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Artikel „Stamm, Theodor“ von Anton Schlossar in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 433–434, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stamm,_Theodor&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 01:36 Uhr UTC)
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Stamm: Theodor St., Pseud. für Theodor Graf Heusenstamm, österr. dramatischer, epischer und lyrischer Dichter, wurde als Sohn des niederösterr. Regierungsrathes Graf Franz Heinrich v. Heusenstamm am 12. März 1801 zu Wien geboren, er genoß eine vortreffliche Erziehung und wies frühzeitig hervorragendes poetisches Talent auf. Ohne, wie es scheint, einen bestimmten anderen Beruf erwählt zu haben, beschäftigte sich Graf Theodor Heusenstamm, nachdem er die Universität absolvirt hatte, mit den schönen Künsten, mit Musik und Malerei, und unternahm bis in sein spätes Alter Studien- und Kunstreisen nach Deutschland, Frankreich und Italien, wobei er mit den hervorragendsten Persönlichkeiten auf dem Gebiete der Künste und Wissenschaften in häufige Berührung kam. In Wien selbst verkehrte er nur mit einem kleinen auserwählten Kreise künstlerisch feingebildeter Personen; zuletzt lebte Graf Heusenstamm daselbst einsam und von der Welt gänzlich zurückgezogen. Er starb zu Wien am 24. Mai 1889.

St.-Heusenstamm hat sowol auf lyrischem als auch auf epischem und dramatischem Gebiete eine Zahl überaus beachtenswerther Werke herausgegeben. Eine Sammlung „Gedichte“ von ihm erschien 1845, außerdem veröffentlichte er Poesien unter dem Titel „Im Abendstrahl“ (1879, 2 Bde.) und lyrische Gedichte auch in seinem letzten Werke: „Maske und Lyra“ (1886). Sowol in der Form als auch dem Inhalte nach sind diese Dichtungen von Bedeutung und überragen an Werth viele gleichzeitige Poesien; edle Gedanken und eine oft glänzende Diction zeichnen Heusenstamm’s Verse besonders aus, welche in jeder Richtung den Charakter des gereiften Talentes aufweisen. Heusenstamm’s erste größere selbständig erschienene Veröffentlichung war der Roman „Schattenrisse aus Giulio’s Leben“ (1832), welcher schon viel künstlerische Anlage verräth. Ein episches Gedicht „Hesperus“ (1844) zeigt Anklänge an die Romantik und eine allerdings dürftige Handlung, ist aber auch reich an poetischen Stellen mit dichterischer Vertiefung. Sowol durch die dramatische Anlage als auch durch die kräftige Sprache ragen die Bühnenstücke Heusenstamm’s hervor. Der Dichter wählt mit Vorliebe Stoffe aus der mittelalterlichen Geschichte südlicher Gegenden zum Vorwurfe seiner Dramen. Das dramatische Gedicht „Ein weibliches Herz“ (1842) wurde schon 1839 zur beifälligen Aufführung gebracht. Es bietet eines fesselnde Episode aus der Geschichte Spaniens um 1420 und leidet zwar an großer Länge sowie an starkem Hervortreten lyrischen Elementes, zeichnet aber [434] in geschickter Weise die Charaktere insbesondere der zwei weiblichen Hauptpersonen. Das phantastische Lustspiel „Die wunderlichen Pilger“ ist weniger für die Bühne berechnet. Dagegen ist die Tragödie „Ein guter Bürger“ aus der früheren Geschichte Neapels dramatisch lebendig gehalten, die edlen Figuren Stefano’s sowie des Herzogs Theodor treten überaus wirksam hervor. Das Drama „Der Virginier“ spielt in der modernen Zeit um 1830 und hat den Sklavenkampf in Virginien zum Gegenstande. Die Gewandtheit des Verfassers zeigt sich auch hier in der Behandlung der Situation sowie der Hauptpersonen des fünfactigen Stückes. Heusenstamm war auch Mitarbeiter des Hormayr’schen „Archivs“ um 1828 sowie der trefflichen „Sonntagsblätter“ von L. A. Frankl zwischen 1842 und 1847.

Wurzbach, Biogr. Lex. VIII bietet nur dürftige Daten. – Eine kurze Biographie des leider ganz vergessenen Dichters in Eisenberg und Groner’s Lexikon: Das geistige Wien (1890) S. 382. – Ferner vgl. Brümmer, Lex. der deutsch. Dichter u. Pros. des 19. Jahrh. I.