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Artikel „Strube, David Georg“ von Ferdinand Frensdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 635–639, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Strube,_David_Georg&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 13:53 Uhr UTC)
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Strube: David Georg St., Jurist und Publicist, geboren am 29. Nov. 1694 zu Celle, † am 24. Juli 1776 zu Hannover. St. stammte von beiden Eltern her aus hannoverschen Beamtenfamilien; sein Vater, Heinrich Anton St. († 1715), war einer der ersten Räthe des Celler Oberappellationsgerichts, seine [636] Mutter die Tochter des herzoglich cellischen Kammermeisters Knop. Er erhielt seine Erziehung durch Hauslehrer, unter denen Joh. Friedr. Gruner, nachmals Consistorialpräsident in Coburg und bekannt durch seine Opuscula ad illustrandam historiam Germaniae (1760), genannt zu werden verdient. 1713 bezog er die Universität Halle und wurde der Hausgenosse Joh. Sam. Stryk’s. Anfangs sich zu Gundling haltend, hat er sich nachher mehr an Thomasius und J. H. Böhmer angeschlossen, selbständig über den Werth der Lehrer urtheilend, anstatt dem beweglichen Applaus der akademischen Menge zu folgen. Nach Halle besuchte er noch Leiden, wo Gerh. Noodt, Schulting, Burmann, Bernard seine Lehrer waren. Das Quellenstudium, dem er sein Leben lang zugethan blieb, hat er bei den Holländern gelernt, das des Deutschen wie des Römischen Rechts. 1718 disputirte er Unter Noodt’s Vorsitze de origine nobilitatis germanicae et praecipuis quibusdam ejus juribus, einen Gegenstand, der ihn noch oft beschäftigen sollte. Die akademische Reise, mit der er sein Studium abschloß, führte ihn durch die Niederlande, nach England, Frankreich und durch einen großen Theil von Deutschland. Nach seiner Heimkehr bei dem Oberappellationsgerichte als Advocat immatriculirt, wurde er 1720 von der Ritterschaft und den Städten des Hochstifts Hildesheim zum Landsyndikus erwählt, zugleich Beisitzer des Hofgerichts und Mitglied des evangelischen Consistoriums. Die zwanzig Jahre seiner Hildesheimer Thätigkeit sind durch eine Reihe bedeutender Arbeiten forensischer und litterarischer Art bezeichnet. Das Recht der Bauergüter behandelte er sofort in der „Commentatio de jure villicorum vulgo vom Meierrechte“ (Cellis 1720; 4°), die nachher noch zweimal, um historische Anhänge, Observationes juris et historiae Germaniae u. a. vermehrt, abgedruckt ist. In einem beim Reichskammergericht anhängigen Privatprocesse bezeugten 1726 Ritterschaft und Städte das erbliche Recht der Hildesheimschen Meier, während das Domcapitel und die sieben Stifter das Gegentheil 1730 attestirten. Zur Rechtfertigung des Zeugnisses der weltlichen Stände veröffentlichte St. 1730 den „Gründlichen Bericht von dem Abmeierungsrechte vornehmlich im Stift Hildesheim“ und erwies, daß kein Gutsherr befugt sei, seine Meier und deren Erben nach Willkür und Gefallen ohne erhebliche Ursachen der Meierstatt zu entsetzen. Durch den Amtmann Mühlenpfort ließen zwar die geistlichen Stände Strube’s Rechtsausführungen bekämpfen, erfuhren aber durch „das befestigte Erbrecht der Stift-Hildesheimschen Meyer“ (1752) von Strube’s Sohn, Julius Melchior, eine entschiedene Widerlegung. Die ganze Polemik hatte den günstigen Erfolg, daß, als nach dem siebenjährigen Kriege für viele, wüst gewordene Höfe nur durch Zusicherung eines festen, erblichen Rechts neue Bebauer zu gewinnen waren, eine Verordnung des Fürstbischofs von 1781 das erbliche Recht der Meier anerkannte, ebenso wie auch in die Calenbergische Meierordnung von 1772, die der jüngere St. nach den Grundsätzen seines Vaters redigirt