ADB:Nees von Esenbeck, Christian Gottfried

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Artikel „Nees von Esenbeck, Christian Gottfried Daniel“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 368–376, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Nees_von_Esenbeck,_Christian_Gottfried&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 22:00 Uhr UTC)
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Band 23 (1886), S. 368–376 (Quelle).
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Nees v. Esenbeck: Christian Gottfried Daniel N. v. E., Botaniker, geb. am 14. Februar 1776 auf dem Reichenberge bei Erbach im Odenwalde, † am 16. März 1858 zu Breslau. Die herrliche Lage des Geburtsortes, eines inmitten bewaldeter Hügel frei gelegenen Bergschlosses, den Grafen von Erbach gehörig, in deren Dienst Nees’ Vater als Beamter stand, weckte in dem empfänglichen Gemüthe des Knaben schon frühzeitig die Liebe zur Natur, die durch eine verständige häusliche Erziehung sowie durch den trefflichen Unterricht auf dem Darmstädter Gymnasium, das N. 1792 bezog, noch mehr genährt und vertieft wurde. Auf der Universität Jena studirte N. von 1796–1799 Medicin, trieb aber daneben, durch seinen Lehrer Batsch angeregt, mit Eifer Naturwissenschaften und Philosophie, letztere vornehmlich unter dem Einflusse Schelling’s. Die Nähe Weimars mit seinen litterarischen Capacitäten, vor allem aber der persönliche Umgang mit Goethe wirkten fördernd auf die geistige Entwicklung des begabten Jünglings. Nach seiner Promotion zu Gießen im J. 1800 begab sich N. prakticirens halber nach seiner Heimath zurück. Er beendigte jedoch bald seine ärztliche Thätigkeit, da sie seine Gesundheit angriff und zog sich 1802 auf das kleine Gut Sickershausen bei Kitzingen a. M. zurück, das ihm seine nach einjähriger Ehe gestorbene Frau hinterlassen hatte. Hier lebte N., nachdem er sich zum zweiten Male vermählt, mehrere Jahre in glücklichster Muße nur seinen Studien und Sammlungen. Neben ausgedehnten sprachlichen Forschungen, die ihn mit der Zeit befähigten in sämmtlichen europäischen Sprachen, die slavischen ausgenommen, sich zurecht zu finden, lag er mit großem Fleiße dem Sammeln von Thieren und Pflanzen ob. So entstand eine Sammlung einheimischer Vögel sowie eine sehr reichhaltige Insectensammlung, welche nebst dem ausführlichen beschreibenden Katalog später in den Besitz der Universität Bonn überging. Es waren namentlich die kleineren, unscheinbaren Formen der Thier- und Pflanzenwelt, welche N. damals mit Vorliebe behandelte. Er untersuchte mit Gravenhorst zusammen die Ichneumoniden und veröffentlichte darüber eine Arbeit im Magazin der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin (Jahrgang 5–7) unter dem Titel „Ichneumonides adsciti in genera et familias divisi“, gab auch eine allgemeine Uebersicht der genera jener Familie, die er dann im neunten [369] Bande der Nova Acta Acad. Leopold. Carol. vom Jahre 1818 abdrucken ließ. Eine vollständige monographische Bearbeitung dieser und der zunächst verwandten Insectenfamilien ist 1834 erschienen. Außerdem entfaltete N. während dieser Zeit eine rege litterarisch-publicistische Thätigkeit durch Veröffentlichung einer großen Reihe von Recensionen über naturphilosophische, naturhistorische und medicinische Schriften in der Jenaer Litteraturzeitung und den entsprechenden Fachjournalen. Besonders verdient seine Thätigkeit als Redacteur der von der kaiserlich Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher herausgegebenen Abhandlungen rühmende Erwähnung. Seit 1816 Mitglied, bald darauf Adjunct, wurde er am 3. August 1818 zum Präsidenten dieser berühmten Gesellschaft gewählt. Als solcher wirkte er bis zu seinem Tode und erwarb sich in diesen 40 Jahren um die Entwicklung jenes Institutes große Verdienste. Der Krieg mit Frankreich zerrüttete die Verhältnisse seines kleinen Gutes und nöthigte N. in den Staatsdienst zu treten. 