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Artikel „Tegetthof, Wilhelm von“ von Jerolim Freiherr von Benko in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 530–535, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tegetthof,_Wilhelm_von&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 05:18 Uhr UTC)
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Tegetthoff: Wilhelm v. T. Einer Familie westfälischen Ursprungs entstammend, deren sämmtliche männliche Mitglieder seit drei Generationen im österreichischen Heere ehrenvolle Dienste geleistet hatten, erblickte v. T. das Licht der Welt zu Marburg in Steiermark am 23. December 1827. Der weisen, zugleich strengen und liebevollen Erziehung, die er im Elternhause genoß, verdankte er die Entwicklung der Eigenschaften des Charakters und Geistes, welche ihn befähigten, zu einem in jeder Richtung hervorragenden Manne heranzureifen. Der Vater, Major Karl v. T., mag schon dem Knaben als leuchtendes Vorbild den Lebenslaufs jenes Großoheims Josef v. T. vorgehalten haben, welcher sich zu wiederholten Malen, besonders aber in der Schlacht bei Stockach rühmlichst hervorgethan hatte, aber in edler Bescheidenheit nie zugeben wollte, daß er mehr als seine einfache Pflicht gethan, so daß, entgegen den Bestimmungen des Ordensstatutes, Andere für ihn um die wohlverdiente Verleihung des Maria Theresienordens einschreiten mußten. Die Mutter Wilhelm’s, Leopoldine geb. Czermak, erweckte und pflegte den Sinn für die Schönheit und Erhabenheit der Natur, und legte den Keim streng sittlicher Auffassungen, den Hang zu genauester Pflichterfüllung in die Seele des Knaben. Bis zur Stunde seines Todes blieb T. dieser ausgezeichneten Frau und liebevollsten Mutter in zärtlichster Anhänglichkeit ergeben. Ihrem starken Geiste hatte ein grausames Geschick die Prüfung vorbehalten, alle ihre Söhne zu überleben.

T. wählte den Dienst in der Kriegsmarine zum Lebensberufe. Demgemäß erhielt er seine Ausbildung im Marinecollegium zu Venedig, welches er am 23. Juli 1845 als Marinecadet verließ. Erst jetzt kam der junge Mann in Kenntniß der sehr beschränkten Vermögensverhältnisse seiner Eltern; er verzichtete sofort auf jede materielle Beihülfe, ja sogar auf den Betrag, welcher zu seiner Ausrüstung bereit gehalten war. Während die Kameraden ihre Dienstzeit mit dem fröhlichen Antritte eines Urlaubes zum Besuche des elterlichen Hauses begannen, mußte T. sich diese Freude versagen, und meldete sich unverzüglich zum Dienste. Der Dienst in der österreichischen Kriegsmarine bewegte sich zu jenen Zeiten in sehr engen Grenzen; der für sein Fach enthusiastisch begeisterte junge Mann mußte in seinen Hoffnungen darauf verzichten, das Seeleben auch von seiner schöneren und interessanteren Seite kennen zu lernen, und durch Theilnahme an weiten Reisen fremde Länder und Völker zu Gesichte zu bekommen. Auch die inneren Dienstesverhältnisse in dem kleinen, beinahe gänzlich von provinziell-venetianischem Geiste durchsetzten Corps waren wenig erquicklich, boten berechtigtem Ehrgeize keinen Spielraum und standen in manchem in verletzendem Widerspruche zu den Traditionen, unter deren Einflusse der Sohn und Enkel von österreichischen Officieren aufgewachsen war, und an welchen seine Denkungsweise sich herangebildet hatte.

