ADB:Schnizlein, Adalbert
[WS 1] auch die Botanik pflegte, werthvolle Hilfsmittel zu Gebote. Nachdem S. das Gymnasium zu Ansbach besucht, trat er daselbst 1830 bei dem Apotheker Marx in die Lehre und ging nach Absolvirung seiner Lehrzeit 1833 als Apothekergehülfe nach Nördlingen in die Officin von Frickhinger, dessen Sohn Albert später sein Schwager und wissenschaftlicher Mitarbeiter wurde. Im Herbste 1834 bezog er die Universität München, hörte mit besonderer Vorliebe Chemie und Botanik und blieb auch nach gut bestandener Apothekerprüfung noch längere Zeit hierselbst, um durch Anhören medicinischer, philosophischer und historischer Vorlesungen seine allgemeine Bildung zu ergänzen. Ein damals mit dem Botaniker Karl Schimper geschlossener Freundschaftsbund wirkte besonders anregend auf ihn ein. Nachdem S. 1836 von der Universität Erlangen zum Dr. phil. promovirt worden, begab er sich Ostern 1837 nach Genf, schloß persönliche Bekanntschaft mit A. P. de Candolle und kehrte nach einigen Monaten, nachdem er eine botanischen Zwecken dienende Fußreise durch Savoyen, Piemont und die Lombardei gemacht, in das elterliche Haus zurück, wo er sich zunächst einige Zeit lang Privatstudien widmete. Auf Wunsch seiner Eltern wandte sich S. alsdann wieder durch Uebernahme von Stellungen in Speyer und Mainbernheim der praktischen Pharmacie zu, bis sein nach wissenschaftlicher Thätigkeit unermüdlich strebender Geist zum Theil wenigstens Genüge fand in einer 1840 nach Paris unternommenen Studienreise, auf welcher er besonders durch die Unterstützung des Botanikers Delessert Gelegenheit hatte, die dortigen reichen botanischen Sammlungen durchzustudiren. Von Paris ging er nach Le Havre, um die Meeresalgen an Ort und Stelle zu untersuchen und kehrte im Herbst 1840 wieder zurück. Nunmehr sah er in der Botanik sein ausschließliches Ziel, ging im Sommer 1841 wiederum nach München, wo er, mit botanischen Arbeiten beschäftigt, bis zum Herbst 1842 verblieb. Zur Sicherung seiner Lebensstellung und zur Unterhaltung seines eben begründeten Hausstandes kaufte S. im folgenden Jahre eine Apotheke in Erlangen, habilitirte sich 1845 ebendaselbst,von seinem berühmten Landsmann und Fachgenossen W. D. Koch aufs wohlwollendste unterstützt, auf Grund einer Dissertation über die natürliche Pflanzenfamilie der Typhaceen als Privatdocent und hatte die Genugthuung, nach dem Tode des großen deutschen Floristen und nach Ueberwindung vieler Schwierigkeiten, welche ihm wegen seines nicht rite abgeschlossenen Bildungsganges seine Collegen von der Universität bereiteten, 1850 zum außerordentlichen [178] Professor der Botanik befördert zu werden. Nun verkaufte er seine Apotheke, um sich der Wissenschaft, seinem Lehramte, sowie der ihm übertragenen Leitung des botanischen Gartens mit ganzer Kraft zu widmen und er that es mit hingebendem Fleiße, dem auch die Anerkennung der wissenschaftlichen Welt unter der Form von Mitglieds- und Ehrenmitgliedsdiplomen seitens zahlreicher gelehrter Vereine des In- und Auslandes nicht fehlte, wenngleich ihm in seiner Stellung manche bittere Erfahrungen, Anfeindungen und unverdiente Zurücksetzungen nicht erspart blieben. Nur 18 Jahre blieben dem thätigen Manne zu wirken übrig. Durch einen unglücklichen Sprung auf einer botanischen Excursion zog er sich eine innerliche Verletzung zu, die zusammen mit einem im Keime wohl schon vorhanden gewesenen Unterleibsleiden rasch eine Katastrophe herbeiführte und nach einem mehrmonatlichen, mit christlicher Ergebung ertragenen Krankenlager, den Tod des fleißigen, von Allen, die ihm näher standen, seiner trefflichen Charaktereigenschaften wegen hochgeschätzten Mannes in einem Alter von noch nicht 55 Jahren zur Folge hatte.
