Munition heimbrachte. Als das kaiserliche Corps nach der unglücklichen Schlacht bei Wörgl bereits im Rückzuge über den Brenner begriffen war, bemühte er sich noch eifrig den Vormarsch des Feindes von Schwaz nach Innsbruck durch die Vertheidigung der Stellung bei Vomp zu hemmen. Nach Abschluß der bekannten Capitulation vom 18. Mai und dem Vormarsche General Wrede’s bis Innsbruck eilte er Marquis Chasteler nach, um ihn mit A. Hofer zum weitern Verbleiben im Lande zu bewegen und begab sich dann unverzüglich zur Aufbietung des Landsturmes ins Burggrafenamt und Vintschgau. Eben wollte er von Imst nach Reutte eilen, um die früher gemachte Beute tiefer ins Land zu führen, da fiel A. Hofer’s Hilferuf vom 27. Mai in seine Hände, und sofort stürmte er von Ort zu Ort, um alle wehrhaften Männer des Oberinnthales mit sich fortzureißen. Schon am nächsten Tage rückte er mit den Imstern, Landeckern und Nassereitern nach Kranebitten vor, während die Landesvertheidiger aus den Gerichten St. Petersberg und Hörtenberg unter Major Marberger nach dem Grenzpasse Scharnitz marschirten. Hätte er diesem nicht so viele Leute überlassen müssen, um das Corps des Grafen Arco von der Hauptmacht des Generals Deroy abzuschneiden, so hätte er wohl seinen kühnen Plan, die Brücken über den Inn abzubrechen und den Baiern den Rückzug abzuschneiden, glücklich ausgeführt, und die Tiroler hätten diesmal noch mehr Gefangene gemacht als im April. Aber auch auf die Vertheidigung des Punktes von Kranebitten beschränkt, wirkte er nicht unwesentlich zu dem Haupterfolge der Schlacht vom 29. Mai, dem Abzuge des Feindes, mit. Sein Versuch, dem abziehenden Feinde noch weiter zu schaden, blieb freilich vergeblich, da er dessen Hauptmacht nicht mehr einzuholen vermochte. Doch erbeutete er dabei immerhin noch 200 Gefangene und zwang die Baiern sechs Kanonen, die sie nicht mehr retten konnten, ins Wasser zu werfen.

Nach der zweiten Befreiung des Landes vom Feinde übernahm M. Teimer [550] die Vertheidigung des Grenzpasses Scharnitz. Voll Thatendrang begnügte er sich damit nicht, sondern machte zwei neue Ausfälle nach Baiern; das erste Mal drang er bis Weilheim, das andere Mal bis Murnau vor und beide Male machte er wieder bedeutende Beute an Getreide, Schlachtvieh, Waffen und Munition, die um so willkommener war, je mehr das Land daran Mangel litt. Seiner weitern Thätigkeit setzte jedoch die Veröffentlichung des Znaimer Waffenstillstandes ein Ziel, dessen Bestimmungen gemäß er als österreichischer Officier mit den österreichischen Truppen Tirol verlassen mußte. So war ihm allerdings die Theilnahme an den glorreichsten Kämpfen der Tiroler im J. 1809 versagt, und er hat fortan überhaupt nie mehr einen Kampfplatz betreten. Die Huld seines Kaisers beglückte ihn zwei Jahre darauf mit dem großartigen Geldgeschenke von 100 000 fl., und dies machte ihm den Ankauf eines schönen Besitzes zu Herbersdorf bei Wildon in Steiermark möglich. Eine zweite Ehe, mit einem Edelfräulein des neuen Vaterlandes, fesselte ihn noch mehr an dieses. Darum kehrte er auch nicht nach Tirols Wiederkehr unter Oesterreichs Scepter in die alte Heimath zurück, sondern verblieb bis zu seinem Lebensende am 27. September 1835 auf seinem schönen Ansitze, dessen Bewirthschaftung seine fernere Lebensaufgabe verblieb. Dessenungeachtet schlug sein Herz stets warm für Tirol. An Wilten, wo er ja den Grund zu seinem Lebensglücke gelegt hatte, mahnte ihn stets das Prädicat eines „Freiherrn von Wildau“, das er bei seiner Erhebung in diesen Stand am 29. Juni 1812 erhalten hatte; an das alte Vaterland erinnerte ihn auch noch der letzte Act kaiserlicher Huld, der ihm zutheil wurde, die Belehnung mit der hochberühmten Burg Hocheppan (1835). Wie sehr ihn sowohl die Tiroler als die Steierer ehrten, bezeugt seine Aufnahme in die tirolische und steiermärkische Adelsmatrikel.

Quellen u. Behelfe: Kurze Uebersicht über M. Teimer’s militärische Verdienste (Mscr. i. d. Bibl. d. Innsbr. Ferdinandeums). – Freiherrndiplom (ebd.). – Programm des k. k. Gymnasiums in Meran 1885–1886. – Oesterr. militär. Zeitschr. 1833 und 1834. – J. Staffler, Tirol und Vorarlberg II, 574. – J. Rapp, Tirol im J. 1809. – Dr. J. Egger, Geschichte Tirols 3. Bd.