1817 wurde er als Professor der Botanik nach Erlangen, 1818 in derselben Eigenschaft durch seinen Landsmann und Gönner, den Minister v. Altenstein, nach der neu gegründeten Universität Bonn berufen. Hier lehrte N. bis 1830, verfaßte seine bedeutendsten botanischen Schriften, einen Theil derselben gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Theodor Friedrich Ludwig, der auch sein College wurde und organisirte, unterstützt durch den Gärtner Wilhelm Sinning, den botanischen Garten in Bonn. In dem genannten Jahre aber veranlaßte die Regierung seine Versetzung nach Breslau. Er tauschte mit dem Professor Treviranus, der statt seiner nach Bonn ging. Auch in Breslau setzte N. zunächst noch seine wissenschaftliche und amtliche Thätigkeit mit regem Eifer fort. Allein in Folge seiner immer mehr hervortretenden Hinneigung zu den socialpolitischen und religiösen Strömungen der vierziger Jahre schlug sie nach und nach eine andere Richtung ein und verdrängte mit der Zeit seine Wirksamkeit auf rein wissenschaftlichem Gebiete. Im Januar 1851 wurde N., ein 75jähriger Greis, auf dem Wege des Disciplinarverfahrens aller seiner Aemter entsetzt und ohne Pension entlassen. Die unmittelbare Veranlassung gab eine Anklage wegen Concubinats. Doch war N. schon seit Jahren mit der bestehenden Staatsordnung in Conflict gerathen durch seinen offnen Anschluß an die politische Bewegung des Jahres 1848, sowie an die durch Joh. Ronge seit 1849 ins Leben gerufene religiöse Bestrebung des Christkatholicismus. Schon in früheren Schriften drückte er das Verlangen aus „nach politischer Thätigkeit und Bethätigung alles dessen, was im Lichte der Philosophie in seinem Innern zur Reife gekommen war.“ In Breslau aber schloß er sich bald ganz und gar der socialdemokratischen Partei an und zog sich immer mehr von dem Verkehr mit den gebildeten Ständen zurück. So bot sich denn die merkwürdige Erscheinung, daß man ihn, den anerkannten Gelehrten, den exclusiven Philosophen, den früheren Günstling von Fürsten und Ministern am Abend seines Lebens als radicalen politischen Agitator, als öffentlichen Volksredner, als Begründer religiöser Gemeinschaften, in Verbrüderung mit den untersten Volksclassen erblicken konnte. Er wurde fleißiger Mitarbeiter an radicalen Localschriften, veröffentlichte im März 1848 den Plan eines Arbeiterministeriums, im Juli den Entwurf einer demokratischen Monarchie, wurde Stifter des Breslauer Arbeitervereins und der deutschen Arbeiterverbrüderung, Präsident des Berliner Arbeitercongresses und ging auch als Abgeordneter der Stadt Breslau in die Nationalversammlung nach Berlin. Die letzten Lebensjahre waren für N. trübe und kummervoll. Ohne Einnahme und eignes Vermögen sah er sich zur Erhaltung seiner zahlreichen Familie auf die Unterstützung alter Freunde und Gesinnungsgenossen angewiesen. Seine werthvolle Bibliothek und sein aus 80,000 Exemplaren bestehendes Herbarium [370] mußte er verkaufen und so endete er in einer ärmlichen Miethswohnung in einer der entlegensten Vorstädte Breslaus, über 82 Jahre alt, sein langes, thatenreiches Leben. Zeugniß