hat, eine alle Zweifel beseitigende Anerkennung des Erbrechts der Meier Aufnahme fand. Andere Arbeiten der Hi1desheimer Zeit betreffen das Recht des evangelischen Consistoriums, auch ohne Zustimmung des Landesherrn Feier- und Festtage auszuschreiben, das Jagdrecht, dessen für das gemeine Recht zu vermuthende Regalität von Cramer, damals Professor in Marburg, nachher Assessor beim Reichskammergericht, behauptet war und von St. in den „Vindiciae juris venandi nobilitatis germanicae“ (1739) widerlegt wurde. Die wichtigste unter den das öffentliche Recht angehenden Arbeiten ist der „Gründliche Unterricht von Regierungs- und Justizsachen“ (1773, wiederabgedruckt in Rechtl. Bed. V Anhang, in Spangenberg’s Ausg. III, 219 ff.). Veranlaßt war die Untersuchung durch das Nebeneinanderbestehen von Kanzlei und Hofgericht mit concurrirender Gerichtsbarkeit, nur daß das Hofgericht von Regierungs- und peinlichen Sachen ausgeschlossen war. Das Resultat Strube’s, [637] Regierungssachen seien solche, die keine gerichtliche Untersuchung und richterlichen Spruch erforderten, mußte schon um seiner negativen Fassung willen unbefriedigt lassen, und nach Stüve’s Urtheil hat er die einfachen Grundsätze des Landesrechts vielfältig verwirrt. So reich die Hildesheimer Zeit an litterarischer Anregung war, so scheinen die Verhältnisse des kleinen Staatswesns mit seinen feindlichen Gegensätzen doch viel Unerquickliches herbeigeführt und St. persönliche Anfeindung von seiten derer zugezogen zu haben, gegen die er amtlich und wissenschaftlich auftreten mußte. Es war ihm deshalb willkommen, als ihm um 1740 G. A. v. Münchhausen, mit dem er schon seit beinahe zwanzig Jahren bekannt war (s. A. D. B. XXII, 730), einen Platz im hannoverschen Staatsdienst antrug. Als advocatus patriae, mit dem Titel eines Geheimen Justizraths, hatte er außer der processualischen Vertretung der königlichen Gerechtsame dem Ministerium als Beirath in allen Rechtsfragen mit seinem schriftlichen Gutachten zur Seite zu stehen. Bis 1758 blieb er in dieser einflußreichen Stellung. Als in diesem Jahre der Kanzleidirector v. Bernstorff starb, wurde St. dessen Nachfolger und blieb an der Spitze der Justizkanzlei zu Hannover bis zu seinem Tode. Daß er 1772 den Titel eines Vicekanzlers erhielt, hatte keine Aenderung seiner amtlichen Stellung zur Folge. – In jedem der Aemter, die St. in Hannover bekleidete, entwickelte er eine außerordentliche Regsamkeit, amtlich wie litterarisch. Schon von Hildesheim aus war er zu den Arbeiten herangezogen, die die Gründung der Universität Göttingen betrafen. Nachher hat er namentlich in allen, die juristische Facultät betreffenden Angelegenheiten dem Minister Hülfe geleistet. Durch seine Correspondenz mit dem jungen Professor Pütter half er ihn zum Publicisten Göttingens heranzuziehen. Die Bibliothek des Oberappellationsgerichts zu Celle bewahrt in mehr als 20 Foliobänden die Gutachten verschiedensten Inhalts, welche St. dem Ministerium auf sein Ansuchen erstattet hat. Die staatsrechtlichen Kämpfe vor und während des siebenjährigen Krieges forderten wiederholt Strube’s Feder heraus. In der „Entdeckten Verdrehung des westphäl. Friedensschlusses“ (1758) trat er den kirchenpolitischen Broschüren des Fürstabts zu Emmeran in Regensburg, Krauß; in der „Gründlichen Vertheidigung der Kurfürstlich Braunschweig.