Die Ereignisse des Frühjahres 1848 brachten mit der überwältigenden Macht von Thatsachen die Lösung der Widersprüche, von welchen des jungen Officiers Leben sich umgeben sah. Der Abfall Venedigs am 22. März befreite den Kaiserstaat mit einem Schlage von jenen Theilen der ohnehin kleinen und schwachen Kriegsmarine, welche sich nicht als ein Element der Wehrkraft der habsburgischen Monarchie, sondern lediglich als venetianische Marine fühlten, und von der längstvergangenen Größe der Vorfahren träumten. T. und seine Genossen, unter ihnen Wüllerstorf, Littrow, Pöck, Sterneck u. A., scharten sich um ihre älteren Kameraden: Bourguignon, Fautz, Lewartowsky, Gyuito u. A., [531] welche der Militärcommandant im Küstenlande, Graf Gyulai, mit Recht als den Kern einer neuzuschaffenden, österreichischen Kriegsmarine betrachten durfte. sie sahen zwar mit Schmerz dasjenige sich vollziehen, was bei vielen ihrer bisherigen Kameraden nicht anders denn als Treubruch bezeichnet werden konnte, aber zugleich erkannten sie in der eingetretenen Scheidung einen wohlthätigen Proceß, welcher für die Kriegsmarine die Morgenröthe einer heranbrechenden besseren Zukunft bedeutete. So schwach die Mittel des treugebliebenen Theiles der Kriegsmarine auch waren, sie wurden bei den Kämpfen zur Wiederunterwerfung Venedigs bestens ausgenützt. Tegetthoff’s Wunsch, „Kugeln pfeifen zu hören“, ging während der Blokade Venedigs, am 4. Juli 1849, in Erfüllung, als er beordert wurde, mit einer Bootsabtheilung dem unter dem wirksamen Feuer einer Strandbatterie festgefahrenen Dampfer „Vulcano“ zu Hülfe zu eilen. Tegetthoff’s Leistungen bei dieser Action wurden belobt; er durfte doppelt stolz auf dieselben sein, denn er hatte sich die Theilnahme an den kriegerischen Dienstleistungen vor Venedig eigens erbitten müssen, nachdem der als Gesandter nach Neapel entsendete Feldmarschalllieutenant v. Martini (Marine-Obercommandant während des Zusammenbruches im J. 1848) den Linienschiffsfähnrich v. T. in der Eigenschaft als persönlicher Adjutant dorthin mitgenommen hatte.

Der Frieden, welcher der Wiederunterwerfung Venedigs folgte, brachte eine Periode der raschen Vermehrung des Schiffsbestandes der österreichischen Flotte, und zugleich durchgreifende Veränderungen in der Organisation und Zusammensetzung ihres Personales. Während die Zahl der Schiffe in raschem Tempo vermehrt wurde, und dadurch der Bedarf an Personal wuchs, machten zugleich viele der älteren, noch aus den früheren Verhältnissen stammenden Officiere den jüngeren, frischeren Kräften ziemlich schnell den Platz frei; das Resultat war, daß im Seeofficiercorps der Kriegsmarine ein ganz außerordentlich schnelles Avancement eintrat. Dadurch war es T. vergönnt, in noch sehr jungen Jahren selbständige, wichtige und verantwortungsvolle Posten zu bekleiden, welche ihm die voll ausgenützte Gelegenheit boten, seine Kenntnisse und Erfahrungen fortwährend zu bereichern, seine Thatkraft zu stählen, den freien Blick für größere Verhältnisse zu gewinnen. Im Alter von 20 Jahren hatte T. die Officierscharge erreicht; am 16. April 1849 wurde er Linienschiffsfähnrich, am 16. Juni 1851 Fregattenlieutenant, am 16. November 1852 Linienschiffslieutenant, am 2. December 1857, noch nicht dreißig Jahre alt, war er Stabsofficier, nachdem er die drei letzten Jahre schon als Schiffscommandant gedient hatte. Von den zwölf Dienstjahren, die T. im Zeitpunkte seiner Ernennung zum Corvettencapitän zählte, hatte er nicht weniger als zehn Jahre zur See zugebracht, und während dieses Zeitraumes alle Abstufungen und Details des Seeofficierdienstes gründlich kennen gelernt und erfolgreich ausgeübt.

