ADB:Taube, Friedrich Wilhelm von

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Artikel „Taube, Friedrich Wilhelm von“ von v. Ath. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 420–422, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Taube,_Friedrich_Wilhelm_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 21:08 Uhr UTC)
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Taube: Friedrich Wilhelm v. T. wurde am 12. März 1728 zu London geboren, wo sein Vater, Christian Ernst v. T., die Stelle eines Leibarztes bei der [421] Königin Karoline Wilhelmine, Gemahlin König Georg’s II., bekleidete. Am 1. December 1737 starb die Königin, nicht ohne daß, wie dies gewöhnlich der Fall ist, die ärztliche Behandlung, die ihr während ihrer letzten Krankheit zu theil wurde, lebhaften Tadel erfuhr. Wol infolgedessen verließ der Leibarzt T. noch in demselben Monate mit seiner ganzen Familie London und nahm nun zu Celle im Hannoverschen seinen ständigen Wohnsitz. Dort brachte auch sein Sohn Friedrich Wilhelm seine Knabenjahre zu, und er hatte dieselben kaum noch zurückgelegt, als er, ein Jahr nach dem Tode seines Vaters, 1743, somit damals erst fünfzehnjährig, schon die Universität zu Göttingen bezog, an der er vier Jahre hindurch blieb. 1747 veröffentlichte er seine erste Schrift, welche die vermeintlichen Widersprüche zwischen dem Civil- und dem Naturrechte hervorheben sollte. Er machte jedoch mit dieser Arbeit kein Glück, so daß er eine Reihe von Jahren hindurch nicht mehr schriftstellerisch auftrat. Nach weit ausgedehnten Reisen, die ihn sogar nach Amerika führten, wurde T. Rechtsanwalt in Hannover, trat aber 1754 in die Dienste des Reichshofraths Freiherrn v. Hammerstein und zwei Jahre später in diejenigen des kaiserlichen Feldmarschalls Freiherrn v. Moltke, wodurch er veranlaßt wurde, für kurze Zeit als Freiwilliger in der österreichischen Armee zu dienen. Bei Kolin leicht verwundet, kehrte er bald in seine frühere Stellung zurück, nahm den katholischen Glauben an und schrieb eine weitläufige Vertheidigung der Gerichtsfreiheiten, welche auf der im Besitze der Familie Moltke befindlichen westfälischen Herrschaft Wulften hafteten. Doch erschien dieses Werk erst im J. 1766, und es wurde, da es in Folioformat gedruckt war und eine zahlreiche Menge von Urkunden und sonstigen Deductionen und Beweisstücken enthielt, welche sich auf die Verfassung Deutschlands im Mittelalter bezogen, so umfangreich, daß man im Scherze sagte, es sei größer als das ganze Burggut Wulften.

