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Artikel „Schrödter, Adolph“ von Max Georg Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 545–548, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schroedter,_Adolph&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 23:26 Uhr UTC)
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Schrödter: Adolph S., Maler im humoristischen Genre, geboren zu Schwedt in der Ukermark am 28. Juni 1805 als Sohn eines Kupferstechers, † am 9. December 1875. Er verlor früh seinen Vater und mußte schon als Knabe mit kleinen Grabstichelarbeiten sein Brot verdienen. Trotzdem genoß er, Dank der Fürsorge seiner Mutter, eine vortreffliche wissenschaftliche Bildung. Mit besonderer Vorliebe studirte er die alte und neue Litteratur, die Meisterwerke des Auslandes und die deutsche Geschichte und Dichtung. Auf autodidaktischem Wege erlernte er die altdeutsche Sprache, so daß er sie fließend las, das Mittelhochdeutsche konnte er so gut, daß er den Chronikenstyl trefflich nachzuahmen verstand. Mit großer Geduld und großer Ausdauer hatte er die schwierige Kupferstecherei erlernt. Etwa sechs Jahre lang hielt er bei derselben aus, dann aber trieb es ihn von den Nachbildungen zu selbständigen Schöpfungen. Dabei erkannte er die Lücken seiner künstlerischen Bildung, und um dieselben auszufüllen, begab er sich nach Berlin. Die Mittel für den Besuch der Akademie mußte er sich bei einem Lithographen verdienen.

In dieser Zeit war er mit Lessing befreundet worden, und durch denselben wurde er veranlaßt, im J. 1827 nach Düsseldorf überzusiedeln, wo Schadow kurz [546] vorher begonnen hatte, die Kunstschule zu reorganisiren. In dem regen Düsseldorfer Geistesleben fand er auch für seine poetischen Neigungen Anknüpfung mit Karl Immermann und Friedrich v. Uechtritz. Felix Mendelssohn war damals städtischer Capellmeister und übernahm mit Immermann zusammen die Leitung des Theaters. Derzeit waren in Düsseldorf die „trauernden Juden, die trauernden Räuber, trauernde Könige, trauernde Mädchen und Burschen“ in der Malerei Mode. Diese Richtung erweckte sofort das satirische Element Schrödter’s, und er debütirte mit den „trauernden Lohgerbern“. Zwei Lohgerber sind im Begriff gewesen, Felle im Bach zu waschen und schauen mit wahrhaft historischer Wehmuth einer entschwimmenden Kuhhaut nach.

Von der Poesie des Rheins wurde er wie seine Zeitgenossen ergriffen und widmete eine große Anzahl seiner Bilder dem Thema „Wein, Weib und Gesang“. Besonderes Aufsehen machte sein „Rheinisches Wirthshaus“ (1833). Auf dem Hofe hinter dem Wirthshause eines alten rheinischen Städtchens entwickelt sich ein fröhliches Treiben, in humoristischen flotten Scenen wird dasselbe vorgeführt, es ist eine reiche, frohe Behaglichkeit, eine Fülle von Lust und Leben. Ein anderes im Vorjahre entstandenes Bild stellt eine „Weinprobe“ dar. Beide Bilder, ehemals in der Wagner’schen Sammlung, befinden sich jetzt in der Nationalgalerie zu Berlin, jenes lithographirt von Jentzen, dieses von Fischer und Tempeltey. Am ergiebigsten aber zeigte sich sein Talent in humoristisch-satirischen Vorwürfen. Wo er seine Gegenstände aus der Poesie nahm, berücksichtigte er namentlich die humoristischen Dichter. Die humorvollen Gestalten des Cervantes, Shakespeare’s und den deutschen Schalksnarren hat er zu Ehren gebracht, Don Quixote, Falstaff, Till Eulenspiegel und Münchhausen waren seine Lieblingsgestalten. Sein erstes Don Quixotebild, welches den Ritter darstellt, den Amadis von Gallien lesend, fand in allen Ländern Verbreitung und wurde namentlich im Heimathland des Helden, in Spanien, geschätzt. In einem düstern, verkommenen Gemach sitzt der künftige irrende Ritter zwischen