Seit T. in die Reihe der Schiffscommandanten getreten war, hatten ab und zu schon bedeutendere Aufgaben seine vielseitigen Fähigkeiten in Anspruch genommen. – Nach Beendigung des Krimkrieges führte er das damals besonders wichtige und durch mancherlei Umstände schwierig gemachte Commando des österreichischen Stationsschiffes in den Donaumündungen; er hatte vollauf Gelegenheit, während der Dauer dieser Commandoführung besonderen politischen Takt und richtig angewendete Energie zu bethätigen. Der Marine-Obercommandant, Erzherzog Ferdinand Max, wurde hierdurch auf die hervorragenden Fähigkeiten des jungen Schiffscommandanten aufmerksam; er entsendete ihn zu einer Studienreise an die Küsten des rothen Meeres, welches eben damals durch das Suezcanal-Project in den Vordergrund des Interesses getreten war, betraute ihn später mit mehreren Schiffscommandos, u. a. mit jenem der Corvette „Erzherzog Friedrich“, welche eine selbständige Mission in den marokkanischen Gewässern [532] durchzuführen hatte. Als aber der Erzherzog-Marineobercommandant nach Herstellung des Friedens im J. 1859 eine Reise nach Südamerika antrat, wählte er T. zu seinem Reisebegleiter. Während dieser Reise lernte der Erzherzog, in täglichem persönlichen Verkehr mit T., dessen seltene Eigenschaften des Charakters, seine umfassende Bildung, seine Thatkraft, Energie und Unerschrockenheit in vollem Maaße kennen und würdigen. T. war am 27. April 1860 Fregattencapitän, am 3. November 1861 Linienschiffscapitän geworden; und schon im J. 1862 übertrug der Erzherzog-Marineobercommandant ihm ein Flottenabtheilungscommando in der Levante, obwol T. begreiflicherweise sich erst unter den im Range jüngsten Officieren seiner Charge befand. Mit dieser Ernennung erschloß Erzherzog Ferdinand Max für T. die Bahn, auf welcher er sich und der österreichischen Kriegsmarine unvergängliche Lorbeern holen, sich einen wohlverdienten Weltruf gründen sollte.

Ein Theil jener Escadre, welche von T. in den Gewässern der Levante befehligt wurde, drang als Vorhut der von Wüllerstorf geführten, im Kriege des Jahres 1864 gegen Dänemark bestimmten Flotte, in die Nordsee. T. sah sich zu seinem Leidwesen veranlaßt, eines seiner drei Schiffe wegen einer Havarie unterwegs zurücklassen zu müssen; zu den ihm verbliebenen zwei Fregatten: „Schwarzenberg“ und „Radetzky“, stießen bald drei kleine preußische Kriegsfahrzeuge. Mit dieser Streitmacht bestand T. am 9. Mai 1864 in der Nähe von Helgoland ein blutiges Gefecht gegen die Schiffsabtheilung des dänischen Commodore Suenson. Dieses Gefecht mußte wegen eines an Bord der „Schwarzenberg“, Tegetthoff’s Flaggenschiff, ausgebrochenen heftigen Brandes abgebrochen werden, und diese Thatsache bot den Untergrund für mannichfache, lange Zeit hindurch fortgesetzte Erörterungen, wem bei Helgoland die Palme des Siegers zuzusprechen sei, denn auch die Dänen hatten den Kampfplatz nicht behauptet, sondern sich ernstlich beschädigt in ihre Territorialgewässer begeben. Die schließlich zur Geltung gelangte Auffassung ist die, daß den Dänen der taktische Sieg, den Streitkräften Tegetthoff’s der strategische Erfolg zuzusprechen sei; das Gefecht von Helgoland hatte nämlich die Nordsee und ihre Häfen von jeder weiteren Bedrohung durch feindliche Seestreitkräfte mit Erfolg befreit. Es mag vielleicht sein, daß das Gefecht bei Helgoland keinerlei wesentlichen Einfluß auf den Gang der Kriegsereignisse nahm, noch einen solchen nehmen konnte. Trotzdem bildete gerade dieses Seegefecht ein Ereigniß von hohem Werthe für die habsburgische Monarchie, eine Quelle des Jubels und der enthusiastischsten Gefühle für ihre Kriegsmarine. Denn durch dasselbe hatte die letztere, die sich berechtigt fühlt, als ihren Geburtstag erst den 22. März 1848 zu rechnen, die erste ernstlichere Feuertaufe in ehrenvoller, ja in ruhmreicher Weise bestanden. Der ritterliche Monarch, Tegetthoff’s Kriegsherr, lohnte dessen That durch die Beförderung zum Contreadmiral und Verleihung einer hohen Ordensauszeichnung; die Kriegsmarine, welche längst in T. ihren zukünftigen Führer erkannt hatte, hegte fortan nur den glühenden Wunsch, unter seiner Leitung größeren Aufgaben entgegenzugehen. Die Erfüllung dieses Wunsches trat früher ein, als man sie erwarten durfte.

