ADB:Seyfried, Heinrich Wilhelm

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Artikel „Seyfried, Heinrich Wilhelm“ von Elisabeth Mentzel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 111–113, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Seyfried,_Heinrich_Wilhelm&oldid=- (Version vom 8. Oktober 2024, 19:33 Uhr UTC)
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Seyfried: Heinrich Wilhelm S., geb. zu Frankfurt a. M. am 28. Juli 1755 als ältester Sohn eines angesehenen Advocaten. Ueber Seyfried’s Ausbildung bis zu seinem Abgange auf die Universität fehlen bis jetzt verbürgte Nachrichten, da er jedoch bereits in jugendlichem Alter ein umfangreiches Wissen besaß, muß ihm sowohl gründlicher Unterricht als mannigfache häusliche Anregung zu theil geworden sein. Das buntbewegte Leben und Treiben in der alten Reichsstadt Frankfurt trug zweifellos auch viel dazu bei, seiner Bildung ein universelles Gepräge zu verleihen. Von Jugend auf hatte S. eine lebhafte Vorliebe für Litteratur und Kunst, besonders aber für das Theater. Da in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts bedeutende Wandertruppen in Frankfurt a. M. spielten, war ihm die beste Gelegenheit geboten, seine Neigung zu befriedigen. Der häufige Besuch des Theaters regte Seyfried’s lebhafte Phantasie ungemein an und blieb nicht ohne Folgen für seine spätere Wirksamkeit. Auf Wunsch der Eltern studirte er am Ende der siebziger Jahre in Göttingen Jura, ein Fach, dem er nicht die geringste Theilnahme entgegenbrachte. So kam es, daß der junge Mann in Göttingen alles andere eher betrieb als juristische Studien. Bereits in Göttingen muß S. den Entschluß gefaßt haben, die eingeschlagene Laufbahn zu verlassen und zum Theater zu gehen. Doch dies Vorhaben scheiterte an dem Widerstande des Vaters, dessen Wunsch es war, daß sein ältester Sohn sich, wie er selbst, als Jurist dem Dienste der Vaterstadt widmen möge. Entweder 1779 oder 1780 kehrte S. nach Frankfurt zurück, um sich in seinem Fache praktisch weiter auszubilden. Allein die Leidenschaft für das Theater machte ihn auch hier seinem Berufe untreu und trieb ihn zu verschiedenen Handlungen, mit denen seine Eltern keineswegs einverstanden waren. In jener Zeit entwarf er den Plan, eine „Allgemeine kritisch theatralische Bibliothek für Deutschland“ herauszugeben. Von diesem Werke erschienen 1783 der I. und der II. Theil unter dem Titel „Mein theatralisches Tagebuch für Deutschland“. Anfangs der achtziger Jahre begründete S. auch ein Liebhabertheater, er schrieb eine Anzahl Stücke in Sachsenhäuser Mundart für dasselbe und gab ferner gemeinsam mit dem Hofrath Philipp Jakob Rühl 1780 und 81 die „Frankfurter Beiträge“, eine Zeitschrift „zur Ausbreitung nützlicher Künste und Wissenschaften“ heraus. Die Frankfurter Dilettantenbühne wurde für S. eine Vorbereitungsschule für seinen künftigen Beruf. Als dieselbe 1783 eingegangen war, verließ er die juristische Laufbahn, um Schauspieler zu werden. Er wünschte bei der Großmännischen Truppe, die seit September [112] 1782 im neuerbauten Frankfurter Komödienhause spielte, einzutreten, konnte aber wegen einer Verordnung des Raths, nach welcher Frankfurter Bürgerkinder die vaterstädtische Bühne nicht betreten durften, diese Absicht erst nach Ueberwindung verschiedener Hindernisse ausführen. Am 6. Mai 1783 trat er als Schauspieler und Theaterdichter in den Verband der Großmännischen Gesellschaft und debütirte noch am selben Tage als Jude Israel in dem Lustspiel „Der Diamant“. Ungefähr zwei Jahre blieb S. bei der