ADB:Sophie (Erzherzogin von Österreich)
*), wurde dem letzten Kurfürsten und ersten Könige von Baiern, Maximilian Josef, von seiner zweiten Gemahlin Friederike Karoline von Baden-Hochberg am 27. Jan. 1805 zu München geboren. 1824 vermählte sie sich mit Erzherzog Franz Karl, dem Bruder des nachmaligen Kaisers Ferdinand I. Die Hochzeitsfeier war auf den 18. October, als Gedächtnißtag der Schlacht bei Leipzig, angesetzt, mußte aber wegen Erkrankung der Mutter der Braut auf den 4. November verlegt werden. Oesterreich baute auf diese Ehe große Hoffnungen. Sophie imponirte Jedermann durch ihre hohe edle Gestalt und den frischen Geist. Metternich, selbst eine stattliche Erscheinung, macht die Anmerkung: „Die Braut ist größer als ich, eine schöne Erscheinung und mehr noch als das, sie ist einnehmend.“ (Aus Metternich’s nachgelassenen Papieren 1880 ff. IV, 112.) Herzog Ernst II. kleidet sein Urtheil in die Worte: „Die geistvolle Sophie brachte in die nüchterne lothringische Welt ein gährendes Element.“ (Aus meinem Leben 1887 ff. I, 50.) Als sich die niederöstereichischen Stände vorstellten, sprach sie Worte, welche den festen offenen Charakter verriethen.
Sophie Friederike Dorothea, Erzherzogin von Oesterreich1830 begann die lang gehegte Hoffnung auf Nachkommenschaft sich zu erfüllen. Sophie erfreute am 18. August ihren Gemahl durch die Geburt des Ehz. Franz Josef, dem am 6. Juli 1832 Ferdinand Max, am 30. Juli 1833 Karl Ludwig, am 27. October 1835 Marianne, am 15. Mai 1845[WS 1] Ludwig Victor als Geschwister folgten. Die Freude verbreitete sich über ein Kaiserreich. Erzherzogin Sophie konnte nun ihre Familientugenden zur Entfaltung bringen. Sie zeigte sich als die beste Mutter, welche ganz ihren Kindern lebt. Melanie, die Gemahlin des Staatskanzlers Metternich, mußte wiederholt die Kinder anschauen kommen und notirte sich in ihr Tagebuch: „Die Erzherzogin fühlt sich so glücklich in Gesellschaft ihrer Kinder, daß der Anblick einem wohlthut“ (Metternich l. c. V, 418.) Als Marianne zum Tode erkrankte, „verließ sie die Mutter keinen Augenblick und gestattete nicht, daß jemand anderer ihr die letzte Wartung angedeihen ließ“ (l. c. VI, 371). Wie die Prinzen heranwuchsen, improvisirte Sophie mit ihnen für den höchsten Familienkreis Feste: Lebende Bilder, Theaterstücke, Lotterien, Singabende. Fast täglich sah man auf der Bastei die hoffnungsvollen Kinder Arm in Arm vor den glücklichen Eltern einhergehen und jeden Gruß der Vorübergehenden schön erwidern. Den Unterricht leitete und überwachte die Mutter sehr sorgfältig; sie bestellte die Lehrer, u. a. den späteren Cardinal Rauscher, wohnte häufig persönlich dem Unterricht bei, lobte und ermahnte. Zu verschiedenen Anlässen gab Sophie ihren heranblühenden Prinzen schriftliche Unterweisungen. Jedem legte sie zur Feier der ersten heiligen Communion ein Blatt mit liebreichen Ermahnungen ins Betbuch, unter denen gewiß die eine nie fehlte: „Sei ein guter Unterthan“. Besonders herzlich und innig war auch ihr Verhältniß zu ihrer Schwester und Schwiegermutter, der Kaiserin-Mutter (Karolina Augusta, Die Kaiserin-Mutter, 1893, S. 120 f., 195, 204.)
