ADB:Müller, Karl (Kirchen- und Bildnismaler)
Müller: Karl M., Historienmaler, ein Hauptvertreter der Düsseldorfer kirchlichen Kunst, wurde in Darmstadt am 29. October 1818 als der jüngste Sohn des Porträtmalers und Galerieinspectors Franz Hubert Müller geboren. Den ersten Unterricht empfing Karl von seinem Vater und zeigte dabei ein sehr früh entwickeltes Talent; schon als neunjähriger Knabe zeichnete er nach Giulio Romano Miniaturen, Grabdenkmäler, Ritterfiguren, aus Trachtenwerken und nach Originalen. Mit elf Jahren malte er ein paar Aquarelle, die h. Barbara und h. Katharina, letztere mit Marterwerkzeugen, darstellend, außerdem eine Bußscene, wahrscheinlich nach damaligen Aschaffenburger mittelalterlichen Bildern gemacht, die durch die geschickte Pinselführung in Erstaunen setzten.
Im Herbst 1855 folgte Karl seinen älteren Brüdern Andreas und Constantin nach Düsseldorf, wo er sofort auf der Akademie als Schüler Karl Sohns den rechten Weg fand, um sich mit Sicherheit weiter zu entwickeln. Schon nach zwei Jahren malte er, hauptsächlich unter dem Einflusse Schadow’s, des Directors der Akademie, sein erstes Bild „Heimsuchung Mariä“, mit dem er gleich einen bedeutenden Erfolg erzielte. Es zeigte eine gewisse künstlerische Wahlverwandtschaft mit der Art Ernst Deger’s, mit dem er aufs innigste befreundet war. Noch im selben Jahre seines Entstehens wurde das Bild vom Kunstverein für Rheinland und Westfalen angekauft. Nun entstanden in schneller Reihenfolge seine weiteren Bilder; 1837 ein Aquarell „Der auferstandene Christus in seiner Jünger Mitte“ sowie „Christus mit seinen Jüngern im Aehrenfelde“, „Die Parabel vom Säemann und der Erndte“ in drei durch Arabesken verbundenen Bildern, zu Anfang 1838 ein kleines Bild „Tobias mit dem Engel“, ferner „Charitas“ u. A. Zugleich erhielt er den Auftrag mit Deger, Ittenbach und seinem Bruder Andreas zusammen die Apollinariskirche bei Remagen mit Fresken zu schmücken; doch wurde die Ausführung der Arbeit durch den inzwischen nothwendig gewordenen Umbau der Kirche noch längere Zeit hinausgeschoben. Ende September 1839 trat M. [520] seine erste Romfahrt an; er schloß sich in Rom namentlich Overbeck freundschaftlich an. Im ersten Winter begann der Künstler mit dem Karton der Krönung Mariä’s und zeichnete dazu zahlreiche Studien; auch verfertigte er Copien nach alten Bildern. Nach vierjährigem Aufenthalt in Italien kehrte er nach der Heimath zurück, um nunmehr mit den Genossen die Arbeiten auf dem Apollinarisberge, zu denen die Vorstudien und Compositionen im Laufe der Zeit gereift waren, an Ort und Stelle in Angriff zu nehmen. Er übernahm die Ausschmückung der rechten Seite der Kirche, für deren drei Wandflächen er die den Bildern zu Grunde liegenden Stoffe aus dem Leben der heil. Maria wählte, und zwar „Die Krönung Marias“ (1845), „Die Verkündigung, die Heimsuchung und Vermählung Marias“ (1847) und zuletzt „Die Geburt Marias“. Im J. 1850 vollendete er diese große Aufgabe, wodurch sein Ruf als einer der ersten Meister in der religiösen Malerei der damaligen Zeit begründet wurde. Er hatte damit auch die Höhe seines Schaffens erreicht.
1851 entstand eine „Verkündigung“, der 1852 ein „Abendmahl“ folgte; 1854 eine Madonna mit dem Kinde, inmitten der Heiligen Heinrich und Hedwig für den Fürstbischof Heinrich Förster von Breslau. In dessen Besitz ging auch das 1859 entstandene, vielbewunderte Gemälde „Maria und Elisabeth“ über. Die zarte Farbengebung der Bilder, die vielfach als übertrieben süßlich bezeichnet wurde, veranlaßte den Kritiker der „Vossischen Zeitung“ bei Gelegenheit der Ausstellung der „Jünger zu Emmaus“ darin Christus mit den Jüngern als „in Glacéhandschuhen“ dargestellt zu bezeichnen. Wie Finke sagt, „gab es aber auch Künstlerkreise, denen die ,Jünger zu Emmaus‘ gefielen“.