-Lüneb. Postgerechtigkeit“ (1758) und „Beweis der Nichtigkeit aller Scheingründe“ (1760) den Prätensionen des fürstlichen Hauses Taxis entgegen. Bekannter als durch die ganze bisher betrachtete Thätigkeit ist St. durch die beiden Sammelwerke geworden, die bis vor etwa dreißig Jahren zu den häufigst citirten in juristischen Schriften gehörten: die „Nebenstunden“ (6 Thle., 1742–68; 2. Ausgabe 1778–83) und die „Rechtlichen Bedenken“ (5 Thle., 1767–1777 und neue Abdrücke 1785, 1801). Die „Nebenstunden“ enthalten ausführliche Abhandlungen über auserlesene und brauchbare Staatsrechtsmaterien (Pütter); und auf manche ihrer Resultate haben sich die späteren Forscher wie Eichhorn, vereinzelt selbst Waitz, noch berufen können. Die „Rechtlichen Bedenken“ sind eine Sammlung kurzer Ausarbeitungen über praktische Fragen des Privatrechts, des Strafrechts, zum Theil auch des Staats- und Verwaltungsrechts, die St. in seiner richterlichen Thätigkeit vorgekommen waren. Obschon er gestand, vor seinem Eintritt in die Praxis mehr in Leibniz, als in Carpzov gelesen zu haben, haben doch sein Zeitgenossen das, was man damals Brauchbarkeit nannte, an seiner Arbeit nie vermißt. J. Möser wünschte ein Landrecht, aus praktischen Entscheidungen wie denen Strube’s zusammengesetzt. Der späteren Zeit hat seine Arbeit als ein Grundpfeiler des gemeinen deutschen Rechts gedient. Die hannoversche Jurisprudenz, die im vorigen Jahrhundert in die Stelle der kursächsischen einrückte und tonangebend für das gemeine Recht wurde, hat durch eine Reihe von Sammlungen praktischer Entscheidungen ihre Bedeutung für die Handhabung und Wissenschaft des gemeinen Rechts bewährt. [638] „Strubens rechtliche Bedenken“ stehen obenan in dieser Reihe; und wie lange sie den Ruhm ihres Verfassers aufrecht erhalten haben, beweist der Umstand, daß 1827–28 Ernst Spangenberg noch eine neue, systematisch geordnete Ausgabe in drei Bänden veranstaltet hat. Als Richter und Chef eines sehr angesehenen Gerichtshofes entwickelte er die ruhmvollste Thätigkeit. Selbst in den Ferien, wenn er sein Gut aufsuchte, nahm er Actenbände mit und studirte sie. Er war nicht bloß Correferent in allen Civilsachen und den wichtigeren Criminalsachen, sondern legte selbst jährlich mehr Relationen in Civilsachen ab als irgend ein Mitglied seines Collegiums. Justus Möser rühmt ihm nach, er habe, wie Hugo Grotius, Geschichtskunde, Rechtsgelehrsamkeit und Philosophie verknüpft. Der beliebten Vorstellung von den verknöcherten Juristen des 18. Jahrhundertes entspricht er so wenig wie Andere. Er bleibt nicht bei Hugo Grotius, dem herrlichen, wie er ihn nennt, stehen, ist empfänglich und zugänglich für neue Erscheinungen des Lebens und der Litteratur. Er vertheidigt Montesquieu gegen seine Angreifer, würdigt Mably und berichtet eingehend und zustimmend über das Project des Corporis juris Friedericiani (in den Relationes de libris novis, Fasc. 4, Gött. 1749). Lessing hat ihm vorgeworfen, so gut er im Historischen sei, so wenig Beifall verdiene er im Politischen und Pragmatischen. Man darf die Natur seiner historisch-staatsrechtlichen Abhandlungen nicht übersehen; sie sind regelmäßig Polemiken und können deshalb nicht alle Seiten ihres Gegenstandes berühren. Mit seinem politischen Urtheil hält St. sonst nicht zurück, nur äußert er es meistens kurz und gelegentlich, nicht in umständlicher Ausführung. Daß er nicht blind gegen die Schäden der Zeit, nichts weniger als ein mit ihrem Strome schwimmender Jurist ist, zeigen genug seiner Aeußerungen. Er verkennt nicht die Mißbräuche der Reichsgerichtsbarkeit, möchte aber doch lieber in der Barbarey leben als in sehr vielen teutschen Fürstenthümern und Städten, wenn keine Reichsgerichte wären oder deren Macht den Unterthanen zu helfen weiter eingeschränkt würde. Er tritt der beliebten Vermehrung der Regalien entgegen, ebenso wie denen, die das Jus domaniale dergestalt ausdehnen, daß den Unterthanen wenig übrig bleibt. Er ist wie J. Möser ein Freund und ein Kenner des historisch Gewordenen, Feind bloßer Theorien, aber nicht dem