ADB:Stoltenberg-Lerche, Vincent

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Artikel „Stoltenberg-Lerche, Vincent“ von Eduard Daelen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 413–414, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stoltenberg-Lerche,_Vincent&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 19:15 Uhr UTC)
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Stoltenberg: Vincent St.-Lerche, am 5. September 1837 zu Tönsberg, Norwegens ältester Stadt, geboren, war das einzige Kind des Schiffsbauers Vincent St.-Lerche und der Frau Jane Döderlein, welche einer in der Mitte des vorigen Jahrhunderts aus Deutschland eingewanderten Familie entstammte. Schon der Knabe zeigte große Begabung für die bildende Kunst und auch früh die entschiedene Lust, Maler zu werden. Seine Eltern aber hatten für ihn einen anderen Beruf in Aussicht genommen und ihrem Wunsche entsprechend, entschloß er sich, Medicin zu studiren. Er besuchte zu diesem Zweck die Universität zu Christiania. Doch hier gelangte er erst recht zu der klaren Einsicht, daß jeder andere Beruf als der künstlerische für ihn ein verfehlter sein würde. Ueberglücklich war er daher, als er nach einem Jahre die Eltern dazu bestimmen konnte, seinem glühenden Verlangen nachzugeben. Mit ihrer Einwilligung zog er 1856 nach Düsseldorf, um mit jubelnder Begeisterung in dem gelobten Lande der Kunst sich seinen Weg zu bahnen. Die schwere Zeit der Lehrjahre ging in ernstem, eingehenden Studium, in angestrengter Thätigkeit dahin. An der Kunstakademie waren Prof. Chr. Köhler, Director W. v. Schadow und Prof. Karl Müller seine Lehrer, unter deren Leitung er rapide Fortschritte machte. Als er schon nach zwei Jahren die Akademie verließ, um von jetzt ab sein Können in selbständigem Schaffen zu bethätigen, übte sein älterer Landsmann, Prof. Hans Gude, am meisten Einfluß auf seine fernere künstlerische Entwicklung aus. Lerche hatte sich mit Vorliebe der Architekturmalerei zugewendet und erreichte gleich mit seinen ersten Bildern einen erfreulichen Erfolg. Eines derselben, das so recht seine frühe Meisterschaft bekundete, es stellte das Innere der St. Lambertuskirche in Düsseldorf dar, wurde vom Kunstverein in Bergen (Norwegen) angekauft und in die dortige Galerie aufgenommen. Von einer Studienreise nach Norwegen 1863 brachte er eine reiche Ausbeute interessanter Studien nach den hervorragendsten historischen Baudenkmalen, namentlich den alten Kirchen zu Bergen, Trontheim und Stavanger zurück. Im nächsten Jahre aber eröffnete sich seinem rastlosen Streben ein noch weit ergiebigeres Feld, da ihm durch ein Staatsstipendium seines Heimathlandes eine längere Reise nach Italien ermöglicht wurde. Besonders von den herrlichen Bauten Venedigs wurde er mächtig gefesselt und während eines Aufenthaltes von fünf Monaten sammelte er eine bedeutende Anzahl vortrefflicher Studien. Nach seiner Rückkehr legte er dann in vielen meisterhaften Bildern, so in dem farbenprächtig großartigen „Interieur aus St. Marco“, ein glänzendes Zeugniß davon ab, wie anregend und fördernd die italienische Reise auf seine Schaffenskraft gewirkt hatte. Düsseldorf war dem Künstler eine zweite Heimath geworden und wurde dies erst recht, als er im J. 1866 sich mit Fräulein Marie Rittershausen verheirathete und [414] nun in der Alexanderstraße ein eigenes gemüthliches Malerheim gründete. In seinen Bildern wurde nach und nach das Figürliche immer bedeutender, so daß er allmählich von der Architektur- zur Genremalerei überging. Diese Entwicklung war um so glücklicher, da Lerche’s Wesen von einem originellen, gesunden Humor durchdrungen war, der sich in entzückendster Klarheit in seinen Werken widerspiegelte. Mit Vorliebe entnahm er seine Stoffe aus dem Mönchsleben, wie „Der Zehntentag im Kloster“, „Der Besuch eines Cardinals“, „Die Klosterbibliothek“ und viele andere, die allgemein mit lebhaftem Beifall aufgenommen wurden. Eines der köstlichsten Bilder dieser Art, „Die unfehlbare Bowle“, wurde von der Galerie in Christiania erworben. Auch in seinen Gemälden aus der Rococco- und aus der französischen Revolutionszeit wußte er stets mit einer lebensfrischen Auffassung einen liebenswürdigen, feinen Humor zu verbinden: so zeigte er in dem bekannten „Wirthshaus in Köln zur Zeit der französischen Revolution“, wie auch die Schreckenszeit ihre heitere Seite hatte. Zu einer weiteren Anzahl von Bildern entnahm er die Stoffe aus allernächster Umgebung, nämlich aus seinem echt malerisch decorirten Atelier, dessen ungemein anheimelnde Gemüthlichkeit er mit intimster Virtuosität zu schildern verstand. Die reiche Begabung des Künstlers genügte sich nicht allein in dem Schaffen von langsam entstehenden Staffeleibildern. Sein unermüdlicher Eifer trieb ihn, die sprudelnde Erfindungsgabe auch als Illustrator und Schriftsteller zu erproben und so wurde er ein sehr beliebter Mitarbeiter an verschiedenen deutschen und skandinavischen illustrirten Zeitschriften. Zu Anfang der siebziger Jahre gab er auch ein paar Bände „Reiseskizzen“ heraus, in denen er sich gleichfalls als ein unterhaltender und anregender Gesellschafter documentirte. Eines der bedeutendsten Bilder seiner letzten Schaffensperiode stellte mit trefflicher Schalkhaftigkeit „den erzählenden Münchhausen“ dar. Zufällig lernte Lerche später das richtige Stammhaus des phantasiereichen Barons „Haus Schwölber“ kennen und erhielt dadurch die Anregung, nun eine Wiederholung seines Bildes mit Zugrundelegung des Originalporträts und der genauen Localstudien anzufertigen. Noch in voller Schaffenskraft stehend, wurde er durch ein tückisches Unterleibsleiden am 28. December 1892 den Seinigen durch den Tod entrissen. Im April 1893 wurde in der Kunsthalle zu Düsseldorf zum ehrenden Andenken an den verstorbenen Meister eine Sammel-Ausstellung seiner Werke veranstaltet, welche einen interessanten Ueberblick über die schöpferische Thätigkeit des Künstlers gewährte und namentlich auch in einer großen Anzahl von Studienblättern und Aquarellen den Ernst und Eifer seines Schaffens in überzeugender Weise vor Augen führte.