ADB:Steuben, Friedrich Wilhelm von

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Artikel „Steuben, Friedrich Wilhelm von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 142–148, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steuben,_Friedrich_Wilhelm_von&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 18:17 Uhr UTC)
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Steuben: Friedrich Wilhelm August Heinrich Ferdinand v. St., General im Dienste der Vereinigten Staaten von Amerika, wurde am 15. November 1730 zu Magdeburg, wo sein Vater, welcher damals preußischer Ingenieurhauptmann war, in Garnison stand, geboren. Als dieser einige Jahre später, bei Beginn des polnischen Thronfolgekrieges, in das russische Heer trat, für welches die Kaiserin Anna von König Friedrich Wilhelm II. einige tüchtige Ingenieurofficiere erbeten hatte, nahm er seine Familie mit, so daß der Sohn seine Kinderzeit theilweise im Feldlager verlebte. Der Vater machte 1734 die Belagerung von Danzig, dann unter Münnich den Türkenkrieg mit und war schließlich bei der Befestigung von Kronstadt thätig, 1740 kehrte er nach Preußen zurück. Den Schulunterricht genoß der Sohn fortan in den Städten, in denen der Vater seinen dienstlichen Aufenthalt zu nehmen hatte; in Breslau und in Neiße lernte er gründlich Mathematik, auch in Geschichte und alten Sprachen erwarb er Kenntnisse, ferner lernte er geläufig, wenn auch nicht ganz richtig, französisch sprechen und schreiben. Doch blieb er auch jetzt dem Kriegsleben nicht fern. So wohnte er 1744 mit dem Vater der Belagerung von Prag bei. Unter diesen Verhältnissen war selbstverständlich, daß er ebenfalls Soldat wurde. 1747 trat er beim Infanterieregimente v. Lestwitz (Nr. 31) in den Dienst, 1749 wurde er Fähnrich, 1753 Lieutenant. Als solcher zog er 1756 unter Schwerin in den siebenjährigen Krieg, ward in der Schlacht bei Prag verwundet, sah bei Roßbach die Franzosen laufen und trat Anfang 1758 unter Vorbehalt der Beförderung im Regimente in das Freibataillon des Generals v. Mayer (s. A. D. B. XXI, 108), der ihn zu seinem Generaladjutanten machte. In dieser Schule lernte er den kleinen Krieg und den Dienst der leichten Truppen kennen. Als Mayer am 5. Januar 1759 zu Plauen im Voigtlande gestorben war, verließ St. das Freicorps und kehrte zu den regulären Truppen zurück. Er wurde jetzt Generaladjutant des Generals v. Hülsen (s. A. D. B. XIII, 334) und wird unter den bei Kunersdorf Verwundeten genannt. Dann erscheint sein Name zuerst wieder, als St. im September 1761 als Adjutant des Generals v. Knobloch den Zug mitmachte, welchen Platen nach Pommern unternahm. Hier gerieth er durch die Uebergabe der von einem überlegenen Feinde hartbedrängten Stadt Treptow an der Rega am 25. October in russische Kriegsgefangenschaft und wurde nach St. Petersburg abgeführt; der durch die Thronbesteigung Czar Peter’s III. herbeigeführte Umschwung in der Politik gab ihm aber schon zu Beginn des nächsten Jahres die Freiheit wieder. Peter hatte St. viele Gunst erwiesen. Dieser Umstand wird dazu beigetragen haben, daß König Friedrich den Letzteren, der im April 1762 aus der Gefangenschaft zurückkehrte, zum Stabscapitän und zu seinem Flügeladjutanten ernannte. Als solcher wohnte St. dem Schlußacte des Krieges auf dessen Schauplatze in Schlesien, der Belagerung und Einnahme von Schweidnitz, bei. Daß der König mit ihm zufrieden gewesen, beweist die Verleihung eines Kanonikates am Domstifte zu Havelberg, welche damals erfolgte. Unmittelbar darauf aber sah