ADB:Nees von Esenbeck, Friedrich
Christian Gottfried, welcher damals ein kleines Gut in dem etwa eine Meile entfernten Sickershausen besaß, bei dessen Excursionen zu begleiten und Pflanzen und Insecten mit ihm zu sammeln. So erreichte N. das 18. Lebensjahr. Als Lebensberuf wählte er die Pharmacie. Ehe er seine Lehrjahre antrat, machte er unter Beihülfe seines Bruders einen Cursus in der Botanik durch. So kam er, gut vorgebildet, 1805 nach Erlangen in die Officin des Hofapothekers Martius. Hier lernte er nicht nur gründlich sein Fach, sondern trat auch der Familie seines Lehrherrn näher und befreundete sich namentlich mit dessen beiden Söhnen Karl und Theodor. Der ältere, Karl, der nachmalige berühmte Botaniker und Herausgeber der flora brasiliensis (s. A. D. B. XX, 517[WS 1]) wurde geradezu durch den Umgang mit N. und ihre gemeinsam betriebenen Studien für die Botanik gewonnen. Im Verein mit gleichstrebenden Freunden lagen beide mit großem Eifer der Durchforschung ihrer heimathlichen Flora ob, wozu die eben erschienene Flora Erlangensis von Schweigger und Körte den ersten Anlaß geboten hatte. Im J. 1811 trennte sich N. von seinen Erlanger Freunden und trat in die Apotheke von Bernoulli in Basel ein. Hier war er bis 1816 als Gehülfe thätig, während welcher Zeit er auf vielfachen botanischen Excursionen in das Gebirge die Schweizer Alpenflora gründlich kennen lernte. Krankheit nöthigte ihn, sich zur Erholung auf einige Zeit von dem Geschäft zu entfernen. Er reiste 1816 nach Hause mit der Nebenabsicht, in Würzburg das pharmaceutische Examen zu bestehen. Während dieser kurzen Erholungszeit, die er größtentheils bei seinem Bruder in Sickershausen zubrachte, schrieb er mit diesem gemeinschaftlich [377] eine Abhandlung „De plantis nonnullis e mycetoidearum regno, tum nuper detectis, tum minus cognitis“, welche von zwei Tafeln begleitet im neunten Bande der Nova Acta Acad. Leop.-Carol. abgedruckt wurde. Auf kurze Zeit nahm N. dann noch in Hanau eine Gehülfenstelle an. Hier lernte er den Zoologen Kuhl kennen, welcher, von der holländischen Regierung zu einer wissenschaftlichen Forschungsreise auf Java designirt, nach Hanau gekommen war, um vor seiner Abreise noch seine Verwandten zu besuchen. Bei seiner Rückreise nach Holland erfuhr Kuhl von dem Botaniker Brugmanns, dem Director des botanischen Gartens in Leyden, daß eine neue Anlage und Erweiterung des Gartens im Werke sei und daß man dazu eine geeignete Persönlichkeit suche. Kuhl empfahl N. zu diesem Zwecke, der sich auch alsbald für die Annahme der Stelle entschied. So wurde er gegen Ende 1817 Inspector des botanischen Gartens in Leyden. Hier wirkte N. in verdienstlicher Weise. Er veranstaltete eine Umpflanzung aller im freien Lande ausdauernden Gewächse des Gartens nach systematischer Ordnung, er bestimmte und bezeichnete den ganzen Pflanzenvorrath, erweiterte die Correspondenz zur Vermehrung desselben, machte in gleicher Absicht, von Brugmanns beauftragt und empfohlen, eine Reise durch Belgien und knüpfte mit den wichtigsten Gärten dieser damaligen Provinz Hollands engere Verbindungen an. Von Leyden aus machte er häufige Ausflüge an den Seestrand, dessen eigenthümliche Vegetation er studirte. Eine Beobachtung, die er im Winter 1817/18 an jungen Pflanzen von Bryum annotinum machte, führte zu einer Abhandlung, auf Grund deren er im J. 1818 von der Universität Erlangen zum Dr. phil. promovirt wurde. Seine Dissertation führt den Titel „De propagatione muscorum commentatio“. Dieser Titel gilt nur dem kleinsten und zwar dem minder wichtigen Theil dieser Schrift, welche vielmehr die Ansicht des Verfassers über den Entwicklungsgang der Kryptogamen überhaupt enthält. Um diese Zeit wurde N. auch mit Dr. Blume bekannt und befreundet, welcher sich eben zu einer Reise nach Java anschickte. Zwischen beiden Männern entspann sich bald eine lebhafte wissenschaftliche Correspondenz, die auch noch lange fortdauerte, als