seines früheren Ruhmes wie seiner großen Popularität legte noch die wahrhaft großartige Betheiligung an seinem Begräbnisse seitens der verschiedensten Alters- und Berufsclassen ab, gleichsam die letzte Anerkennung, die ihm zu Theil wurde. Während seines Lebens hatte es ihm in früherer Zeit an solcher freilich nicht gefehlt. Nicht weniger als 77 gelehrte Gesellschaften, darunter auch außereuropäische, würdigten seine wissenschaftlichen Verdienste durch seine Aufnahme unter die Zahl ihrer Mitglieder, mehrere deutsche Fürsten haben ihn decorirt, die botanische Wissenschaft aber hat in der Pflanzengattung Esenbeckia seinem Namen auch für fernere Zeiten ein würdiges Denkmal gesetzt. In der Vielseitigkeit seiner Begabung wie der Productivität seiner Leistungen steht N. als hervorragendes Beispiel unter den Naturforschern dieses Jahrhunderts da. Vielleicht dürfte in dieser Hinsicht nur sein Altersgenosse und Fachcollege auf dem Berliner Lehrstuhl, Heinrich Friedrich Link, einigermaßen mit ihm verglichen werden können. Nees’ erste Arbeit: „Die Algen des süßen Wassers, nach ihren Entwicklungsstufen dargestellt“ erschien, verhältnißmäßig spät, erst im J. 1814. Was er aber seitdem bis zu seinem 60. Lebensjahre publicirt hat, grenzt ans Unglaubliche. N. selbst hat ein Verzeichniß aller in den 22 Jahren bis 1836 verfaßten litterarischen Arbeiten in dem ersten Hefte des schlesischen Schriftstellerlexikons von K. G. Nowack veröffentlicht. Hier sind angegeben: 33 selbständige Werke, 22 Originalabhandlungen in den von ihm redigirten Nova Acta der Leopoldina, 82 zerstreut in verschiedenen Gesellschaftsschriften erschienene Publicationen, vier Vorreden zu verschiedenen Schriften und 135 Recensionen. Um über die Fülle dieser litterarischen Productionen eine Uebersicht gewinnen zu können, erscheint es am geeignetsten, sie, ohne Rücksicht auf ihre chronologische Reihenfolge, gruppenweise, nach den Materien, die sie behandeln, durchzusprechen. Dabei dürfte sich auch am leichtesten herausstellen, nach welcher Seite hin vornehmlich die wissenschaftliche Bedeutung ihres Autors zu suchen ist. Zuerst sei daher derjenigen Schriften gedacht, welche sich auf die allgemeine Botanik beziehen. Eine Erstlingsarbeit nach dieser Richtung hin ist die Einleitung zu der von G. Bischoff und H. A. Rothe herausgegebenen Schrift „Die Entwicklung der Pflanzensubstanz, physiologisch, chemisch und mathematisch dargestellt etc.“ (1819). Für weitere Kreise berechnet war die von N. noch am Schlusse seiner litterarischen Thätigkeit 1852 veröffentlichte Broschüre „Allgemeine Formenlehre der Natur“. Es sollte darin u. a. der Werth der Naturwissenschaften als Erziehungsmittel dargethan und der Weg gezeigt werden, wie bereits auf der Schule Naturanschauung gelehrt werden müsse. In dem größeren Spielraum, den man im Lehrplane der Gymnasien den Naturwissenschaften einräumte, hat jener Gedanke, freilich erst nach Jahren, seine Anerkennung gefunden. Ein dauerndes Verdienst um die wissenschaftliche Botanik erwarb sich N. durch die Herausgabe einer deutschen Uebersetzung der Werke Robert Brown’s, den er hierdurch als Muster und Vorbild in die deutsche Wissenschaft einführte. Es umfassen diese Uebersetzungen, bei denen auch bedeutendere Schüler und Freunde des Herausgebers behülflich waren, fünf Bände, die in den Jahren 1825–34 erschienen und aus der Feder von N. zahlreiche Noten und Anhänge erhalten haben. Das Werk aber, welches am treffendsten den Standpunkt bezeichnet, den N. der theoretischen