Volksgunst ist Wind, der leicht umschlägt; stellt sich ihm ein Hinderniß, so verdoppelt er zürnend den Anprall. Auch Erzherzogin Sophie erfuhr 1848 statt der bisherigen Liebe den Haß des Volkes. Der Wiener Reichstag verlangte im October in einem Athem Amnestie für die Mörder Latour’s und Landesverweisung der Erzherzogin Sophie. Am Granitfelsen bricht sich endlich auch der furchtbarste Sturm; so machte die Revolution schließlich vor der Charakterfestigkeit der Erzherzogin Sophie Halt. Denn wenn auch vielleicht die Anschauung, [773] daß die drei königlichen Schwestern Elisabeth, Sophie und Marie, von denen jene die Gemahlin Friedrich Wilhelm’s IV. von Preußen, diese die Frau des Königs Friedrich August von Sachsen war, Europa regiert hätten (Ernst II. von S.-Coburg, Aus meinem Leben II, 23. 53. 183), etwas sich überschlägt, das ist gewiß, daß Erzherzogin Sophie eine politische Frau war und insbesondere 1848, als Männer zagten und zauderten, muthvoll und im festen Vertrauen auf Gott gehandelt hat. (Vgl. Helfert, Geschichte Oesterreichs vom Ausgange des Wiener Octoberaufstandes 1869 ff. I, 4; II, 36; III, 35. 330. 392. 458.) Mitten unter den Schrecken der Märzbewegung schrieb sie an Metternich, zehn Tage nach seiner Abdankung und Flucht, französisch einen Brief, welcher zu charakteristisch ist, als daß wir ihn nicht in Uebersetzung geben sollten. „Zürnen Sie mir nicht, mein lieber Fürst, daß ich sie mit einigen Zeilen belästige, welche einzig einem Bedürfnisse meines Herzens entsprungen, Ihnen sagen wollen, wie sehr ich Sie liebe und verehre, wie sehr ich Ihnen dankbar bin für alles Gute, Große, Unaussprechliche, was unser armes Oesterreich Ihnen schuldet, wie sehr ich Ihnen danke für das Gute, das Sie meinem Sohne während des letzten Winters erwiesen haben, indem Sie seinen Ideen und Gefühlen eine so gute Richtung gaben. Wenn Sie ihn gesehen hätten, dieses liebe Kind, als am Abende des 13. d. allzu weitgehender Edelmuth und Zartsinn Sie veranlaßte, uns zu verlassen, wenn Sie ihn da gesehen hätten, wie er zu mir kam voll Verzweiflung und unter dem Eindrucke dieses für die Monarchie so entscheidenden Augenblicks, dann hätten Sie wenigstens einen Moment der Genugthuung und Rührung empfunden. Mein armer Franz war mein einziger Trost in unserer Noth; inmitten meiner Aengsten und Bedrängnisse habe ich dem Himmel gedankt, daß er ihn mir so gegeben hat wie er ist. Sein Muth, seine Entschlossenheit, seine Auffassung und sein Urtheil sind weit über sein Alter und könnten uns beinahe hoffen lassen, daß der liebe Gott ihm eine Zukunft geben wird, da er ihm die Eigenschaften gegeben hat, welche nothwendig sind, um alle Wechselfälle zu ertragen. Ach, wenn ich Sie nur wieder sehen und Ihnen sagen könnte, wie sehr wir Sie lieben und mit Ihrer armen Melanie weinen, deren Pein und Kummer ich so lebhaft mitempfinde. Möge der liebe Gott ihr beistehen und ihr heroischen Muth geben, damit sie ohne Murren all die Leiden ertrage, welche auf ihr armes Herz gehäuft sind.