N. Holland schon verlassen hatte und deren botanische Resultate in der Regensburger botanischen Zeitung sowie in den Verhandlungen der Leopoldina in Form von Reiseberichten, Schilderungen von Excursionen und ausführlichen Beschreibungen neu entdeckter Pflanzen aus der Feder von N. veröffentlicht wurden. Nachdem der ältere N. 1818 nach Gründung der Universität Bonn als Professor der Botanik und Director des botanischen Gartens an dieselbe berufen worden, veranlaßte er im Sommer 1819 auch die Berufung seines Bruders Friedrich ebendorthin, vorzüglich um bei der Organisation des botanischen Gartens sich dessen Beihülfe zu sichern. N. erhielt den Titel eines Inspectors des botanischen Gartens und Repetenten der Botanik. Anfangs nahmen die praktischen Begründungsarbeiten am botanischen Garten die Thätigkeit der Brüder ganz in Anspruch. In enger freundschaftlicher Verbindung mit dem ausgezeichneten Gartenkünstler Sinning halfen sie in Bonn eine Anlage gründen, welche zu den zweckmäßigsten und anmuthigsten ihrer Art gehörte und erstatteten darüber nach Vollendung der Hauptarbeiten im J. 1823 einen Bericht, nachdem schon 1820 ein „Elenchus plantarum horti botanici Bonnensis“ mit beinahe 4000 Pflanzennamen im Druck erschienen war. Das Programm führt den Titel „De Cinnamomo disputatio etc.“ Zu dem wichtigsten, dem kritischen Theile dieser Schrift, gaben die Studien, welche N. in den älteren Herbarien der Universität Leyden gemacht hatte, die nächste Veranlassung. Die Abtheilung Lauri Cinnamomi et affinium historia naturalis ist ganz aus seiner Feder, die vorausgeschickten antiquarisch-kritischen Untersuchungen sowie die vorangehende Beschreibung des Gartens sind von der Hand des älteren. Die Abhandlung führt auch noch den Titel [378] „Amoenitates botanicae Bonnenses“, Fasc. I und war zum Vorläufer einer periodischen Gartenschrift bestimmt, welche Beschreibungen und Abbildungen neuer und schöner Pflanzen des botanischen Gartens liefern sollte; es erschien aber nur noch ein Heft, an welchem, außer den beiden Brüdern, noch Sinning Mitarbeiter war. Die Concurrenz mit anderen ähnlichen Unternehmen war dem Absatz nicht günstig genug, um die beträchtlichen Kosten zu decken, doch trat in der Folge ein von N. und Sinning herausgegebenes Werk ähnlicher Art an dessen Stelle, nämlich die „Sammlung schönblühender Gewächse in lithographirten Abbildungen für Blumen- und Gartenfreunde. Mit Beschreibungen und vollständiger Angabe der Cultur“ (1825–1831). Im September 1819 habilitirte sich N. als Privatdocent an der Bonner Universität durch die Schrift „Radix plantarum mycetoidearum“. Sie gibt eine Uebersicht des Pilzreiches nach damaliger Auffassung und sucht die Gliederung in demselben in dem Bilde einer weit verzweigten Wurzel darzustellen, deren Hauptäste die Namen der Classen, deren Nebenäste die der Ordnungen, beziehungsweise Familien und deren letzten Zweige die Namen der Sectionen tragen. Die Gattungen, welche zu jeder Section gehören, sind im Texte namentlich angeführt, welcher überdies eine kurze Erläuterung der Tafel gibt. Das Werk ist ein Bruchstück aus früheren Vorträgen über Kryptogamenkunde und insofern historisch interessant, als es einen passenden Vergleich mit den heute gültigen Ansichten über die systematische Stellung der Pilze und ihre Classification zuläßt. Seine Vorträge widmete N. von nun an der Pharmacie im weiteren Sinne und behandelte diese Disciplin in zwei Vorlesungen, nämlich über pharmaceutische Botanik und über operative Pharmacie. Letztere umfaßte einen Cyclus pharmaceutischer Uebungen sowol im Laboratorium als am Receptirtische und war besonders für praktische Aerzte bestimmt. Sein Vortrag war klar und einfach, stets auf Anschauung gegründet, unterstützt durch eine laute und sonore Stimme. Seine Vorlesungen wurden deshalb gern gehört und namentlich die über pharmaceutische Botanik zahlreich besucht. Im J. 1822 wurde N. außerordentlicher, 1827 ordentlicher