Schnizlein: Adalbert S., Botaniker, geboren am 15. April 1814 zu Feuchtwangen in Baiern, † am 24. October 1868 zu Erlangen, genoß seine Jugenderziehung im Hause seines Großvaters, des Prodecans Luz in Schwaningen am Hesselberge, der, selbst ein eifriger Jünger der Naturwissenschaften, in dem wißbegierigen Knaben schon früh die Lust an naturwissenschaftlichem Experimentiren weckte. Gleichzeitig standen ihm in dem Herbarium und in der reich mit botanischen Werken ausgestatteten Bibliothek seines Vaters, der, von Beruf Gerichtsarzt, als Freund der Gebrüder Nees von EsenbeckSchnizlein’s litterarische Thätigkeit in der Botanik beschränkte sich auf floristische und systematische Arbeiten. Schon seine 1845 erschienene Habilitationsschrift: „Die natürliche Pflanzenfamilie der Typhaceen, mit besonderer Rücksicht auf die deutschen Arten“ zeigt den gewissenhaften und gründlichen Beobachter, der hiermit eine recht gute Monographie der kleinen aber weitverbreiteten Pflanzenfamilie geliefert hat. Zwei beigefügte Steindrucktafeln geben in 50 Figuren morphologische Erläuterungen zum Texte. Zwei Jahre später, 1847, veröffentlichte S. seine „Flora von Baiern, nebst den angrenzenden Gegenden von Hessen, Thüringen, Böhmen, Oesterreich und Tirol, sowie von ganz Württemberg und Baden“, d. h. also eine Flora des südwestlichen Deutschlands. Für ein schnelles Auffinden der Gattungen und eine sichere Bestimmung der Arten zweckmäßig eingerichtet, entspricht sie gerechten Ansprüchen auch durch ihre Vollständigkeit, da sie im ganzen 2263 species aufführt, von denen, abgesehen von den Cultur- und Gartenpflanzen, 1860 allein auf Baiern, 118 auf die Nachbarländer entfallen. Gemeinsam mit seinem Schwager Albert Frickhinger publicirte S. 1848 eine sehr fleißige Arbeit: „Die Vegetationsverhältnisse der Jura- und Keuperformation in den Flußgebieten der Wörnitz und Altmühl“, welche höchst eingehend die geognostische Grundlage des bezeichneten Gebietes und die hierdurch, sowie theils durch das Klima, theils durch das Eingreifen der Menschen bedingten Verhältnisse der Vegetation behandelt, wobei die Verfasser zu dem Resultate kommen, daß, nächst den klimatischen Einflüssen, vornehmlich die chemische Constitution der Bodenformation den maßgebenden Factor für die typische Ausbildung der Pflanzenwelt ausmache. Das untersuchte Gebiet umfaßt 93 Quadratmeilen, innerhalb welches 1222 Pflanzenarten aufgezählt werden. Beigegeben ist der Arbeit eine sauber colorirte geognostisch-topographische Karte. Das Hauptwerk seines Lebens sah S. in der: „Iconographia familiarum naturalium regni vegetabilis“, an dem er während seines zweiten Aufenthaltes in München zu arbeiten begann und das ihn dann während seines ganzes Lebens beschäftigte. Das erste Heft erschien 1843, das letzte vollendete er unmittelbar vor seinem Tode. Im ganzen enthält dieses umfassende vierbändige Bilderwerk, das den Zweck verfolgte, durch Darstellungen einzelner Pflanzen aus allen Familien, nebst beigegebenen Blüthen- und Frucht-Analysen die Kenntniß des natürlichen Systems zu fördern, 277 Tafeln Abbildungen und ebensoviel Textblätter. Jeder Familie ist ein