dicken Folianten, auf einem Sessel, dessen eines Bein durch übereinander geschichtete Bücher ersetzt wird. Er selbst wie das Gespenst jener Zeit, welche er wieder herauf führen will. Angeregt durch den Erfolg dieses Bildes gab S. einen Cyklus von Originalradirungen aus der Geschichte des Don Quixote heraus. Aus den Falstaffdramen hat er die lustige Gesellschaft der Schenke zu Eastcheap gemalt, die Rekruten und den Friedensrichter. Aber es ist ihm bei den einzelnen Figuren nicht gänzlich gelungen die Reihenfolge des Witzes, welche der Poet nach und nach entwickelt, in einer Gestalt vereinigt darzustellen. Er hat die Gesellschaft mehr gemalt, wie sie Prinz Heinz in seiner fröhlichen Komik darstellt; dadurch sind sie zu sehr Caricaturen geworden. Auch in Auerbach’s Keller nach Goethe’s Faust hat er den Mephisto nicht gänzlich getroffen, für diesen reichen diabolischen Geist, der stets verneint, war er zu gutmüthig. Vortrefflich ist dagegen sein Münchhausen, der seine Jagdgeschichten auftischt. Diese schlanke, sehnige, nervige Gestalt ist in allen Jägertugenden zu Hause, in der Erfindung von Jagdgeschichten aber ist er König. Seine Hörer sind in höchst geistreicher Auffassung von der gläubigsten Bewunderung bis zum schärfsten Zweifel dargestellt. Aus dem Till Eulenspiegel hat er die Scene gemalt, wie der schalkhafte Till als Bäcker fungirt, die Weisung seines Meisters zu backen, was zum Thor hinaus und herein geht, wörtlich genommen und aus dem Teige allerlei Thiere und Männchen geknetet hat.

Eine sehr interessante decorative Arbeit hat S. in einem Arabeskenfries geliefert zur Ausführung in einem Eßsaal bestimmt. Auf Goldgrund, in Arabesken verschlungen, wird die fröhliche Seite des Bauernlebens dargestellt. Das Werk gewann den Preis des rheinischen Kunstvereins und ist von dem Künstler lithographirt und von dem Verein herausgegeben worden. Singen, trinken, tanzen [547] und küssen auf einer Kirchweih, das ist der Inhalt dieses lustigen Frieses. Nicht minder bedeutend und zahlreich sind des Künstlers Originalradirungen. Er hat es verstanden, die Stoffe sehr glücklich zu wählen, schön zu componiren und geistreich darzustellen. Nicht nur als Humorist zeigt er sich da, sondern auch glücklich in sentimentalen, wie in großartigen Darstellungen. Zu R. Reinick’s „Frühlingsglocken“ hat er die Geburt, die Hochzeit und den Abzug des Lenzes radirt. Großartig und historisch hat sich sein Talent gezeigt in einem nur gezeichneten Titelblatt zum Oratorium „Paulus“ von Felix Mendelssohn, aber auch der Scherz hat auf demselben Platz gefunden. In seinen humoristischen Radirungen tummeln sich „Gesellen von allen Façons, lustige und traurige, tapfere und feige, dicke und dünne, schmierige und zierliche, Mädchen von jeder Sorte, schön und häßlich“. Da ist „der Kampf um den Becher“ zwischen einem Kriegsmann und einem Mönch, den Hanswurst beschützt, das „Ständchen“ eines schäbigen Musikanten, der „neue Simson“ nach Reinick, abermals der fabelhafte Lügner Münchhausen, der edle Ritter Don Quixote, ein Trinklied vom Jahre 1500, Wolfgang Müller’s Lied vom Maiwein. Zwei Blätter sind namentlich charakteristisch für den Künstler. Das eine ist seine Verlobungskarte, er selbst sitzt vor der Staffelei, die Braut mit der Guitarre vor einem vollendeten Brief. Die Gestalten seiner Bilder aber, allen voran Falstaff und Don Quixote müssen Blumengewinde und die Gegenstände für den künftigen Haushalt herbei schaffen. Vielleicht die geistreichste Arbeit Schrödter’s ist die Allegorie seines Monogramms, des Pfropfenziehers (Weinschröters) oder die Flasche, wie das Blatt gewöhnlich genannt wird. Alle Wirkungen des Weins sind durch geisterhafte Gestalten innerhalb der Flasche dargestellt.