St. sich veranlaßt, um seine Verabschiedung nachzusuchen. Sie wurde ihm nicht sofort gewährt. Erst im Sommer 1764 erhielt er die Entlassung. Inzwischen hatte er keinen Dienst gethan, sondern mehrfache Reisen [143] unternommen. Auf einer derselben lernte er in Hamburg den damals in dänischen Diensten stehenden Grafen Saint-Germain kennen. Es war eine Bekanntschaft, welche dereinst auf Steuben’s Lebensschicksale einen wichtigen Einfluß üben sollte. Letzterer beabsichtigte zu jener Zeit in das sardinische Heer zu treten, die Unterhandlungen zerschlugen sich aber und er übernahm die Stellung als Hofmarschall des Fürsten von Hohenzollern-Hechingen, welche er zehn Jahre lang mit großem Geschicke ausfüllte. Hofkabalen, durch katholische Geistliche angezettelt, vertrieben ihn aus derselben. Er nahm nun seinen Aufenthalt in Karlsruhe, wo Markgraf Karl Friedrich von Baden ihn freundlich aufnahm, lebte aber auch viel auf Reisen. Eine solche führte ihn im Mai 1777 nach Paris. Hier schlug ihm Saint-Germain, welcher damals Kriegsminister war, vor nach Nordamerika zu gehen, die Vereinigten Staaten bedürften eines erfahrenen und thatkräftigen Officiers, welcher vor allem Ordnung und Disciplin beim Heere einbürgere. Das Zureden von Freunden der Amerikaner in Europa überwand Steuben’s Bedenken auf den Vorschlag einzugehen, welche sich besonders auf den Wunsch den Rest seiner Tage in Ruhe zu verbringen und seinen Mangel an Bekanntschaft mit der Landessprache gründeten, und durch das geringe Entgegenkommen Franklin’s, der die Interessen der Staaten in Frankreich vertrat, sowie durch die Besorgniß vor einem übelen Empfange seitens der amerikanischen Officiere vermehrt wurden. Von Beaumarchais, dem Dichter des Barbier von Sevilla, einem begeisterten und opferfreudigen Freunde der republikanischen Bewegung, mit Reisegeld ausgestattet, schiffte er sich am 26. September 1777 zu Marseille an Bord eines Schiffes, welches außer ihm verschiedene Officiere und mancherlei Kriegsbedarf trug, nach dem Lande seiner neuen Bestimmung ein. Mit der dortigen Regierung hatte er noch keinerlei Abkommen getroffen, er ging auf gutes Glück nach Amerika und einer ganz ungewissen Zukunft entgegen. Nur Empfehlungen an einflußreiche Personen führte er mit. Frankreich stand im Begriff, sich mit den Vereinigten Staaten zu verbinden, und die Minister nahmen begreiflicherweise ein großes Interesse an der Stärkung der dortigen Wehrkraft. Sein Kanonikat hatte St. mit königlicher Bewilligung an einen Neffen übertragen.

Am 1. December 1777 lief das Schiff, auf welchem er die Ueberfahrt gemacht hatte, in den Hafen von Portsmouth im Staate New-Hampshire ein. Von Boston aus schrieb er an den Congreß und an General Washington, um seine Dienste anzubieten und erhielt die Aufforderung, nach York im Staate Pennsylvanien zu kommen, wo ersterer tagte. Um mündliche Unterhaltungen zu führen, mußte er sich eines Dolmetschers bedienen. Nach dreiwöchentlicher Reise in York angelangt, ward er nach den Bedingungen gefragt, unter denen er bereit sei, in das Heer zu treten. Die Amerikaner nannten ihn dabei stets Generallieutenant, ein Titel, auf welchen er keinen Anspruch hatte, den er sich aber gefallen ließ. Seine Freunde hatten ihm denselben beigelegt, um sein Fortkommen zu fördern. Er erwiderte, daß er als Freiwilliger einzutreten und diejenigen Dienste zu verrichten wünsche, für welche Washington ihn geeignet halten würde. Er habe in Europa ein Einkommen von etwa 580 Louisd’ors aufgegeben und erwarte dagegen, daß die