Botanik gegenüber einnahm, ist sein „Handbuch der Botanik“, das in zwei Bänden 1820 und 1821 erschienen, zugleich auch den vierten Theil des von Gotthilf Heinrich Schubert herausgegebenen „Handbuch der Naturgeschichte zum Gebrauche bei Vorlesungen“ darstellt. Es trat dieses Werk zu einer Zeit in die Oeffentlichkeit, in welcher die durch Goethe begründete Lehre [371] von der Metamorphose der Pflanze die wissenschaftliche Botanik beherrschte. N. steht in seinem Werke nicht nur voll und ganz auf dem Boden dieser Lehre, sondern sucht auch ihre Consequenzen bis ins Detail auf das ganze Pflanzenreich auszudehnen, das er, wie er meint, von einem höheren naturphilosophischen Standpunkt aus „unter der Form einer Pflanze darzustellen und bis zum Ziele des Wachsthums in der Blüthe und Frucht zu verfolgen“ sucht. Goethe selbst hat ihm dafür warme Anerkennung ausgesprochen und auch sonst findet in den naturwissenschaftlichen Schriften des Dichters sein Name wiederholentlich rühmende Erwähnung. Wenn es nun auch gewiß ist, daß der Gedanke Goethe’s, die verschiedenen Organe einer und derselben Pflanzengestalt von einem einheitlichen Gesichtspunkte aus als metamorphosirte Gebilde einiger wenigen Grundorgane aufzufassen, reformatorisch in die Entwicklung der botanischen Wissenschaft eingegriffen, namentlich aber dem Ausbau der späteren Morphologie wesentlichen Vorschub geleistet hat, so ist doch auch andererseits nicht zu leugnen, daß die von ihrem Urheber mehr auf geniale Intuition als auf folgerichtige Deutung der thatsächlichen Verhältnisse gegründete Lehre selbst schon den Keim zu Irrthümern barg, die aber nun von den Anhängern jener Lehre durch Verquickung mit sogenannten naturphilosophischen Ideen zu fast unglaublichen Absurdidäten entwickelt wurden. Wer das Handbuch von N. liest, kann sich dieses Eindrucks nicht erwehren. Von seinen zwei Bänden enthält der erste Morphologie und Anatomie. Die fünf Abschnitte desselben sind sehr ungleich, da die erste Abtheilung des fünften Abschnittes „Allgemeine Pflanzenkunde“ fast den größten Theil des ganzen Buches ausmacht. Philosophische Speculationen über die Stellung der Naturgeschichte zu den übrigen Wissenschaften, über die Construction der organischen Reiche und ihre Unterscheidungspunkte, über Begriff und Eintheilung der Botanik füllen die vier ersten Abschnitte. Im letzten werden die morphologischen Grundsätze entwickelt. Weitergehend als Goethe, der in der Metamorphose nur eine Umbildung einzelner Organe eines und desselben Pflanzenindividuums sah, will N. durch dieselbe zugleich auch die natürliche Entwicklung der Formen aller Pflanzentheile durch das gesammte Pflanzenreich erklärt wissen, somit also die Grundlagen eines natürlichen Pflanzensystems mit Hülfe der Metamorphosenlehre aufbauen. Jeder Pflanzentheil unterliegt so einer doppelten Betrachtung; zunächst nach dem allgemeinen Metamorphosengang durch die Stufen des Gewächsreiches, sodann nach seiner besonderen Metamorphose an der einzelnen Pflanze. Beispielsweise sagt N. über den Metamorphosengang der Blätter folgendes: „Wie das Blatt sich von schmälerer Basis aus verbreitert und wieder zuspitzt, so auch die Gesammtbildung der Blätter eines pflanzlichen Einzelwesens: die Wurzelblätter einfach, erst klein, dann größer, erst stumpfer, dann spitzer; auf der mittleren Höhe des Stengels sind die Blätter am breitesten. Die Blumenblätter sind die Spitze des einen großen Blattes, das alle Blätter der Pflanze in sich faßt. Alle Blätter einer Pflanze, alle Blätter aller Pflanzen zusammen sind gleich einem Blatte, das wieder in sich Wurzel, Stengel und Blatt darstellt.