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Artikel „Steuben, Karl“ von Leopold von Pezold in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 148–149, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steuben,_Karl&oldid=- (Version vom 20. Dezember 2024, 07:16 Uhr UTC)
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Steuben: Karl (Charles) St. war zwar im badischen Lande geboren (1788), gehörte aber nach seiner Entwicklung der französischen Kunst an. Der Vater nahm den Knaben früh von Bauerbach im Amte Bretten nach Petersburg mit und sandte ihn dann zu künstlerischen Studien zu François Gérard nach Paris. Gérard stand damals auf der Höhe des Ruhmes. Wie seine älteren Zeitgenossen sich an den Vorgängen und Personen der Revolution zu künstlerischem Schaffen begeisterten, so fand er in Bonaparte’s Familie wie in den Generalen des Consulats, endlich in dem eben erst vom Papste gekrönten Kaiser Napoleon die Originale für seine Porträtkunst und in dem Ruhme der Gemalten Erhöhung des eigenen Ruhmes. In Gérard’s Werkstatt mußte auch der junge St. zum Napoleoncultus herangezogen werden, dem später ein großer Theil seines Schaffens gewidmet war. Vorerst wirkten noch Petersburger Anregungen auf den jungen Künstler: sein erstes Bild (1812) stellte eine Episode aus dem Leben Peter’s des Großen dar, der auf dem Ladogasee, von einem Sturm überfallen, selbst das Steuer des Boots ergreift. Der pathetische Schwung der Bewegung entsprach der gespannten und gereizten Stimmung in Frankreichs Hauptstadt: das Bild erregte ungewöhnliches Aufsehen. Noch mehr gesteigert erscheint das Pathos in „Tells Sprung“ aus dem Boote (1822), einfacher dagegen der „Schwur auf dem Rütli“. Dagegen tritt der Einfluß David’s wieder stärker in dem zweiten großen Gemälde aus der russischen Geschichte: „Die Zarin Natalie schützt ihren Sohn Peter vor Strelitzen“ hervor (1824). Packende Stoffe und entscheidende Momente großer Actionen zu wählen, war Steuben’s besondere Gabe. Er bethätigte dieselbe auch an einer Reihe von Gemälden aus der französischen Geschichte, die er im Palais Royal wie in Versailles auszuführen hatte. So Napoleon bei Waterloo, desselben Rückkehr von Elba, endlich dessen Tod. Der napoleonischen Legende sind dann noch mehrere spätere Bilder gewidmet, die er bei seinem zweiten Aufenthalt in Petersburg malte. Denn dorthin kehrte er (1841) zurück, nachdem er noch ein großes Deckenbild im Louvre (Heinrich IV. nach der Schlacht von Jvry), einige romantisch-zierliche und einige biblische Erzählungen (u. a. Potiphar) im Stile der Zeit gemalt hatte. Meist aber waren es große Familienporträts, die ihn in Petersburg beschäftigten: nicht von besonders geistreicher Auffassung, doch nicht ohne Leben, glatt in der Ausführung, grell im Licht, undurchsichtig im Schatten. Doch genoß er in Petersburg als Künstler noch großen Ansehens, als sich die neuere Kunst daselbst schon größerem Realismus und anderer Malweise zuzuwenden begann. – Dank den Vervielfältigungen seiner Napoleonsbilder (von Jazet, Maier, Migneret u. A.) ist St. dort überall [149] wohlbekannt, wo die napoleonische Legende besonders feste Wurzel geschlagen hatte oder neu einwurzeln sollte, so in einem Theile der Schweiz, im badischen Schwarzwald, im Elsaß, in der Rheinprovinz. Auch die Schweizer Bilder haben ihr natürliches Gebiet der Verbreitung gefunden, die beiden Petersbilder trifft man oft in Rußland in Lithographie und Aquatinta. So war es St. beschieden, einen gewissen Patriotismus in drei Ländern zu schüren, von denen keines sein Vaterland war. Er starb 1858.