Es waren nicht zwei Jahre nach dem Gefechte bei Helgoland verflossen, als Oesterreichs Geschick diese schwergeprüfte Monarchie vor die Aufgabe stellte, einen Doppelkrieg führen zu müssen. Im Süden war das junge Königreich Italien der Gegner, welcher seit Jahren der Entwicklung seiner Seestreitkräfte große Opfer gebracht, und die österreichische Kriegsflotte in materieller Beziehung weit überflügelt hatte. Die Ueberlegenheit der italienischen Flotte an Zahl und in der Bewaffnungsweise der Schlachtschiffe war eine so bedeutende, daß man in Wien, während die Kriegsvorbereitungen zu Lande energisch betrieben wurden, [533] lange Zeit zögerte, die eigene Flotte überhaupt auszurüsten. Da trat Tegetthoff’s ganze Energie zu Tage. Er gehörte zu jenen Feldherrn, welche die Chancen kriegerischen Erfolges nicht ausschließlich nach den Factoren erwägen, die sich in Ziffern ausdrücken und mit dem Zollstabe messen lassen. Er kannte den Geist, den Enthusiasmus, das Geschick des Personals der Kriegsmarine, und er war sich bewußt, durch unablässige Thätigkeit, obwol noch in untergeordneter Stellung, alle seine im Nordseefeldzug und bei Helgoland gewonnenen Erfahrungen seither bestens für die Hebung ihrer Kriegstüchtigkeit verwerthet zu haben. T. erwirkte denn auch endlich den Beschluß, die österreichische Flotte kriegsmäßig in Dienst zu stellen; der Befehl über dieselbe wurde ihm übertragen. Im Canal von Fasana, dem Vorhafen von Pola, versammelte T. die nach und nach das Seearsenal verlassenden Schiffe, deren kriegsmäßige Ausrüstung Fregattencapitän A. v. Eberan mit einem bisher nicht hinreichend gewürdigten Geschick und Erfolg leitete. Im Flottenlager von Fasana wurde nun Tag und Nacht kriegerisch geübt; in täglichen Besprechungen weihte T. die Capitäne in seine Pläne ein, flößte ihnen, und durch sie den Schiffsstäben und Mannschaften die froheste Siegeszuversicht ein. Mit Jubel vernahm man im Flottenlager von Fasana die Nachricht von dem bei Custozza errungenen Siege; T. eilte mit den besten der schon kampfbereiten Schiffe vor Ancona, wo Admiral Persano die italienische Flotte versammelt hatte, aber keine Miene machte, die durch das Erscheinen der Oesterreicher angebotene Schlacht anzunehmen. Es kam die Unglücksbotschaft von Königgrätz; es wollte scheinen, daß der Krieg zu Ende sei, und es erforderte Tegethoff’s Beispiel und Einwirken, um den thatenfrohen, von ihm erweckten Geist auch ferner aufrecht zu erhalten. Italien drängte seine Flotte zur That. Admiral Persano entschloß sich, die befestigte Insel Lissa anzugreifen. T., vom erfolgten Angriff auf Lissa benachrichtigt, erbat den Befehl oder wenigstens die Erlaubniß, mit der Flotte auszulaufen, um Lissa zu entsetzen. Er erhielt diese Erlaubniß nicht, wol aber die Ermächtigung, nach eigenem Ermessen zu handeln. Nun zögerte er keinen Augenblick mehr. Am 19. Juli verließ er Fasana, und lieferte Tags darauf den Italienern in den Gewässern von Lissa eine Schlacht, die ewig denkwürdig bleiben wird: die erste offene Seeschlacht mit gepanzerten Schiffen.