Staaten, so lange er in ihren Diensten sein werde, seine Auslagen bestreiten würden. Sollte Amerika schließlich im Kampfe unterliegen, so verlange er nichts; im anderen Falle rechne er nicht nur auf volle Entschädigung für die von ihm gebrachten Opfer, sondern auch auf solche Beweise der Freigiebigkeit, wie der eigene Gerechtigkeitssinn sie dem Lande vorschreiben werde. Der Congreß war einverstanden und an einem der letzten Tage des Monats Februar im J. 1778 traf St., überall glänzend empfangen und aufgenommen, in Washington’s Hauptquartiere zu Valley-Forge in Pennsylvanien ein. Er fand die Truppen im kläglichsten Zustande von der Welt. [144] Es fehlte an Allem, an Geld, an Waffen, an Verpflegung, an Uniformen, an Reglements, an Vorgesetzten, die ihrer Aufgabe nur einigermaßen gewachsen gewesen wären, an Ordnung und Ehrlichkeit, an Befehlsgebung und an Disciplin. Unter solchen Verhältnissen waren auch das Selbstvertrauen und die Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang des Kampfes, welche der kurz vorhergegangene Erfolg von Saratoga mächtig gehoben hatte, wieder geschwunden. Nur der Obergeneral Washington und einige höhere Officiere, denen jener seinen Geist einzuflößen verstanden hatte, hielten den Schild hoch. – Zu Steuben’s Anstellung auf einem seinen Fähigkeiten ganz besonders entsprechenden Posten fand sich sofort eine passende Gelegenheit. Am 13. December 1777 hatte der Congreß beschlossen, zur Beförderung der Disciplin und zur Beseitigung der Mängel in der Heeresverwaltung einen Generalinspector anzustellen. Derselbe hatte die Truppen auszubilden und zu mustern, ihre Uebungen zu leiten und über diese Gegenstände unmittelbar mit dem Congreß zu verhandeln; seine Stellung machte ihn dem Obergeneral gegenüber ziemlich unabhängig. Durch den Abgang des Generals Conway, für den sie geschaffen worden, eines Ränkeschmiedes, war sie gerade offen. Washington schlug St. vor, sie zeitweilig zu übernehmen, und dieser sagte um so lieber zu, als er die Fähigkeit in sich fühlte, sie ganz auszufüllen. Sofort machte er sich an die Arbeit. Es galt zunächst die Vorschriften zu entwerfen, nach denen der Dienst gehandhabt werden sollte, dann die Ausführung dieser Vorschriften zu lehren, sie einzuüben und die Ausführung zu überwachen. Bei Washington fand er in allen diesen Punkten volle Unterstützung, beide gingen Hand in Hand, und jener beantragte beim Congreß, St. mit dem Range und dem Gehalte eines Generalmajors endgültig zum Generalinspector zu ernennen. Es geschah am 5. Mai 1778. Die Anordnung fand keineswegs den Beifall der höheren Officiere, welche ihre eigenen Befugnisse als durch die St. beigelegte Machtvollkommenheit beeinträchtigt ansahen und auf ihn eifersüchtig waren. Seiner Gewandtheit und Weltklugheit, in Verbindung mit der Lauterkeit seines Charakters, seiner Selbstlosigkeit und Uneigennützigkeit war es zu danken, daß er die seiner Thätigkeit aus den Umtrieben seiner Gegner erwachsenden Hindernisse glücklich umging oder beseitigte und seine Ziele in den Hauptsachen erreichte. Die Fortschritte in militärischer Verwendbarkeit darzuthun, welche die Truppen unter seiner Leitung gemacht hatten, ward diesen bald Gelegenheit gegeben. Als das Bündniß der Vereinigten Staaten mit Frankreich abgeschlossen war, räumten die Engländer unter Clinton Philadelphia, Washington folgte ihnen, und in einem am 28. Juni 1778 bei Monmouth-Courthouse gelieferten Gefechte bestanden Washington’s Regimenter die Probe, auf die sie gestellt wurden. Freilich nicht glänzend, aber