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Artikel „Schutzbar, Wolfgang“ von Heinrich Reimer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 136–137, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schutzbar,_Wolfgang&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 17:47 Uhr UTC)
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Schutzbar: Wolfgang S., gen. Milchling, geb. etwa 1490 in Treys. Er entstammte einer althessischen Adelsfamilie, welche in engen Beziehungen zur Reichsburg Friedberg stand. Wir wissen nicht, wann er in den Deutschen Orden trat, können aber annehmen, daß er schon längere Zeit der Ballei Hessen angehörte, als er im J. 1529 zum Landcomthur derselben erwählt wurde. S. scheint es anfangs gut verstanden zu haben, dem glaubenseifrigen und energischen Landgrafen Philipp gegenüber die Selbständigkeit der Ballei zu wahren. Er mußte es geschehen lassen, daß in den vom Orden abhängigen Pfarreien in der Stadt Marburg wie auf den Dörfern der protestantische Gottesdienst eingeführt wurde; er leistete sogar die geforderte Hilfe bei dem Kriegszuge zur Wiedereinsetzung des vertriebenen Herzogs Ulrich v. Württemberg. Als aber Landgraf Philipp auch in der Ordenskirche zu Marburg den protestantischen Gottesdienst einführte und die Gebeine der heil. Elisabeth fortnehmen ließ, traf er in S. einen entschiedenen Gegner. Finanzielle Forderungen kamen hinzu. Obwohl S. bei diesen Verhandlungen als einen überzeugten Anhänger der alten Kirche sich zeigte, so trug er doch den Zeitumständen Rechnung und war bereit, dem protestantischen Landesherrn Opfer zu bringen. Seit er aber zur Ueberzeugung gekommen war, daß diese erst mit der Säcularisirung der Ballei aufhören würden, nahm er den Kampf auf. Während S. aus Hessen entwich, besetzte der Landgraf die Häuser der Ballei, um daraus Stiftungen für Kirchen und Schulen zu [137] begründen. Die Klugheit und Entschlossenheit, welche S. in diesen Streitigkeiten gezeigt hatte, ließen ihn nach dem Tode des Deutschmeisters als den geeigneten Nachfolger erscheinen. S. lehnte zwar anfangs die schwierige Stellung ab, mußte sich aber der einmüthigen Wahl fügen (17. April 1543). Seit der Hochmeister Markgraf Albrecht Preußen, das Hauptland des Ordens, zum weltlichen Herzogthum gemacht hatte, fehlte dem Orden eigentlich die Berechtigung zur politischen Existenz. Wie in Hessen, so sah er sich überall, von protestantischen wie von katholischen Fürsten in seiner Selbständigkeit bedroht. Denn der sich damals vollziehende Zusammenschluß der Landesfürstenthümer duldete keine Staatsgebilde von der Art des Deutschen Ordens. S. stellte sich die doppelte Aufgabe, Preußen zurückzugewinnen und die Unabhängigkeit der Balleien zu retten. Unbedingter Anschluß an den Kaiser konnte allein zu diesem Ziele führen, aber er forderte persönlichen Dienst und Geldopfer. Zu beiden war S. entschlossen, stieß aber bei der hierfür nöthigen Gründung einer Generalordenskasse auf so entschiedenen Widerstand, daß er diesen Plan aufgeben mußte. Infolge der Besiegung der protestantischen Fürsten im Schmalkaldischen Kriege gewann zwar der Orden die verlorenen Kommenden zurück, aber auf die Dauer vermochte er doch die Eingriffe der Landesfürsten, namentlich in Hessen und Sachsen nicht fernzuhalten. Schwere Geldopfer legten die Kriegsjahre 1552 und 1553 auf. Hatte S. unermüdlich Pläne geschmiedet, um Herzog Albrecht von Preußen mit Krieg zu überziehen, so mußte er sich doch schließlich überzeugen, daß Karl V. so wenig wie seine Nachfolger geneigt waren, des Ordens wegen einen Krieg gegen Polen zu beginnen. Vollends seit 1561 auch Livland dem Orden verloren gegangen, war, Herzog Albrecht im Schutze des mächtigen Polenkönigs gegen äußere Angriffe gesichert. Die Hauptsache war, daß der Orden selbst nicht im Stande war, sich zu großen Leistungen aufzuschwingen. S. fand bei den Balleien keine kräftige Unterstützung in dieser Lebensfrage. Wenn er Jahrelang einen für sein Ansehen nicht förderlichen, erfolglosen Kampf um die Propstei Elwangen mit dem dortigen Capitel und dem Herzoge von Württemberg führte, so veranlaßte ihn dazu vermuthlich der pecuniäre Vortheil, den die reichen Einkünfte der Propstei ihm und damit der Sache des Ordens gebracht haben würden. Denn die Generalcapitel waren knapp mit Bewilligung von Geldmitteln und die Landcomthure waren zum Theil mehr darauf bedacht, ihre eigenen Interessen zu wahren. Auch die vielfach gelockerte Disciplin erforderte energisches Eingreifen. S. hat unter besonders schwierigen Verhältnissen den Orden wenigstens in seinen Balleien in Deutschland vor der drohenden Auflösung bewahrt. Daß Preußen nicht wiedergewonnen werden konnte, war nicht seine Schuld. Bis zum letzten Athemzuge hat er mit bewundernswerther Ausdauer dafür zu wirken gesucht. Im J. 1565 verfiel er in eine schwere Krankheit, aus der ihn am 11. Februar 1566 der Tod erlöste.

(De Wal) Histoire de l’ordre Teutonique VIII. – Voigt, Geschichte des Deutschen Ritterordens in seinen zwölf Balleien II. – Acten im Staatsarchive zu Marburg.