Blatt gewidmet, wobei der Text kurz, aber präcise gefaßt, neben dem Familiencharakter in lateinischer und deutscher Sprache eine namentliche Aufzählung der zugehörigen Gattungen und eine Erklärung der Abbildungen bringt. Die Kryptogamen sind freilich nur sehr kurz behandelt. In dem nach Abschluß des gesammten [179] Werkes veröffentlichten Vorworte setzte A. W. Eichler seinem verstorbenen Freunde ein ehrendes Denkmal. Um für dieses groß angelegte Werk einen weniger kostspieligen Ersatz zu schaffen, entschloß sich S. bereits 1858 zur Herausgabe seiner „Analysen zu den natürlichen Ordnungen der Gewächse“, welche wenigstens für die europäischen Pflanzenfamilien durch Abbildungen typischer Formen nebst beigefügter Erklärung die allgemeine Kenntniß fördern wollten. Es sind nur die Phanerogamen erschienen, von denen auf 70 Foliotafeln Repräsentanten abgebildet sind. Eine kleine Anzahl von Exemplaren wurde später colorirt, wodurch die Brauchbarkeit der Tafeln besonders für Vorlesungszwecke noch erhöht wurde. Die übrigen selbständigen Schriften Schnizlein’s sind descriptiver Natur. Als besonderer Abdruck aus E. Berger’s Gartenpflanzen erschien 1854: „Die Farnpflanzen der Gewächshäuser. Eine Anleitung zur systematischen Bestimmung der vorzüglichsten ausländischen Arten.“ Ferner schrieb er 1857 eine „Kurze Beschreibung des botanischen Gartens der Universität Erlangen“ und gab 1860: „Uebersichten zum Studium der systematischen und angewandten, besonders der medizinisch-pharmazeutischen Botanik“ heraus. Eine mit einer belgischen Preismedaille gekrönte „Flore exotique qu’il convient de cultiver dans les serres d’un jardin botanique“ erschien 1860. Das Erscheinen seines letzten Werkchens: „Die Botanik als Gegenstand der allgemeinen Bildung“, eines von 4 Tafeln begleiteten populären Leitfadens hat er nicht mehr erlebt. Selbstständig bearbeitet hat S. ferner die Familie der Lacistemaceae in der Flora brasiliensis (Vol. IV, pars I fasc. 20) und als Mitarbeiter an den von Ludwig Nees v. Esenbeck begonnenen: „Genera plantarum Florae Germaniae“, im 25. Heft derselben die Gattungen aus den Familien der Dipsaceae, Stellatae und Gentianaceae. Endlich erschienen von seiner Hand noch Aufsätze morphologischen, systematischen und floristischen Inhalts in den Jahrgängen der Botan. Zeitung und der Flora, in den Berichten der Naturhistorischen Vereine von Augsburg, Nürnberg und Erlangen und in Buchner’s neuem Repertorium für Pharmacie (vergl. darüber Catalogue of sc. pap. Vol. V 1871 u. Vol. VIII 1879). Die Gabe eleganter Diction war S. nicht verliehen; sein Stil war schmucklos und trocken, aber durchaus klar, ebenso seine Lehrmethode. In den unter seiner Leitung erbauten, vortrefflich construirten Treibhäusern des botanischen Gartens zu Erlangen hat er auch ein äußerliches, bleibendes Denkmal hinterlassen.
- Nekrologe in Buchner’s N. Repert. f. Pharmacie. 1869, XVIII u. im Nürnb. Correspondenten von u. für Deutschl. 1868, Nr. 583; sowie gefällige briefliche Ergänzungen durch die Herren Abgeordnet. Frickhinger in Nördlingen u. Sanitätsrath Dr. Karrer in Klingenmünster i/Pfalz. – Pritzel, thes. lit. bot.