sie bestanden. Und daran hatte St. persönlich ein Hauptverdienst, indem er, nachdem er kühn und geschickt den Feind erkundet hatte, während des Kampfes den Befehl von Lee’s weichender Division übernahm und eine günstige Entscheidung des Tages herbeiführte. Trotzdem wagte Washington angesichts des Widerspruches der eingeborenen Generale nicht, St. das Commando jener Division zu belassen. Er sollte den Posten eines Generalinspectors von neuem übernehmen. Auf das er die ihm dadurch gestellte Aufgabe voll erfüllen könne, mußten nach Steuben’s Meinung die Pflichten und Rechte eines solchen genau geregelt werden. Um dahin zu wirken, ging St. nach Yorktown, wo der Congreß tagte. Er arbeitete dort den Entwurf zu einer Dienstanweisung für den Generalinspector aus, mußte aber, ohne daß in der Angelegenheit eine Entscheidung getroffen war, zum Heere zurückkehren, welches im Lager von Whiteplains stand und bei Anbruch des Winters Quartiere in den Hochlanden am Hudson bezog; und widmete sich hier der Ausbildung der Truppen. Später ging er nach Philadelphia, wohin der Congreß seinen Sitz [145] verlegt hatte, um von neuem den Erlaß jener Dienstanweisung zu betreiben. Am 18. Februar 1779 nahm der Congreß die Vorlage an; sie übertrug dem Inhaber der Stelle die Sorge für die Aufsicht und die Oberleitung der Truppen, sowie die Controle über die Zahl der Mannschaften, deren Beschaffenheit, den Zustand von Waffen und Bekleidung, alles unter der Oberaufsicht des Congresses und des Höchstcommandirenden. Die Muße, welcher jener Winteraufenthalt St. bot, benutzte er, um ein Exercier- und Dienstreglement, „das blaue Buch“, zu bearbeiten, welches der Congreß drucken ließ und in Wirksamkeit setzte. Die Schwierigkeiten der Herstellung dieser Arbeit waren um so größer, als das Buch anfänglich deutsch entworfen, dann in das Französische übersetzt und dabei zweimal sprachlich verbessert werden mußte. Bei seinem schließlichen Erscheinen in gutem Englisch war es dem Urheber selbst vollkommen unverständlich. Letzterem ließ der Congreß durch seinen Präsidenten aus Anlaß der Beendigung seiner Arbeit die hohe Achtung vor dem Verdienste aussprechen, welches er sich bei verschiedenen Gelegenheiten erworben habe. Weniger freigebig war die Regierung mit Geld. Da St. nur ab und an Kleinigkeiten auf Abschlag erhalten hatte, war er davon ganz entblößt. Man bewilligte jetzt, nachdem er die Auszahlung außerordentlicher Beträge an seine Mitarbeiter beantragt hatte, auch ihm selbst 4000 Dollars, zog diese Summe aber später von seinem Gehalte ab.

Beim Heere wieder angelangt, zögerte er nicht, seine Lehren zu thatsächlicher Ausführung zu bringen. Besonders ließ er sich, in richtiger Würdigung der Beschaffenheit des Kriegsschauplatzes und eingedenk des Nutzens, welchen in den vorangegangenen Feldzügen die Riflemen gestiftet hatten, die Schaffung einer leichten Infanterie und ihre Verwendung im zerstreuten Gefechte angelegen sein. Es war dies die Kampfesweise, auf Grund deren demnächst die gesammte Infanterietaktik aller Heere umgestaltet wurde. Ferner lehrte er die Soldaten das Bajonnet gebrauchen. Außerdem fand er Gelegenheit, seine Kenntniß des Hofdienstes zu verwerthen, indem er die Förmlichkeiten angab, welche im Verkehr mit fremden Gesandten zu beobachten und anzuwenden waren; die Vertreter der Regierung, in dergleichen Dingen ganz unwissend, zogen St. zu Rathe, sobald ein solcher Fall sie, was häufig geschah, in Verlegenheit setzte. Während des Feldzuges von 1779 befehligte er eine Division in