“ Nur als Spielerei mit Worten kann ein nach den Principien moderner Naturforschung geschulter Kopf diese Abstractionen betrachten. Einen Fortschritt in der Entwicklung der Metamorphosenlehre wird man hierin wie in dem ganzen Werke nicht erblicken können. Im Grunde ist es nur die alte, aber wenig klare Idee der Expansion und Contraction, welche nach allen Richtungen ausgesponnen wird. Dazu kommt, daß die Sprache nicht selten ein geradezu mystisches Gewand annimmt. Man vergleiche nur, was der Verfasser z. B. über die Farbe der Pflanzen sagt: „Grün, die Farbe des Pflanzenreichs, liegt in der Mitte der sieben prismatischen Farben, bezeugt die Ausgleichung des Streites des Lichts mit der organischen Materie und entspricht darum der Idee des Pflanzenreiches [372] und thut dem Auge so wohl.“ Auf einem realeren Boden bewegt sich N. in seinen monographischen Bearbeitungen einzelner Pflanzen oder Pflanzengruppen, deren nunmehr, als der zweiten Rubrik, in welche sich seine Schriften bringen lassen, gedacht werden soll. Hier steht N. in der That auf der Höhe seiner Zeit, hier ist seine Bedeutung für die botanische Wissenschaft zu suchen. Zwei Jahre nach seiner Erstlingsarbeit über die Algen des süßen Wassers (1814) folgte die Veröffentlichung eines umfangreicheren Werkes, welches die höheren Kryptogamen behandelt unter dem Titel „System der Pilze und Schwämme“. 46 Tafeln bieten die colorirten Abbildungen von wol ziemlich allen, damals bekannten Pilzformen, von den Staub- und Brandpilzen an bis zu den größten Hutpilzen. Die Abbildungen sind im ganzen naturgetreu, die Beschreibungen freilich nur kurz und oberflächlich; mikroskopische Details einzelner Theile, z. B. der Sporen, sind hin und wieder abgebildet und die Nährpflanzen angegeben. Insofern das Werk durch Aufzählung der seiner Zeit bekannten, schon recht zahlreichen Pilzarten für spätere Forscher die empirische Basis bilden konnte, ist es nicht ohne Werth gewesen, was dagegen in Bezug auf die Entwicklung und die Natur der behandelten Gewächse vom Verfasser gesagt ist, ist auch hier noch wegen der leeren naturphilosophischen Speculationen und des schwülstigen Stiles unbrauchbar geblieben. Viel besser ist die monographische Bearbeitung der Astern, worüber N. zwei Arbeiten veröffentlichte. Die erste erschien 1818 als „Synopsis specierum generis Asterum herbaceorum, praemissis nonnullis de Asteribus in genere, eorum structura et evolutione naturali“. In dieser als Vorläufer des späteren Werks geltenden Publication wird zunächst der Charakter des genus Aster eng umgrenzt, wobei der Verfasser der von Linné gegebenen Deutung folgt und sodann das verwandte genus Solidago in allen wesentlichen Punkten zum Vergleich herangezogen. Nach einigen allgemeinen Bemerkungen über Vaterland, Boden, Blüthezeit, Fortpflanzung und Farbe, folgt dann die Aufzählung und Beschreibung der Arten. Seit dem Erscheinen dieser Arbeit hat sich N. fortgesetzt mit dem Studium der Astern beschäftigt. Durch eigne Beobachtung und Cultur vieler Arten, unter Benutzung der bedeutendsten Herbarien und mit Hülfe von Mittheilungen befreundeter Botaniker sowie der einschlägigen Litteratur, hatte N. allmählich das Material für sein größeres, 1833 erschienenes Werk gesammelt: „Genera et species Asterearum“. In der für descriptive Werke üblichen Weise verfaßt, behandelt es in sechs Sectionen 32 Gattungen, worunter sieben neu