Bessern und Reformiren auf Grund der Erfahrung abgeneigt, bleibt jedoch hinter J. Möser weit zurück in der Darstellung, in der Anmuth der Form, in dem humorvollen Wesen. Seine Aufsätze und Abhandlungen bewegen sich stets in der trockenen Form der Deduction. Der Leser kommt nirgends zum Genuß einer historischen Darstellung aus den Quellen, sondern muß immer die Polemik mit einem litterarischen Gegner und lange Citate aus Schriften Anderer oder aus Quellensammlungen in den Kauf nehmen. St. ist in Urkunden und Scriptores gleich gut bewandert und weiß sie mit Kritik zu benutzen. Er hat einen richtigen historischen Blick für Völker und Zeiten und versteht es, durch kurze Vergleiche mit der Gegenwart Vergangenes anschaulich zu machen. Aus den mancherlei Kämpfen, in die ihn ein langes, litterarisches Leben verflochten hat, ist er siegreich hervorgegangen. Am bekanntesten ist der über zehn Jahre sich hinziehendeH Streit mit dem hohenlohischen Archivar Hanselmann geworden, der die Entstehung der Landeshoheit schon in die Zeit vor dem Interregnum setzen wollte. Wenn man ihn und seinen Sohn zu den Häuptern der orthodoxen Partei in Hannover gerechnet hat, so hat ihn das nicht gehindert, bei den Berufungen nach Göttingen gegen die Unfrieden stiftenden Ketzermacher zu wirken und die Schrift des Reimarus von den vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion ein vortreffliches Buch zu nennen. –

St. war seit 1723 mit der Tochter des Bürgermeisters Hofmeister zu Hildesheim verheirathet. Der älteste Sohn dieser Ehe war Julius Melchior St., [639] geboren am 19. März 1725 zu Hildesheim, † am 29.Juli 1777 zu Hannover. Er studirte in Göttingen, machte 1746–47 eine gelehrte Reise mit Falke und Pütter nach Wetzlar, Regensburg und Wien (s. A. D. B. XXVI, 751) und blieb seitdem in naher Freundschaft mit Pütter verbunden, der ihm in seiner Selbstbiographie ein so rühmliches Denkmal gesetzt hat. Nachdem er die Aemter eines Klosterconsulenten, eines calenbergischen Landsyndikus bekleidet, dem Consistorium, der Justizkanzlei in Hannover angehört hatte, wurde er neben seiner Stellung als Archivar 1762 einer der geheimen Secretäre, durch deren Hände die auswärtigen Geschäfte gingen, ein Vertrauter Gehülfe G. A. v. Münchhausen’s, der ihn früh ins Auge gefaßt und herangebildet hatte. Zu den bereits in der Biographie seines Vaters erwähnten Arbeiten kommt eine Anzahl von Staatsschriften hinzu, die J. M. St. bei Ausbruch des siebenjährigen Krieges gegen den französischen und gegen den kaiserlichen Hof richtete, sowie Deductionen, die er in dem Streite König Georg’s III. von England mit dem Osnabrücker Domcapitel über die Regierungsvormundschaft während der Minderjährigkeit des 1764 zum Bischof gewählten Herzogs von York verfaßte. – Meine frühere Angabe (s. A. D. B. VI, 543), daß eine Tochter D. G. Strube’s die Frau des älteren Falke gewesen sei, ist irrig; Falke’s Frau war eine geborne Dietz aus Darmstadt. Danach ist auch A. D. B. XXIX, 474 zu berichtigen.

v. Werlhof im Vaterl. Archiv I (1819) S. 65 ff. Daraus z. großen Theil: Spangenberg in s. Ausg. der Rechtl. Bedenken I, S. XXI. – Pütter, Litt. des T. Staatsr. I, 395; II, 273. – Rößler, Gründg. der Univ. Göttingen S. 11, 247 ff. – F. Frensdorff, Die ersten Jahrzehnte des staatsr. Stud. in Göttingen (1887) S. 11; zwei Briefsammlgn. des Welfenmuseums (Nachr. v. d. kgl. Gesellsch. der Wiss. 1893 Nr. 8) S. 306 ff. – Roscher, Gesch. der Nat.-Oek. S. 527. – J. Möser, S. W. VI, p. XXII; II, 214. – Lessing, S. W. (Lachmann’s Ausg.) XI, 1, S. 382. – Stüve im Staatswörterb. IV, 701.
Pütter, Litt. des St.R. II, 41; Selbstbiogr. II, 544 ff., 645 ff. – Schäfer, Gesch. des siebenj. Krieges II, 1, S. 197.