Am 1. October 1858 wurde ihm die Lehrerstelle für Historienmalerei als Professor der Düsseldorfer Kunstakademie an Stelle des ausgeschiedenen Historienmalers Christian Köhler übertragen, in der er lange Jahre mit Eifer gewirkt hat. Im Jahre 1858 erhielt er wieder einen großen Auftrag für Freskomalereien, mit denen die Wallfahrtskirche Notre dame de la garde bei Marseille ausgemalt werden sollte. In dem abgeschlossenen Vertrag war eine zehn- bis fünfzehnjährige Arbeitszeit vorgesehen und für die ganze Leistung incl. Cartons ein Honorar von 300 000 Francs festgesetzt worden. Nachdem der Künstler schon mehrere Jahre hindurch die Vorarbeiten gefördert hatte, wurde durch Eintreten verschiedener mißlicher Umstände, wobei der Tod des Bischofs von Marseille und auch der deutsch-französische Krieg mitwirkten, der Auftrag rückgängig gemacht. Diese bittere Enttäuschung mit all ihren ärgerlichen Aufregungen übte natürlich auf die Gemüthsstimmung des Künstlers einen höchst niederschlagenden und lähmenden Einfluß aus. Dabei blieb diese schlimme Erfahrung nicht die einzige. Noch tiefer verletzte sein Empfinden das Resultat der Verhandlungen, durch welche die Ausmalung der Münsterkirche in Bonn als eine abgeschlossene Sache zu betrachten war. Schon waren die Skizzen entworfen, Cartons gezeichnet und die Gerüste zur Ausführung aufgeschlagen, die im Frühjahr 1867 begonnen werden sollte. Nur die Genehmigung der erzbischöflichen Behörde zu dem mit dem Meister abgeschlossenen Vertrag stand noch aus. Da geschah das gänzlich Unerwartete: diese Genehmigung wurde verweigert, weil der Erzbischof meinte, daß die Münsterkirche sich nicht dazu eigne in moderner Weise ausgemalt zu werden. In tiefster Erbitterung über eine so deprimirende Entscheidung vernichtete M. den bereits angefertigten, vollständig ausgeführten Carton des jüngsten Gerichts, damit eine seiner besten Arbeiten selbst zerstörend.
Durch so schmerzliche Erfahrungen wurde die künstlerische Schaffenskraft [521] längere Zeit gelähmt; doch stellten sich allmählich wieder Verhältnisse ein, deren günstige Einwirkung ihm über die Leidenszeit tröstend hinweghalfen und zu neuen Leistungen stärkten. Diesen Aufschwung zeigen die folgenden Bilder: „Pietas“, „Die heil. Familie“, „Immaculata Conceptio“, „Anna und Maria“, „Josef mit dem Jesusknaben“, „Heil. Nacht“ und „Jünger zu Emmaus“, von denen er namentlich „Die heil. Familie“ häufiger wiederholte. Auch verschiedene Christus- und Madonnenbilder entstanden, unter denen namentlich die „Madonna vor der Grotte“ (1876) hervorgehoben wird. Auch ein neuer Auftrag für Bonn beschäftigte ihn jetzt, zwei Altarbilder: „Josef mit dem Jesusknaben“ und „Anna mit Maria“, die im J. 1882 fertig wurden. Sodann begann er für den Hochaltar der Remigiuskirche ein dreitheiliges Bild „Die Kirche“, in welchem das himmlische Opfer über dem Altare, d. h. den Gottmenschen Christus in seiner gnaden- und lebenspendenden Beziehung zur Kirche, als das Haupt dargestellt war. Doch war es dem unermüdlich Schaffenden nicht vergönnt, diese Arbeit noch ganz zu vollenden. Vielfach gehindert wurde er darin durch die seit Mai 1883 übernommene Leitung der Düsseldorfer Kunstakademie, der er mit großer Gewissenhaftigkeit oblag. Mehrere auswärtige Akademien hatten ihn zum correspondirenden oder Ehrenmitgliede ernannt; auch an anderen Auszeichnungen, Anerkennungen und Orden fehlte es ihm nicht. Er starb am 15. August 1893.