ADB:Schulz, Wilhelm
Cotta die Herausgabe des „Hesperus“ zu übernehmen. Da er aber in politischen Fragen von Cotta abweichende Ansichten hatte, und fast gleichzeitig von der Stuttgarter Polizei aus Württemberg ausgewiesen wurde, nahm er um Ostern 1832 wieder seinen Wohnort in Darmstadt. Einige Schriften, namentlich „Deutschlands Einheit durch National-Repräsentation“ (Stuttgart 1832) und „Testament des deutschen Volksboten“ (Offenbach 1833), verwickelten ihn in neue Untersuchungen. Vor ein hessisches Kriegsgericht gestellt und zu 3 Jahren Haft verurtheilt, trat er diese Strafe im September 1834 auf der Festung Babenhausen an, wußte indeß mit Hilfe seiner Frau in der Nacht vom 30. auf 31. December desselben Jahres vom 3. Stockwerke seines Gefängnisses nach dem Elsaß zu entfliehen. Von hier ging er 1835 nach Nancy, und ließ sich im folgenden Jahre als Privatdocent an der Universität Zürich dauernd nieder, nachdem er zuvor in Seltisberg in Basel-Land das Bürgerrecht erworben hatte. In Zürich entwickelte S. eine umfassende litterarische Thätigkeit. Zu den hervorragendsten Arbeiten aus jener Zeit gehört das berühmte Buch „Der Tod des Pfarrers Dr. F. C. Weidig“ (Zürich und Winterthur 1843) und die mit Welcker herausgegebene Schrift: „Die geheime Inquisition, die Censur und Cabinetsjustiz in unheilvollem Bunde“ (Karlsruhe 1845); zugleich bearbeitete er einige Artikel des Rotteck-Welcker’schen Staatslexikons, und veröffentlichte sein geistvolles, nationalökonomisches Werk: „Die Bewegung der Production“ (Zürich und Winterthur 1843), eine Schrift, welche viele Anhänger, aber auch zahlreiche Gegner zählte. Als 1847 der Sonderbundskrieg losbrach, trat er in das Schweizerheer; sein Hauptinteresse blieb jedoch Deutschland zugewendet, wohin er 1848 sofort zurückkehrte, und wo er von Darmstadt in das Frankfurter Parlament gewählt wurde. Seinen bisherigen Anschauungen getreu saß er auf der linken Seite des Hauses; bekannt ist sein Antrag auf Errichtung eines Parlamentsheeres. Nach Sprengung des Stuttgarter Rumpfparlamentes kehrte er wieder nach Zürich zurück, und nahm, fortwährend publicistisch wirksam, an den politischen Ereignissen seiner Zeit den lebhaftesten Antheil. Nach dem Ableben seiner ersten Frau verheiratete er sich mit einer Dame aus der bekannten Schweizer Familie Bodmer, deren Namen er dem seinigen anfügte. Das Hauptübel der Zeit in den großen stehenden Heeren erblickend schrieb er vor Ausbruch des italienischen Krieges: „Die Rettung der Gesellschaft aus den Gefahren der Militärherrschaft“ und: „Entwaffnung oder Krieg etc.“ (beide Leipzig 1859). Diese Schriften zeichnen sich durch gründliche Studien aus, und spricht sich der Verf. im Interesse des allgemeinen Weltfriedens für Abschaffung der stehenden Heere nebst Conscription und Einführung allgemeinen [753] Milizsystemes zur Vaterlandsvertheidigung aus. S., ein geistig wie körperlich sehr kräftiger Mann, wurde gegen Schluß des Jahres 1859 von schmerzvoller Krankheit ergriffen, die ihn nach wenigen Wochen (9. Januar 1860) hinwegraffte. Am 11. desselben Monats wurde er von seinen politischen Freunden zu Grabe geleitet. S. besaß umfassende Kenntnisse – namentlich auf militärischem und staatswirthschaftlichem Gebiete –, einen durchaus biedern, humanen Charakter und warme Vaterlandsliebe. Seine entschieden demokratische Richtung schloß jedoch eine unmittelbare Thätigkeit in seiner Heimath aus. Die früheren Schriften siehe bei Scriba, biographisch-litterarisches Lexikon der Schriftsteller des Großherzogthums Hessen, 2. Abth. S. 668.
Schulz: Wilhelm S.-Bodmer, deutscher Publicist, geboren zu Darmstadt am 13. März 1797 (nicht am 16. Januar 1790) † am 9. Januar 1860 in Hottingen bei Zürich, trat 1811 als Cadet in das Darmstädtische Leibregiment, wohnte als Officier der Rheinbundtruppen den Schlachten des Feldzuges von 1813 bei, und kämpfte nach dem Uebertritte dieser Truppen auf die Seite der Alliirten mit Begeisterung gegen den Bedrücker deutscher Nation. Eine politische Flugschrift für Deutschlands Einheit zog ihm eine militärgerichtliche Untersuchung zu, die nach einjähriger Haft mit Freisprechung endete, jedoch seine Entlassung aus dem Militärdienst zur Folge hatte. Hierauf studirte er in Gießen einige Semester die Rechte und beschäftigts sich mit publicistischen Arbeiten. In den Jahren 1830 und 31 begab er sich nach Augsburg und München, dann nach Stuttgart, um mit dem 1. Januar 1832 von- Scriba a. a. O. 1. Abth. S. 377 u. ff., 2. Abth. S. 667 u. 668. – Unsere Zeit, (1860) IV, 78. – Wagener’s Staats und Gesellschaftslexikon, XVIII, 518. – Conversationslexikon der Gegenwart IV, 961. – Allgem. Zeitung vom 12. Jan. 1860, Beilage.