Als 1763 Graf Christian August Seilern sich als kaiserlicher Botschafter nach London begab, nahm er T., der das Englische seit seiner Kindheit geläufig sprach, als seinen Privatsecretär mit sich. Seinen Aufenthalt in England benutzte T. zur Abfassung einer gleichfalls im J. 1766 erschienenen Schrift in englischer Sprache über die britischen Colonien in Nordamerika und deren Verhalten gegen ihr Mutterland. Drei Jahre hindurch versah T. seinen Posten zu vollster Zufriedenheit seines Dienstherrn, da that er einen unvorsichtigen Schritt, der leicht sehr üble Folgen für ihn hätte nach sich ziehen können. Offenbar war er hiebei von dem Bestreben geleitet, aus seiner untergeordneten Stellung zu Höherem berufen zu werden, und um dies zu erreichen, trachtete er die Aufmerksamkeit hervorragender Personen auf sich zu ziehen. Am 31. Juli 1766 schrieb er an den Präsidenten Neny in Brüssel, dessen Bekanntschaft er kurz zuvor in London gemacht hatte, einen weitläufigen Brief über die damaligen politischen Verhältnisse, über die Ansichten des neu ernannten britischen Ministeriums und über die Gefahren, welche für Oesterreich daraus erwüchsen, wenn es seine Allianz mit Frankreich gegen die mit England eintauschen wollte. Durch einen Zufall und ohne Vorwissen Neny’s gerieth dieser Brief in die Hände des Grafen Karl Cobenzl, welcher als bevollmächtigter Minister bei dem Statthalter der österreichischen Niederlande, Prinzen Karl von Lothringen (s. A. D. B. XIX, 262), unter diesem an der Spitze der dortigen Regierungsgeschäfte stand. Entrüstet über die Verkennung seiner Stellung, deren sich seiner Ansicht nach T. schuldig gemacht, hatte Cobenzl nichts Eiligeres zu thun, als dessen Brief dem Staatskanzler Kaunitz (s. A. D. B. XV, 487) zu übersenden. Auch dieser mißbilligte den Schritt Taube’s, aber er ließ als Milderung gelten, daß derselbe ihn gegen einen österreichischen Staatsdiener und nicht einen Fremden gethan, daß er daher auch nicht als „meineidiger Verräther“ anzusehen sei. Dennoch bleibe es sträflich, [422] schrieb Kaunitz an Seilern, daß T. sich ohne Vorwissen und Auftrag des Botschafters so weit vorgewagt habe. Um zu verhindern, daß von seiner Seite nicht Aehnliches gegen Fremde geschehe, sei T. möglichst bald aus London zu entfernen, in dieser Absicht aber zu freiwilliger Rückkehr nach Oesterreich zu veranlassen. Unbedenklich trat T., welcher weit von dem Gedanken entfernt war, irgend etwas Ahndungswerthes gethan zu haben, die Reise nach Wien an, nicht, ohne daß er an Seilern „seines guten und ehrlichen Gemüthes“ halber, sowie wegen seiner „ansonsten besitzenden Wissenschaften“ einen warmen Fürsprecher gefunden hätte. Dringend empfahl er T., der gewiß nicht von „bösem Willen“ geleitet worden sei, zu nachsichtiger Behandlung, welche ihm denn auch in vollstem Maaße zu theil wurde. Ja, es ging für ihn aus der ganzen Sache der unverkennbare Vortheil hervor, daß er, der bisher noch immer nur in einem privaten Dienstverhältnisse gestanden hatte, nunmehr eine Staatsanstellung erhielt, indem er zum Hofsecretär bei dem kaiserlichen Commerzienrathe ernannt wurde. Während er diesen Posten bekleidete, schrieb er verschiedene Werke, unter denen wol die über die Geschichte und den damaligen Zustand der Schifffahrt, der Manufacturen und der auf die Colonien bezüglichen Einrichtungen Englands die werthvollsten waren. Auch in Büsching’s Magazin für die Historie und Geographie der neueren Zeit erschienen häufig Aufsätze von seiner Hand.

Als im J. 1776 der Hofcommercienrath aufgehoben wurde, erhielt T. den Auftrag, sich nach Karlowitz zu begeben, wo er als Actuar der Synode der griechisch nicht unirten Bischöfe beizuwohnen hatte, bei welcher die Abstellung vieler im Laufe der Zeit eingerissener Uebelstände, sowie die Abfassung eines ganz neuen „Regulamentes“ durchgesetzt wurde, welches die Kraft eines Landesgesetzes erhielt. Nach Wien zurückgekehrt, legte er die Wahrnehmungen, die er während seiner Reise gemacht hatte, in einem neuen Werke, einer historischen und geographischen Beschreibung des Königreichs Slavonien nieder. Im März 1777 wurde er zum Rathe bei der niederösterreichischen Landesregierung ernannt und gleichzeitig in den Ritterstand erhoben. Er starb aber schon, und zwar gleichfalls in Wien, am 16. Juni 1778, erst fünfzig Jahre alt. Büsching, der seiner Dankbarkeit für Taube’s eifrige Mitarbeiterschaft dadurch Ausdruck verlieh, daß er eine Skizze seines Lebenslaufes herausgab, hebt seine ungewöhnliche Begabung, seinen rastlosen Fleiß, sich gediegene Kenntnisse zu erwerben und sie schriftstellerisch zu verwerthen, endlich die Lauterkeit seines Charakters lobend hervor.

Büsching, Beiträge zu der Lebensgeschichte denkwürdiger Männer IV, 221. – Oesterreichische Archivsacten.
v. Ath.