Als in den Morgenstunden des 20. Juli der Feind in Sicht gekommen war, wollte T. an die unter seiner Führung stehende Flotte die Worte richten: „Muß Sieg von Lissa werden“; man näherte sich aber dem Feinde so rasch, daß für diese Signalisirung keine Zeit mehr blieb, und T. sich auf das Angriffssignal: „Den Feind anrennen und ihn zum Sinken bringen“ beschränken mußte, ein Signal, mit dem er eine neue, noch gänzlich unerprobte Kampfesweise für die Flotten der Gegenwart inaugurirte.

Ungleich seinem Gegner, brachte T. alle seine Schiffe, auch die schwachen ungepanzerten Fahrzeuge, in Thätigkeit; und – abermals ungleich seinem Gegner – verwarf er die aus der Zeit der Segelflotten stammende Aufstellung in auf artilleristische Wirkung berechnete Schlachtlinien; er stürmte im Gegentheile auf den Feind in einer Formation ein, welche an die Seeschlachten des Alterthums erinnert, die mit Ruderfahrzeugen geschlagen wurden; seine Flotte bildete drei ineinandergeschobene Keile, und an der Spitze des vordersten Keiles wies Tegetthoff’s Flaggenschiff, die Panzerfregatte „Erzherzog Ferdinand Max“, den Weg. T. hatte sowol auf das Unwiderstehliche dieser überraschenden Angriffsform, als darauf gerechnet, daß nach Durchbrechung der feindlichen Linie die Schlacht sich in ein Melée verwandeln, in eine Reihe von Einzelkämpfen werde auflösen müssen. Er wußte, daß ein Admiral nicht in der Lage des Lenkers einer Schlacht zu Lande ist, welcher sie beobachten und in ihre Wechselfälle eingreifen [534] kann. Deshalb hatte er, wie schon früher angedeutet, es seine Hauptsorge sein lassen, die Capitäne in seine Absichten vollständig einzuweihen, und sie mit seinem Geiste zu erfüllen. Seine richtige Voraussicht fand volle Bestätigung durch die Thatsachen. Nach Durchbrechung der italienischen Panzerlinie fand sich das Führerschiff der österreichischen Holzdivision, Linienschiff „Kaiser“, zwar von den feindlichen Panzerschiffen hart bedrängt, brach sich aber durch ein kühnes Manöver des Commodore v. Petz erfolgreich Bahn; Tegetthoff’s eigenem Flaggenschiffe, welches vom Linienschiffscapitän v. Sterneck befehligt wurde, gelang es, die größte der italienischen Panzerfregatten, „Re d’Italia“, welche bis vor Beginn der Schlacht die Commandoflagge Persano’s geführt hatte, in den Grund zu bohren; eine andere italienische Panzerfregatte, „Palestro“, wurde in Brand geschossen, und flog bald darauf durch Explosion der Munitionskammern in die Luft. Persano hatte nun zwei von seinen elf Panzerfregatten verloren, räumte den Kampfplatz, und brachte seine Flotte, die auch schon durch die erfolglosen Angriffe auf die Befestigungen von Lissa gelitten hatte, nach Ancona in Sicherheit. Einer der glänzendsten Seesiege war erfochten; der jungen, kaum gekannten österreichischen Marine ward das stolze Bewußtsein zu theil, dem Vaterlande Lissa, und dadurch vielleicht auch Dalmatien erhalten zu haben. Ihre mitunter angezweifelte Existenzberechtigung war auf das überzeugendste dargethan; sie hatte sich als eine würdige Ergänzung des ruhmreichen österreichischen Heeres erwiesen. T. hatte die Bereitstellung der Flotte durchgesetzt; er hatte ihre materielle Ausrüstung durchgeführt, ihr Personal streng geschult, aber zugleich es zu begeistern verstanden; er hatte endlich, in kühn offensivem Vorgehen, unter Anwendung meisterhafter Angriffstaktik, einen überlegenen Feind geschlagen. Welche weitgreifende moralische, auch die Zaghaftesten wieder aufrichtende Wirkung der Sieg bei Lissa – nach der Katastrophe von Königgrätz – in Oesterreich hatte, braucht kaum angedeutet zu werden. –

Zum Viceadmiral ernannt und unter die Commandeure des Maria-Theresienordens aufgenommen, unternahm T. bald nach dem Friedensschlusse eine Studienreise nach England und Nordamerika. Dort ereilte ihn der schmerzliche Auftrag, der mexikanischen Regierung die sterblichen Ueberreste des Opfers von Queretaro abzufordern, und sie nach der Heimath, zur Bestattung in der ehrwürdigen Gruft der Väter zu geleiten.