Neuengland, wo indessen kriegerische Unternehmungen von Bedeutung nicht vorfielen. Daneben übte er wieder seine Verpflichtungen als Generalinspector aus und erwarb als solcher die Anerkennung immer weiterer Kreise. Den Winter 1779/1780 brachte er in Philadelphia zu, um in Washington’s Auftrage auf eine zweckmäßigere Gliederung des Heeres hinzuwirken, als vorhanden war. Seine Sendung war von Erfolg begleitet. Die beantragten Neuerungen gelangten im Herbst 1780 zur Ausführung. Am Feldzuge dieses Jahres nahm St. wahrscheinlich in der Umgebung des Obergenerals Washington theil; wenigstens wird sein Name im dienstlichen Schriftwechsel in einer Weise genannt, welche auf seine Verwendung als Generalstabsofficier schließen läßt; ein Commando scheint er nicht geführt zu haben, dagegen entfaltete er eine große Thätigkeit als Generalinspector und als Organisator, besonders beschäftigte ihn die aufzustellende leichte Infanterie. Eine schwere Pflicht hatte er als Mitglied des Kriegsgerichts zu erfüllen, welches den englischen Major André, den Mittelsmann zwischen dem englischen General Clinton und dem verrätherischen amerikanischen General Arnold, zum Tode verurtheilte. Aus seiner für die Stärkung der Wehrkraft des Heeres so wichtigen und erfolgreichen Thätigkeit wurde er durch den Befehl gerissen, sich einem ganz anderen Wirkungskreise zu widmen. So ehrenvoll die Bestimmung für ihn war, so schädlich erwies sie sich für das Allgemeine; die Arbeit an der Heeresorganisation gerieth in seiner Abwesenheit ganz ins Stocken.

[146] Seine neue Bestimmung führte ihn auf den südlichen Kriegsschauplatz. Hier waren die Amerikaner unter General Gates von den Engländern unter Lord Cornwallis am 16. August 1780 bei Camden gänzlich geschlagen und Letzterer schickte sich an, gegen Virginien vorzudringen. General Greene, wol der fähigste unter den Heerführern der Vereinigten Staaten, wurde ausersehen, an Gates’ Stelle das Commando zu übernehmen, und St. erhielt den Auftrag, ihn zu begleiten. Greene sollte ihm ein angemessenes Commando geben und ihn zugleich als Generalinspector verwenden. Greene und St. waren befreundet und reisten Anfang November zusammen ab, Letzterer blieb dann, während Ersterer weiter nach dem Süden ging, in Richmond zurück. Er sollte Greene Verstärkungen und Zufuhr aller Art nachsenden. Es war eine kaum zu erfüllende Aufgabe, denn es fehlte an Allem; bei den Behörden fand St. wenig Entgegenkommen und bald nach seiner Ankunft wurde die Schwierigkeit seiner Lage noch dadurch vermehrt, daß der obengenannte, zum Feinde übergegangene General Arnold im Januar 1781 in den Staat Virginien einfiel. St. hatte keine Mittel, ihm Widerstand entgegenzusetzen und mußte ihm Richmond überlassen, Arnold ging aber kurz darauf freiwillig nach Portsmouth zurück. Die Bevölkerung und die Regierung des Staates verharrten in ihrer ablehnenden Haltung den Forderungen gegenüber, welche St. an sie richtete um die ihm gestellten Aufgaben erfüllen zu können. Gern hätte er Arnold in Portsmouth angegriffen oder sonst etwas im Felde unternommen, aber Schwierigkeiten aller Art, zumeist von der eigenen Seite ausgehend, banden ihm die Hände. Er mußte seine Zeit und Arbeit auf wenig fruchtbare Bemühungen zur Aufstellung von Truppen und ihr Einexercieren und um die Beschaffung von Bekleidung und Bewaffnung für sie verwenden. Auch für die Verstärkung, Verpflegung und Ausrüstung von Greene’s, in Carolina stehendem Heerestheile konnte er bei dem schmählichen Verhalten der meisten Landesbewohner und