aufgestellte und 208 Arten. Eine Abhandlung über die geographische Verbreitung nebst einer Uebersichtstabelle und einem bequem eingerichteten Index machen den Schluß des Werkes, das der Fleiß seines Autors zu einer werthvollen Bereicherung der botanischen Litteratur gemacht hat und das auch neben dem fast gleichzeitig erschienenen umfassenderen Werke von Chr. Fr. Lessing: „Synopsis generum Compositarum“ seinen Platz behauptete. Dem Studium der blüthenlosen Pflanzen hatte sich N. schon früh mit besonderer Vorliebe gewidmet, was um so verdienstvoller war, als zu seiner Zeit jene Gruppe von Pflanzen von den Botanikern noch arg vernachlässigt wurde. Eine Frucht dieses Studiums war die in Gemeinschaft mit Fr. Hornschuch und dem Zeichner J. Sturm in den Jahren 1823 bis 1831 in zwei Bänden veröffentlichte „Bryologia germanica, oder Beschreibung der in Deutschland und der Schweiz wildwachsenden Laubmoose“. Mit großem Fleiße ist von den Verfassern in diesem Werke alles niedergelegt, was damals über die Moose in anatomischer und physiologischer Hinsicht bekannt war, sowie eine treffliche Geschichte des Moosstudiums von Theophrast bis auf die neueste Zeit gegeben. Der systematische Theil umfaßt 64 Gattungen, die zunächst auf einer großen Uebersichtstafel zusammengestellt, dann im Einzelnen ebenso wie die Arten in lateinischer und deutscher Sprache diagnosticirt werden. [373] Die Fundortsangabe und Synonymie ist nach Möglichkeit vollständig. Die zwölf Kupfertafeln des ersten und die 30 des zweiten Bandes zeichnen sich durch Treue und Eleganz in der Ausführung aus. Das Werk ist nicht vollendet worden, da der Verleger dabei nicht seine Rechnung fand. Die verwandten Lebermoose erfuhren von N. gleichfalls eine monographische Bearbeitung. Unter dem Titel „Naturgeschichte der europäischen Lebermoose, mit besonderer Beziehung auf Schlesien und die Oertlichkeiten des Riesengebirges“ erschienen von 1833–1838 vier Bändchen, die als ein Theil des Sammelwerkes „Erinnerungen aus dem Riesengebirge“ zu betrachten sind. Die anschaulich und klar geschriebenen beiden ersten Abschnitte des ersten Bandes geben als Einleitung eine Anweisung zur Untersuchung und Bestimmung der Lebermoose, sowie eine Darstellung ihres anatomischen Baues, worauf im dritten Abschnitt die systematische Anordnung und die specielle Beschreibung der Jungermannieen folgt, von denen der Verfasser 22 europäische Gattungen aufstellt. Das zweite Bändchen ist ungleich stärker, enthält die Fortsetzung der Jungermannieen, sowie einige sich daran anschließende Gattungen und schließt mit Verbesserungen und Nachträgen zum ersten Bande. Die beiden letzten enthalten den Rest der damals bekannten Lebermoose. Von der beifälligen Aufnahme, deren sich diese Bearbeitung der europäischen Lebermoose erfreute, zeugen die durchweg anerkennenden Recensionen in den botanischen Fachjournalen jener Jahre. Auch die exotischen Formen dieser Gewächse beschäftigten N. mehrfach. Die von den Reisenden Blume und Reinwardt auf Java und den benachbarten Inseln gesammelten Arten behandelte er in dem ersten Bändchen der „Enumeratio plantarum cryptogamicarum Javae et insularum adjacentium“ (1830), worin er unter 118 Arten 78 neue aufstellte und die brasilianischen Arten, 79 an der Zahl, veröffentlichte er unter dem Titel „Hepaticae Hedwigii“ in dem ersten Theil des ersten Bandes der von Martius herausgegebenen Flora brasiliensis im J. 1833, wozu das Manuscript bereits vier Jahre früher fertiggestellt war. Gleichfalls für die Flora