Zwanzig Jahre hatte der Künstler in Düsseldorf gelebt ünd seinen Wohnsitz inmitten eines großen der Blumencultur gewidmeten Gartens liebgewonnen, als ihn die Ereignisse des Jahres 1848 nach Frankfurt a. M. riefen. Der witzige Verfasser der „Randzeichnungen“, der Advocat Detmold in Hannover, war bei dem Frankfurter Parlament Volksvertreter und engagirte S. zur Mitarbeiterschaft an einem Werk „Thaten und Meinungen des Abgeordneten Piepmeyer, Mitglieds der deutschen Nationalversammlung“, in welchem der deutsche Philister nach allen Richtungen scharf gegeißelt wurde. Leider ist dieses auf Stein gezeichnete Werk von einigen dreißig Blättern längst eine Seltenheit geworden. In Frankfurt malte er auch ein Friesbild voller Laune und Lust, den Zug des Königs Rheinwein, das 1867 in Farbendruck bei Albert in München erschien. Seinen Sinn für Ornamentik bekundete er durch ein Musterbuch für Schnurstickerei, welches häufig benutzt wird. Als Schriftsteller ist er mit einem Heft über „Das Zeichnen als ästhetisches Bildungsmittel, vorzugsweise für die Erziehung des weiblichen Geschlechts“ (Frankfurt 1853) aufgetreten. 1852 entstanden vier Aquarellbilder, welche den Rheinwein, den Maitrank, den Punsch und den Champagner illustriren. 1854 kehrte er wieder nach Düsseldorf zurück. Dort war unterdessen durch Lenze der „Malkasten“ gegründet worden. Neben der Porträtgalerie der Mitglieder sollte eine Chronik verfaßt werden. Dazu war S. vortrefflich geeignet, im Styl der alten Urkunden schrieb er die Geschichte des ersten Lustrums, welche später von Camphausen fortgeführt wurde und im Druck herausgegeben ist. In seiner artistischen Thätigkeit kamen zunächst wieder Illustrationen an die Reihe; zu den älteren Werken dieser Art, zu Chamisso’s Schlemihl, Musäus’ Volksmärchen, Heine’s humoristischen Liedern, kamen nun Bilder und Randzeichnungen zu Uhland, Beiträge zum Düsseldorfer Künstleralbum und anderes. Ein reizender Aquarellfries stellte eine Allegorie der vier Jahreszeiten dar, repräsentirt in den Beschäftigungen der Menschen und umgeben von den Blumen und Vögeln der jeweiligen Monate. Diese Bilder befinden sich [548] in der Galerie zu Karlsruhe. Im J. 1859 berief ihn der Großherzog von Baden als Lehrer des Freihandzeichnens und der Aquarellmalerei an die Polytechnische Hochschule zu Karlsruhe. Dort hat er in zwölfjähriger Wirksamkeit eine große Zahl schöner Dessins und Muster als Vorlagen für die Industrie geschaffen. In seine letzten Jahre gehören die Bilder „Zwei Mönche im Klosterkeller“ (1863) „Hans Sachs“, „Falstaff mit seinem Pagen“ (1867). Der Lebensabend des liebenswürdigen Meisters war durch eine lange und harte Krankheit getrübt. Schon drei Jahre vor seinem Tode mußte er, häufiger rheumatischer Schmerzen wegen, seine Lehrstelle niederlegen, und als die Karlsruher Kunstgenossenschaft im Juni 1875 seinen siebzigjährigen Geburtstag festlich beging, da konnte er das Krankenzimmer nicht verlassen, er starb am 9. December desselben Jahres.