Professor der Pharmacie und erhielt die Direction des vornehmlich durch seine Bemühungen neu geschaffenen pharmaceutischen Laboratoriums. Im J. 1833 wurde er Mitdirector des Bonner botanischen Gartens, an welchem seit 1829, als der ältere Bruder nach Breslau ging, Treviranus als erster Director stand. Neben seinem Lehramt, der Direction seines Institutes und dem Antheil an der Leitung des botanischen Gartens, steigerte sich zugleich seine litterarische Thätigkeit. Eine lange Reihe von pharmaceutisch-chemischen Untersuchungen veröffentlichte er, theils allein, theils in Gemeinschaft mit seinem früheren Schüler und Freunde Marquart in verschiedenen pharmaceutischen Zeitschriften, namentlich in Brandes’ Archiv, Büchner’s Repertorium und den Annalen der Pharmacie während der Jahre 1822–1837. Seine Specialwissenschaft zu fördern war er unermüdlich thätig. Er scheute nicht die Mühe einer zeitraubenden Correspondenz, um endlich die rechte Pflanze, von der bestimmte Droguen herstammen, ausfindig zu machen und hat auf diesem Gebiete Vortreffliches geleistet. Daneben aber verdankt ihm auch die botanische Wissenschaft mehrere werthvolle systematische Arbeiten. So übernahm N. von 1823 an die Fortsetzung der seit 1821 erschienenen „Plantae officinales“. Wesentlich durch das Eingreifen von N. gestaltete sich das Unternehmen zu einem Prachtwerke, wie es die pharmaceutisch-botanische Litteratur bisher noch nicht aufzuweisen hatte. Wol sämmtliche in die preußische Pharmakopoe aufgenommenen Pflanzen erscheinen hier auf 552 Foliotafeln in größtentheils nach der Natur oder wenigstens den besten Originalvorlagen gefertigten meisterhaften Abbildungen. Ein jede Tafel begleitendes Textblatt enthält neben Namen und Classe der abgebildeten Pflanze auch noch in gedrängter Kürze den generischen und specifischen [379] Charakter, den Wohnort, die Angabe der officinellen Theile, sowie der Citate und Abbildungen an anderen Orten. Bewundernswerth ist die Sorgfalt, mit welcher N. sich bemühte, die wahren Mutterpflanzen für so viele ausländische, damals noch sehr zweifelhafte Arzneikörper aufzufinden und in guten Abbildungen wiederzugeben. Die botanischen Fachjournale jener Jahre sprachen sich denn auch ausnahmslos im hohen Grade anerkennend über jede neue Lieferung des Werkes aus. Bei dem achten Hefte hatte N. die Redaction übernommen und das Werk in 18 Heften und fünf Supplementen zu Ende geführt. Zusammengefaßt hat N. die durch das Studium der officinellen Pflanzen gewonnenen Erfahrungen in seinem „Handbuch der medicinisch-pharmaceutischen Botanik“, welches in drei Theilen 1830–1832 herauskam und für dessen medicinisch-therapeutischen Theil er in dem Kreisphysikus Karl Heinrich Ebermaier einen trefflichen Mitarbeiter gewann. Der botanische Theil ist ausschließlich von N. bearbeitet. Hier werden sämmtliche officinelle Pflanzen, geordnet nach natürlichen Familien, unter sorgfältiger Benutzung der besten litterarischen Quellen angeführt mit kurzer Charakterisirung und allen für den Pharmaceuten nothwendigen Angaben. Für Deutschland war dies das erste Unternehmen seiner Art und konnte neben Richard’s Botanique médicale jeden Vergleich aushalten. Es diente zugleich als Commentar für die Plantae officinales, auf deren Abbildungen auch in dem genannten Werke hingewiesen wird. Ein recht umfangreiches Unternehmen ferner war die von N. 1832 begonnene Herausgabe der „Genera plantarum florae germanicae“. Ein großer, weitaussehender Plan war es, alle Gattungen der Flora Deutschlands in ihren wesentlichen Charakteren, begleitet von dem vollständigen Bilde einer oder einiger Arten, in durchaus neuen, nach der Natur entworfenen Zeichnungen darzustellen. N. hat das Ende nicht erlebt, aber er sah ein schönes Werk begonnen, das bis zum Jahre 1860 in 30 Fascikeln 622 Tafeln mit begleitendem Texte geliefert hat. Den Zweck, welchen N. bei der Herausgabe der Genera verfolgte, dem Anfänger in der Botanik