Obrigkeiten wenig thun. Mangel an Ordnung und Ehrlichkeit in der Verwaltung, Bestechlichkeit und Betrügereien schädigten überall. Als im April die Engländer von neuem in das Land einfielen, bestand St. mit seinen jungen Truppen bei Blandford am Appomatox ein Gefecht, welches, wenn er sich auch zurückziehen mußte, durchaus ehrenvoll für ihn war. Eine weitere Gelegenheit zur Thätigkeit im Felde gewährte ihm die Belagerung von Yorktown, wo Lord Cornwallis eingeschlossen war. Er bat um ein Commando und Washington übertrug ihm die Führung einer Division. Es war die combinirte Division von Virginien, Pennsylvanien und Maryland. Mit dieser eröffnete er am 11. October 1781 die zweite Parallele und vollendete sie am folgenden Tage. Er hatte auch die Ehre, in dem Augenblicke in den Laufgräben zu commandiren, in welchem Cornwallis die Uebergabe anbot und die Capitulationsverhandlungen eröffnete. Europäischem Kriegsbrauche gemäß durfte St. auf diesem Posten, welchen Lafayette gern eingenommen hätte, verbleiben, bis die englische Flagge gestrichen wurde. Washington, welcher während der Belagerung auch sonst seine Kenntniß vom Festungskriege und seine in letzterem im siebenjährigen Kriege gemachten Erfahrungen zu Rathe gezogen hatte, thut seines Namens in dem nach der Uebergabe erlassenen Heeresbefehle ehrenvolle Erwähnung.

Aber St. hatte nicht nur Freunde, sondern auch Feinde, nicht allein Bewunderer, sondern noch mehr Neider. Seine uneigennützige Bestimmtheit und seine rücksichtslose Energie, welche bei seiner heftigen, aufbrausenden Gemüthsart nicht selten in wenig angemessener Form zum Ausdrucke kamen, hatten ihm viele Gegner gemacht, die ihn zu verderben trachteten. Dazu gesellten sich das Mißtrauen und die Eifersucht, welche durch seine Eigenschaft als Fremder wachgerufen waren. Im Sommer 1781 traten seine Widersacher mit einem offenen Angriffe gegen ihn hervor, indem sie ihm vorwarfen, beim Einfalle der Engländer [147] diesen ohne Noth Magazine überlassen zu haben. Die gesetzgebende Versammlung von Virginien verlangte von Lafayette, der den Oberbefehl geführt hatte, daß er von den ihm unterstellt gewesenen Generalen eine Erklärung über den Verlust der Magazine von Point of Fork fordere. Damit war St. gemeint. Dieser drang auf Untersuchung. Es gelang ihm aber nicht, eine solche zu veranlassen. Er mußte sich mit anerkennenden Schreiben begnügen, in denen seine Vorgesetzten die von ihm beobachtete Haltung als durchaus richtig und den Verhältnissen angemessen bezeichneten. Nach dem Falle von Yorktown kehrte er mit dem Haupttheile des Heeres nach dem Norden zurück und übernahm wieder seine Obliegenheiten als Generalinspector des Heeres. Erst jetzt gelang es ihm durchzusetzen, daß der Congreß Bestimmungen für die Stellung des letzteren erließ, wie er selber sie von vornherein als die allein zweckentsprechenden vorgeschlagen hatte. Es geschah am 10. Januar 1782. St. ward auf seinem Posten belassen und fuhr fort, sich Washington’s ganze Zufriedenheit zu verdienen. Noch an demselben Tage, an welchem dieser sein Amt als Oberbefehlshaber niederlegte, am 23. December 1783, sprach er St. seine Zufriedenheit und seinen Dank für die geleisteten Dienste in einem längeren Briefe aus; Anerkennungsschreiben, welche letzterer von anderen Generalen empfing, beweisen, daß diese Washington’s Ansicht vollkommen theilten. – Am 19. August 1788 wurde dem Heere Nachricht von der Einstellung der Feindseligkeiten gegeben. Dann folgte die Auflösung der Truppen. Zunächst aber unternahm St. in