Großmännischen Gesellschaft und entfaltete während dieser Zeit eine vielseitige schriftstellerische Thätigkeit. Damals schrieb er auch den „Entwurf einer Geschichte der Frankfurter Schauspielkunst“, der wohl, wie manches dramatische Werk Seyfried’s, nie gedruckt wurde und deshalb verloren ging. Ausführliche Nachrichten über seine Wirksamkeit bei der Großmännischen Truppe fehlen bis jetzt, doch wäre deren Auffindung um so wichtiger, als S. damals zweifellos mit Schiller in Verbindung stand, dessen Jugendwerke von 1783–85 viel in Frankfurt gegeben wurden. Mit seinem berühmten Landsmann Goethe war S. befreundet. Er bewunderte den Verfasser des „Götz von Berlichingen“, der ihn „seines Umgangs würdigte“, und sah in ihm einen zweiten Shakespeare. Auch Seyfried’s Beziehungen zu Goethe, die auf gegenseitigem Verständniß beruht zu haben scheinen, harren, wie manche dunklen Abschnitte im Leben und Wirken des ersteren, noch weiterer Aufklärung. – Im Jahre 1785 war S. Theaterdichter der Kessel’schen Gesellschaft, Ende der achtziger Jahre und im darauf folgenden Decennium lebte er als privatisirender Gelehrter bald zu Braunschweig, bald zu Berlin. Hier gab er theils in Gemeinschaft mit anderen Schriftstellern verschiedene Blätter, unter anderen die periodische Wochenschrift „Berliner Blau und Roth“ heraus. – Nach einem bewegten Leben starb S. im besten Mannesalter am 20. April 1800 zu Braunschweig. Eine beträchtliche Anzahl von Seyfried’s Werken kam in Buchform heraus, außer diesen Arbeiten erschienen viele theatralische, historische politische, moralische und litterarische Aufsätze von ihm in den Gothaer „Theaterkalendern“, im Gothaer „Theaterjournal für Deutschland“, in den „Frankfurter Beiträgen“ in der „Olla Potrida“ und mehreren anderen Zeitschriften. Auch ist S. der Verfasser vieler Theaterreden, Gelegenheitsgedichte, Vorspiele und Abhandlungen über frühere Bühnenepochen und neu aufgeführte Stücke. Wie mehrere pamphletartige Schriften Seyfried’s bezeugen, besaß er eine starke satirische Ader und großen Scharfblick für Mängel und Fehler auf dem Gebiete der Kunst. Seine dramatischen Arbeiten sind heute verschollen; sie bewegen sich in den Gleisen der damaligen Richtung, sind aber nicht weniger bühnenwirksam wie die Stücke der damals beliebtesten Autoren. Besonders wichtig für die Weltanschauung Seyfried’s ist ein im Jahre 1782 in Frankfurt erschienenes Werk, das den Titel führt „Spiegel ohne Quecksilber, in welchem alle diejenigen, welche hinein sehen, doch ihr eigenes Bild finden können“. Das Buch soll „ein kleiner Beitrag zur Geschichte der Menschheit“ sein, liefert aber zugleich einen Beweis für das schriftstellerische Talent, die Urtheilskraft und die seltene Lebenskenntniß seines jungen Verfassers.

Bezügliche Acten des Frankfurter Stadtarchivs. – H. Schmidt und Mehrings „Neuestes gelehrtes Berlin“ II. – J. G. Meusel, Lexikon der vom Jahre 1750–1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller XIII. – Schriften von H. W. Seyfried. – Frankfurter Beiträge zur Ausbreitung nützlicher Künste und Wissenschaften III. Frankfurt 1780–81. – Olla Potrida, 22 Jahrgänge, 1778–1800. – Theaterkalender, hsg. v. Reichard, XXIV, 1775 bis 1800. – Theaterjournal für Deutschland, hsg. v. Reichard, 22 Hefte, 1777–84. – J. Peth, Geschichte des Theaters und der Musik in Mainz. – E. Mentzel, Geschichte der Schauspielkunst in Frankfurt a. M. – E. Mentzel, [113] Schiller’s Jugenddramen zum erstenmale auf der Frankfurter Bühne, Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst III, 3. Folge.