beim Studium großer systematischer Werke durch bildliche Darstellung und knappe Schilderung der Pflanzengattungen eine gute Hülfe zu bieten, hat er durchaus erreicht, wie auch die späteren Bearbeiter dieses Ziel nie aus den Augen verloren. Neben diesen größeren Arbeiten auf botanischem Gebiete laufen viele kleinere Arbeiten einher, theils morphologischen, theils systematischen Inhalts, die meistens in den Acten der Leopoldina oder in den Jahrgängen der Botanischen Zeitung von 1820 an erschienen sind. Darunter befinden sich auch manche Aufsätze über Kryptogamen, für welche sich damals das Interesse der Botaniker zu regen anfing. Folgende seien hier angeführt: „Ueber Flörke’s deutsche Lichenen“ (Botanische Zeitung 1822); „Ueber Keimung von Pteris serrulata etc.“ (ibid. 1823); „Beitrag zur Geschichte der im Wasser wachsenden Schimmelpilze“ (ibid. 1824); „Beobachtung über die Entwicklung der Laubmoose aus ihren Keimkörnern“ (Nova Acta 1825); „Fungi Javanici“ (ibid. 1826); „Plantarum nonnullarum mycetoidearum in horto medico Bonnensi observatarum evolutio“ (ibid. 1832). Die letzte größere Arbeit war das mit Henry zusammen herausgegebene „System der Pilze“, wovon die erste Abtheilung mit einer schwarzen und 11 colorirten Tafeln 1837 erschienen ist. Im J. 1834 half N. einer Anzahl Botaniker den botanischen Verein am Mittel- und Niederrhein gründen und übernahm die Stelle des ersten Directors. Zweck des Vereins war Erforschung der Flora der preußischen Rheinprovinz, wobei N. die Bestimmung der zweifelhaften Pflanzen auf sich nahm und so zunächst eine gründlich bearbeitete Flora dieses Gebiets vorzubereiten gedachte. Allein es sollte dem fleißigen Manne die Erfüllung seines Wunsches nicht mehr werden. N. war seit lange kränklich. Schon während seiner Lehrlingsjahre trat ein Leiden auf, welches in seiner periodischen Wiederkehr ihn zwar häufig belästigte und von geistigem Schaffen abhielt, [380] welchem indeß die allmähliche Gewöhnung Grund zu Befürchtungen nicht beilegte. Da trat im Sommer 1837 eine Wendung seiner Krankheit zu einem Brustübel ein. Er mußte seine Vorlesungen unterbrechen und Bad Ems aufsuchen. Da er hier die gehoffte Linderung nicht fand, folgte er dem Rathe seiner Aerzte, die ihm ein milderes Klima empfahlen und begab sich nach Hyères an der südfranzösischen Küste. Von hier sollte er nicht wieder heimkehren. Er erlag seinem Leiden am 12. December 1837, im 50. Lebensjahre. N. war ein treuer Arbeiter für seine Wissenschaft. Er theilte nicht die Begabung und den hohen Gedankenflug mit seinem älteren Bruder, aber er wirkte still und beharrlich und hat nicht wenig dazu beigetragen, der Pharmacie, als Zweigwissenschaft der Botanik, die ihr gebührende Stellung zu sichern. Viele gelehrte Gesellschaften haben seine Verdienste anerkannt dadurch, daß sie ihn zu ihrem Mitgliede erwählten. In der Botanik lebt sein Name in der Gattung Neesia fort aus der Familie der Malvaceae, die sein treuer Freund Blume ihm gewidmet hat.
Nees v. Esenbeck: Theodor Friedrich Ludwig N. v. E., Botaniker, geb. am 26. Juli 1787 auf dem Bergschlosse Reichenberg im Odenwalde, † am 12. December 1837 zu Hyères. N. kam, nachdem der Vater, ein gräflich Erbach’scher Rentbeamter, nach dem Städtchen Erbach versetzt worden, als achtjähriger Knabe in die dortige Schule, die ihm eine in ihrer Art recht befriedigende Ausbildung gewährte. Der Schulbesuch wurde unterbrochen, als der Vater, seinen Dienst verlassend, das ererbte Familiengut bei Kitzingen antrat und selbst bewirthschaftete. Hierbei mußte auch N. eine Zeit lang seinen Vater unterstützen. Es sagte ihm indessen die Beschäftigung mit der praktischen Landwirthschaft wenig zu und er benutzte deshalb gern seine freie Zeit, um seinen älteren Bruder- Chr. Gottfr. Nees v. Esenbeck: Theodor Friedrich Ludwig Nees v. Esenb. Den Freunden des Verstorbenen gewidmet. Breslau 1838.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: XVIII, 517