„Alles was noch einen Rest edlen und hohen Sinnes hat, spricht von Ihnen, mein lieber Fürst, mit Hochachtung, Verehrung und Bedauern, und wenn man zu mir solche tröstende und erquickende Worte spricht, so freue ich mich darüber wie über eine Wohlthat, die mir erwiesen wird. Mein armer Gemahl beauftragt mich, Ihnen tausenderlei Schönes zu sagen; auch er hat viel gelitten, als er in seinem lieben Wien eine Revolution ausbrechen sah, wo er sie für unmöglich gehalten hätte. Aber auf wen kann man denn heutzutage noch zählen! Möge die Vorsehung Erbarmen mit uns haben; flehen wir sie mit Inbrunst an. Ich glaube nicht, daß sie diejenigen verlassen kann, welche sie immer in Demuth und lebendigem Glauben angebetet haben. Beten auch Sie für uns, mein lieber Fürst, und segnen Sie aus der Ferne meinen armen Franz; dieser Segen wird ihm Glück bringen. Bewahren Sie mir Ihr Angedenken und glauben Sie an das ebenso lebendige als unerschütterliche Wohlwollen Ihrer ergebenen Sophie.“ (Metternich, l. c. VIII, 11** ff.)
Edel fromm nahm Erzherzogin Sophie im bittersten Leid zur Religion ihre Zuflucht. Sie opferte nach Maria Zell ein Kreuz mit Aufschrift aus den Improperien: „Mein Volk, was habe ich dir gethan“ und übersah jegliche Unbill. Das österreichische Volk widerstand der Liebe der Mutter seines Kaisers nicht, erwiderte sie vielmehr lebhaft; schon die silberne Hochzeit 1849, 4. Novbr., [774] feierte es in lebendiger Theilnahme mit. Zu diesem Feste erschienen alle Schwestern unserer Erzherzogin, auch Elisabeth, die Königin von Preußen. Ein gesegneter Augenblick, in dem die ersten Anknüpfungspuncte zur Hebung der eingetretenen Irrungen zwischen den beiden mächtigsten deutschen Fürstenhöfen gefunden wurden. Erzherzog Max hatte den sinnigen Einfall, der Mutter ein Gebetbuch zu geben, in welchem nach seinen Angaben die besonders glücklichen Momente ihres Lebens malerisch festgehalten waren; es waren ihrer 25. Man sagt, e8 habe sich ohne jede Verabredung ergeben, daß die Schwestern den ganz gleichen Gedanken ausführten und keine Wiederholung in den beiden Arbeiten sich fand. Also doch ganz glückliche Lebensmomente!
Wahrhaft edles Herz und hohe Gesinnung offenbaren die Briefe der Erzherzogin an Radetzky. Am 22. April 1848 empfahl sie ihm ihren ältesten Sohn Erzherzog Franz Josef also: „Mein theuerstes, mein Herzblut übergebe ich Ihren treuen Händen! Leiten Sie mein Kind auf Ihrer Bahn – so geht er gut und mit Ehren – seien Sie ihm ein guter Vater – er ist dessen werth – denn er ist ein braver, ehrlicher Junge, und seit seiner Kindheit mit Leidenschaft dem Soldatenstand ergeben. – Doch soll seine Gegenwart ja nicht störend für Sie sein; sein Vater wünscht, daß Sie über ihn verfügen, wie es Ihnen gut dünkt, und ihn dem Feldmarschalllieutenant Grafen Wratislaw beigeben möchten. Mein Sohn wird Ihnen sagen, wie innig und tief ich Ihren und Ihrer Truppen Ruhm und treue Tapferkeit empfinde und bewundere – wie in dieser an seltenen Männern so armen Zeit ich mich an Ihrer hervorragenden Persönlichkeit erfreue und stolz darauf bin, daß Sie uns angehören! – Diese Worte sind keine hohlen Phrasen – seien Sie dessen überzeugt, sie sprechen das innigste Gefühl eines dankbaren Herzens aus – und was ich nicht fühle, kann ich nicht sagen! Gott sei mit Ihnen, Herr Feldmarschall, und segne den Muth und die Ausdauer Ihrer tapfern Armee – dies ist mein inniger Wunsch – mein heißes Gebet! Einst hoffe ich zu erreichen, wonach ich mich schon längst sehne – nämlich Ihre werthe Bekanntschaft zu machen, und Ihnen mündlich zu versichern, wie sehr ich Sie verehre!“ (Duhr, Radetzky-Briefe S. 81 f., 132, 177 f.)
