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Artikel „Sylvanus, Johann“ von Paul Tschackert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 285–286, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sylvanus,_Johann&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 10:54 Uhr UTC)
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Sylvanus: Johann S. (Silvanus), Antitrinitarier, † (enthauptet) 1572. In die Geschichte des frommen Kurfürsten Friedrich’s III. von der Pfalz fällt wie ein dunkler Schatten die traurige Katastrophe der Hinrichtung des pfälzischen Predigers Johann Sylvanus. Diesen finden wir 1570 als reformirten Prediger und Inspector zu Ladenburg in der Pfalz, nachdem er früher katholischer Domprediger in Würzburg, darauf lutherischer Pfarrer zu Calw gewesen war. Sein Gesinnungsgenosse war Adam Neuser, protestantischer Pfarrer an der Peterskirche zu Heidelberg. Beide erscheinen als Männer von wenig festem Charakter und ohne tieferen sittlichen Ernst. Sie waren mit dem trinitarischen Dogma der christlichen Kirche zerfallen, leugneten auch die Lehre von der Gottheit Christi. Daher suchten sie Beziehungen mit den Unitariern in Siebenbürgen anzuknüpfen, ja sie kamen sogar auf den Gedanken, mit dem türkischen Sultan Selim II. in Briefverkehr zu treten. Die Führerrolle hatte dabei Adam Neuser, der Verführte war S. Ihn überredete jener, 1570, als gerade unter Kaiser Maximilian II. ein Reichstag zu Speyer gehalten wurde, mit ihm dahin zu reisen und sich für ihre Zwecke des dort anwesenden siebenbürgischen Gesandten zu bedienen. Dies [286] gelang. Neuser gab dem Gesandten einen Brief an den Sultan und an den bekannten Socinianer Georg Blandrata nach Siebenbürgen mit. Diese Briefe, in denen berichtet war, daß ihre Absender Anhänger in Deutschland hätten und nichts mehr wünschten, als sich mit dem türkischen Sultan zu verbinden, kamen in „unrechte“ Hände. Als nämlich der Kaiser Max dem siebenbürgischen Gesandten die von diesem erbetene Allianz aus dem Grunde abschlug, weil dessen Nation die Dreieinigkeit Gottes und die Gottheit Christi leugne, antwortete dieser, daß ja selbst Fürsten und angesehene Theologen in Deutschland dieser Lehre beigetreten seien, und zog die Briefe Neuser’s und Sylvan’s hervor, die er dem Kaiser überreichte; der Kaiser aber gab sie an den Kurfürsten weiter; so kam diese Angelegenheit vor die Landesregierung der Briefschreiber und brachte sie nach damaligen Rechte in einen peinlichen Proceß. Sie wurden des Arianismus angeklagt und der Hinneigung zum Islam verdächtig gefunden. Die Heidelberger Theologen Ursin, Olevian u. A., welche der Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz um ein Gutachten ersuchte, gaben mit alttestamentlicher Strenge als Schüler Calvin’s die Erklärung ab, daß die Angeklagten des Todes schuldig seien, also durch das Schwert oder den Henker oder andere Mittel „vom Leben zum Tode gerichtet“ werden sollten (der Wortlaut des Gutachtens ist abgedruckt bei Struve, s. unten S. 217–226); die weltlichen Räthe riethen zur Milde und wollten ihnen den Schoß der versöhnenden Kirche nicht verschlossen gehalten wissen. Der Kurfürst war geneigt, der milderen Ansicht zu folgen; aber die Theologen bearbeiteten ihn derartig, daß er sich entschloß, den einen der Ketzer, S., zum Tode zu verurtheilen. Am 23. December 1572 wurde dieser in Heidelberg auf öffentlichem Markte im Beisein des Stadtrichters und des Rathes enthauptet. Er starb, wie die Theologen nach allen Seiten berichteten, „als frommer Christ“. Der Kurfürst sorgte freigebig für dessen unschuldige Familie, für seine Wittwe und seinen zwölfjährigen Sohn, welcher aus kindlicher Liebe die lange Gefangenschaft des Vaters getheilt hatte. Der andere Schuldige, Neuser, konnte die Flucht ergreifen, kam durch Siebenbürgen bis in die Türkei und trat dort zum Islam über. (Ein Brief von ihm an den Sultan befindet sich in Struve [s. unten] S. 229–234.)

S. hatte ein Buch geschrieben, betitelt: „Wahre christliche Bekenntniß des uhralten Glaubens von dem einigen wahren Gott und von Messia Jesu dem wahren Christen, wider den drey persönlichen Abgott und zwey genaturten Götzen des Wider-Christs, aus Gottes Wort mit Fleiß zusammengetragen, und in solcher Kürtze beschrieben. Anno 1570.“ Dasselbe war, sehr sauber geschrieben, handschriftlich unter seinen Schriftstücken bei seiner Verhaftung vorgefunden, ist aber nicht gedruckt worden. Aus seiner früheren Zeit werden von Sandius (s. u.) angeführt: „Contra Eutych. errorem“, Germanice 8°: „Adversus Johannis Marpach libri (ni fallor) duo.“

Zu vgl. B. G. Struve, Pfälzische Kirchenhistorie (Frankfurt 1721 in 4°), S. 214 ff. – Sandius, Bibliotheca Anti-trinitarium (Freistadii 1684), S. 60. – Fock, Der Socinianismus I (1847), 238 ff. – Ludwig Häusser, Geschichte der rheinischen Pfalz, Bd. II (1845), S. 45& ff. – A. Kluckhohn, Friedrich der Fromme, Churfürst von der Pfalz (1877–79) S. 378–383, und Derselbe, Briefe Friedrich’s des Frommen, Bd. I (1868), Bd. II (1870) an mehreren Stellen (vgl. II, S. 1084 sub voce Silvan). – Klüpfel’s Art. Friedrich III. in Herzog’s Real-Encyklopädie. 2. A. Bd. IV, S. 688 ff. – Gillet’s Art. „Ursinus“ ebendaselbst Bd. XVI, S. 238 ff.