Bald nach Durchführung dieser, an diplomatischen Schwierigkeiten überreichen Mission stellte Kaiser Franz Josef den Viceadmiral v. T. als Marinecommandant und Chef der ministeriellen Centralstelle an die Spitze der k. und k. Kriegsmarine. Auf diesem hohen Posten, sowie auch im Herrenhause des österreichischen Reichsrathes, zu dessen lebenslänglichem Mitgliede T. ernannt worden war, wirkte er nun in schaffensfreudiger Thätigkeit, allerdings vielfach behindert durch die eben damals erschütterten Finanzverhältnisse des Reiches, aber immer unentwegt seinen hohen, wohl erwogenen, von reinstem Patriotismus getragenen, und auf vollster Sachkenntniß beruhenden Zielen zustrebend. Aber auch in dieser Phase seines Lebens, als die Ehren und Würden mit ihren äußeren Zeichen sich mehrten, blieb er stets nur der Diener seines Pflichtbewußtseins: den Kreis der Pflichten wußte aber keiner so weit zu stecken, wie er; nicht persönliche Erfolge, nur Erfolge für die Sache der er diente, waren seine Ziele.

Am 7. April 1871 raffte der Tod den noch nicht 44jährigen Helden, nach einer Krankheit von wenigen Tagen, unerbittlich dahin.

„Jung sterben die Lieblinge der Götter!“

Der unerwartete, plötzliche Tod des Mannes, auf den das Vaterland noch die größten Hoffnungen zu setzen berechtigt war, übte in der ganzen Monarchie [535] die erschütterndste Wirkung. „Ich habe in dem Dahingeschiedenen einen treuergebenen, hingebungsvollen Diener; der Staat einen seiner ausgezeichnetsten Männer, die Marine in ihm den Helden verloren, der sie zu Sieg und Ruhm geführt, dessen Name für immer unzertrennlich bleibt von den glänzendsten Momenten ihres Wirkens, dessen Waffenthaten den herrlichsten Blättern der Kriegsgeschichte angehören.“ Diese Worte richtete Kaiser Franz Josef noch am Todestage Tegetthoff’s an die Kriegsmarine. – Stolze Monumente, von Künstlerhand aus Erz geformt, hat der dankbare Monarch seinem ruhmgekrönten Admiral in Pola und Wien errichtet; unter würdig bescheidenem Leichensteine liegen Wilhelm v. Tegetthoff’s sterbliche Ueberreste in der südöstlichen Ecke des alten St. Leonhardter Friedhofes zu Graz, der Hauptstadt seines Geburtslandes, mit seinen Eltern und zwei Brüdern in gemeinsamem Grabe zu ewiger Ruhe gebettet.

Aus Wilhelm v. Tegetthoff’s Nachlaß; hrsg. von Adolf Beer. Wien 1882. – Geschichte der k. k. Kriegsmarine, 1848 u. 1849, von Jerolim Frhrn. v. Benko. Wien 1884. – Vaterländisches Ehrenbuch, von A. Frhr. v. Teuffenbach. Teschen 1877. Tegetthoff-Biographie von Teuffenbach; Seeschlacht von Lissa, aus d. allgem. Militär-Encyklopädie, und Josef v. Tegetthoff, S. 516. – Neues illustrirtes vaterländisches Ehrenbuch, von A. Frhr. v. Teuffenbach. Teschen, 2. Theil: Tegetthoff-Biographie von Jerolim Frhr. v. Benko; Seegefecht bei Helgoland, Seeschlacht bei Lissa; Briefe des Kaisers Maximilian an V. A. Dahlerup; Größere Sendungen k. und k. Kriegschiffe und k. und k. Seeofficiere; u. A. – F. Gereni, Festblatt zur Enthüllung des Wiener Tegetthoff-Monumentes, 1886.