Allmählich hörte das Gewitter auf, doch lagerte über den Völkern und dem Throne des großen Habsburgerreiches noch manche Unheil drohende Wolke. 1849 hatte die Erzherzogin Sophie verschiedene Warnungen erhalten, sie möge um das Leben des Kaisers besorgt sein, da Uebelgesinnte namentlich gelegentlich der Frohnleichnamsprocession einen Handstreich beabsichtigten. Sie that dies, wie natürlich, nicht! Dennoch mußte sie sich beunruhigt fühlen. Als sich am 18. Febr. 1853 in Oesterreichs Hauptstadt wider den Kaiser eine Mörderhand erhob, gab die kaiserliche Mutter dem Retter Grafen Maximilian O’Donell einen Türkisring mit blutgetränkten Haaren des Geretteten und der Umschrift: „Gott vergelt es Dir!“ Die Kriege der Jahre 1859 und 1866, der schreckliche Tod des geliebten Max im fernen Mexiko (19. Juni 1867), die Umwälzungen auf religiösem und politischem Gebiete, welche in Oesterreich viel schrecklichere Verheerungen anrichteten als die lärmende Revolution des Jahres 1848, brachten dem patriotisch, mütterlich und religiös warmfühlenden Herzen der Erzherzogin Sophie Wunden bei, für die es eine Heilung nicht gab. Als der Sarg des unglücklichen Kaisers Max am 17. Jan. 1868 in die Kammercapelle gebracht worden war, kam die Mutter, nachdem die Capelle geschlossen war und alles sich entfernt hatte, über die innere Stiege in die Capelle hinab, um am Sarge des heißgeliebten Sohnes zu beten und zu weinen. (Die Kaisergruft. Mit Plan und Abbildungen, 1887, S. 333.) Auch den Schmerz über den Uebergang des deutschen Kaiserscepters, den ein halbes Jahrtausend Herrscher aus dem Hause Oesterreich geführt hatten, an Preußen, verwand Erzherzogin Sophie nie, ebensowenig [775] als die stolze Maria von England den Verlust Calais’ je verschmerzt hat. Als im Sommer 1871 ein Besuch des deutschen Kaisers in Ischl angesagt wurde, verließ Erzherzogin Sophie rasch den ihr so lieben Sommersitz. Daß ihr zu früher Tod und die Todesart mit diesen Stößen in’s Herz im Zusammenhange stehen, zeigt die Sterbegeschichte der hohen Frau. (Kaisergruft, S. 337–341.)
Dagegen war jetzt die Liebe des Volkes zur Mutter seines Kaisers inniger als je. Insbesondere der Wiener blickte mit unbegrenzter Verehrung auf die Erzherzogin Sophie. Was immer bedeutenderes geschehen mochte, das erste war, daß man fragte, was wird die Erzherzogin Sophie dazu sagen; man wollte immer zuerst wissen, welchen Eindruck es auf sie gemacht, wie sie sich benommen. Diese Liebe des Volkes war der Tribut der Ehrfurcht vor dem makellosen Charakter, der religiösen Weihe, der wahrhaft kaiserlichen Mildthätigkeit der Erzherzogin. Sophie starb am 28. Mai 1872. Die Trauerrede zu den Exequien am 3. Juni hielt Hofcaplan Marschall; sie wurde gedruckt.
[772] *) Zu Bd. XXXIV, S. 686.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Korrekt ist 1842, 1840 wurde ein weiterer Sohn tot geboren.