Washington’s Auftrage noch eine Reise nach Canada, deren Zweck die Grenzberichtigung war; sie führte zu keinem Ergebnisse. – St. hatte sich Hoffnung gemacht, jetzt zum Kriegsminister ernannt zu werden. Sie ging nicht in Erfüllung. Er sei ein Ausländer und einem Fremden dürfe eine so wichtige Stellung nicht übertragen werden. Daß er der Meistbefähigte war sie auszufüllen, ward nicht bestritten. Am 24. März 1784 reichte er daher sein Entlassungsgesuch ein. Am 15. April ward es genehmigt. Gleichzeitig beschloß der Congreß, ihn durch das Geschenk eines Ehrendegens mit goldenem Gefäße auszuzeichnen. – St. trat nun in das Privatleben zurück. Aber statt dieses in Ruhe genießen zu können, mußte er in einen neuen Kampf eintreten. Es war der Kampf um das Dasein, der ihm dadurch erschwert wurde, daß er ein schlechter Haushalter war. Schon während des Krieges hatte er ihn, wie wir gesehen haben, führen müssen. Von regelmäßiger Soldzahlung war nie die Rede gewesen und nur selten war ihm geglückt, Abschlagszahlungen zu erhalten, mit denen er die nothwendigsten Ausgaben bestreiten konnte. Er bezifferte jetzt die Forderungen, welche stellen zu dürfen er auf Grund der vom Congreß bei seinem Eintritte in den Dienst ihm freiwillig angebotenen Bedingungen sich berechtigt glaubte, auf 62 535 Dollars. Nach langen Verhandlungen, während deren er mit bitterer Noth zu kämpfen hatte, ward ihm am 4. Juni 1790 eine vom 1. Januar des nämlichen Jahres an zahlbare Rente von 2500 Dollars jährlich zugebilligt. Steuben’s Kameraden ehrten ihn dadurch, daß sie ihn zuerst zum Vicepräsidenten, dann zum Präsidenten der von ihnen gebildeten Cincinnatusordens-Gesellschaft wählten. Die Staaten Pennsylvanien, Virginien, New-Jersey und New-York machten ihm Landschenkungen. Auf einer derselben, in Oneida County im Staate New-York belegen, siedelte er sich, nachdem ihm die obenerwähnte Jahresrente zugebilligt war, an; im Winter lebte er in New-York, wo er eine sehr angesehene Stellung einnahm, und betheiligte sich lebhaft an allen öffentlichen Angelegenheiten, namentlich an den militärischen Tagesfragen, welche brennend werden zu wollen schienen, als 1794 neuer Krieg mit England drohte. Am 28. November 1794 machte ein Schlaganfall seinem Leben ein Ende. Er starb auf seiner Farm in Oneida.

St. war eine stattliche und vornehme Erscheinung, von militärischer Haltung, [148] lebhaft, sanguinisch, rasch im Denken und Handeln, offen, freundlich und freigebig, aufbrausend und heftig. Er starb unverheirathet. Sein Vermögen, in den ihm gemachten Landschenkungen bestehend, vermachte er, soweit er letztere nicht bereits selbst weggeschenkt hatte, zwei ehemaligen Adjutanten, Benjamin Walker und William North; seine Verwandten, an denen er, seit er in Amerika war, wenig Freude erlebt hatte, schloß er, wie sein letzter Wille sagt aus vollwichtigen Gründen, von der Erbschaft aus. – Als am 19. October 1881 die hundertjährige Wiederkehr desjenigen Tages festlich begangen wurde, an welchem der Fall von Yorktown den Kampf um die Geschicke der Union entschieden hatte und der Grund zur politischen Selbständigkeit der Vereinigten Staaten gelegt worden war, luden letztere die Steuben’s Namen tragenden Angehörigen des preußischen Heeres zur Theilnahme an der Feier ein, so deren bedeutendstes Familienmitglied noch im Grabe ehrend. – Brachvogel hat St. zum Helden eines Romans „Der Adjutant des Königs“ gemacht.

Leben des Amerikanischen Generals Friedrich Wilhelm v. Steuben von Friedrich Kapp. Berlin 1858. (Mit Steuben’s Bilde.)