bras. verfaßte N. eine „Agrostologia brasiliensis, s. descriptio graminum in imperio brasiliensi hucusque detectorum“ vom Jahre 1829, welche den zweiten Band des großen Werkes bildet. Außer einer ausführlichen Beschreibung der bekannten wie der neu entdeckten brasilianischen Gräser enthält die Arbeit auch lesenswerthe Angaben über ihre Verbreitung und technische wie ökonomische Benutzung. Ein verdienstvolles Unternehmen war ferner die von N. im Verein mit seinem Bruder Friedrich herausgegebene Schrift „Amoenitates botanicae Bonnenses“. Es sollte unter diesem Namen ein periodisch erscheinendes Werk erstehen, welches schöne und seltene, im Bonner botanischen Garten cultivirte Pflanzen durch Wort und Bild dem Leser vorführe. Zwei Fascikeln sind jedoch nur erschienen. Das erste vom Jahre 1823 enthält eine Abhandlung der Gebrüder Nees: „De Cinnamomo disputatio“. Mit großer Gelehrsamkeit ist hier eine ausführliche Geschichte des Zimmets gegeben, woran sich kritische Untersuchungen über die beschriebenen Arten knüpfen. Auch der chemisch-pharmaceutische Theil ist nicht ohne Interesse. Auf sieben Tafeln sind die Abbildungen der bekannten Zimmetbäume, sowie von zwei neuen Arten gegeben. Eine Berichtigung zu dieser Arbeit erschien übrigens später im 14. Jahrgang der Zeitschrift Flora vom Jahre 1831. Es enthält auch das erste Bändchen der Amoenitates den Grundriß und die Beschreibung des damaligen Zustandes des botanischen Gartens in Bonn, der unter den Gebrüdern Nees und der thätigen Beihülfe des Gärtners Wilh. Sinning einen erfreulichen Aufschwung nahm. Das zweite Bändchen der Amoenitates vom Jahre 1824 enthält „Plantarum icones selectae“ mit sechs colorirten Tafeln und den Beschreibungen von Catasetum purum, Lecanocarpus nepalensis und Hygrophila costata. Eine mehrjährige Beschäftigung mit den Lorbeergewächsen veranlaßte [374] N. zu einer umfassenden Monographie dieser bis vor ihm wenig gekannten Pflanzenfamilie. Sie erschien 1836 unter dem Titel „Systema Laurinarum“, begleitet von einer Karte zur Erläuterung der geographischen Verbreitung. Zum ersten Male wurde hier der Versuch gemacht, das ältere, zerstreut in den Herbarien niedergelegte Material mit dem von neueren Reisenden beigebrachten zu einem wissenschaftlich geordneten Ganzen zu verbinden. Die Zahl der bekannten Lorbeerarten ist hierdurch auf 392 gestiegen. Von älteren Arbeiten des Verfassers über die Laurineen seien hierbei erwähnt: „Laurinae Indiae orientalis“ in Wallich’s „Plantae asiat. rariores“, Vol. II et III (1832), ferner: „Hufelandiae illustratio“, d. h. Beschreibung einer neuen Laurinee, veröffentlicht 1833 in einer aus Anlaß des 50jährigen Amtsjubiläums Chr. W. Hufeland’s seitens der Leopoldinischen Akademie herausgegebenen Jubelschrift und endlich noch verschiedene Aufsätze in der Zeitschrift Linnäa aus demselben Jahre. Die nicht weniger schwierige Gruppe der Brombeergewächse unterzog N. in Gemeinschaft mit A. Weihe einer strengen Sichtung. Das Resultat ihrer gemeinsamen Arbeit war die 1822–1827 in 10 Heften mit 52 Tafeln herausgekommene Schrift „Rubi germanici, descripti et figuris illustrati“, auch mit deutschem Titel und Text erschienen. Die Einleitung, Diagnosen und Synonymie, wie der lateinische Text überhaupt sind von N. verfaßt. Von selbständig erschienenen Schriften aus der Feder von N. seien zuletzt noch folgende erwähnt: die Bearbeitung der Solanaceae, Acanthaceae, Laurinaceae und Piperaceae in Ecklon’s „Enumeratio plantarum Capensium“ (1835), die der capensischen Gräser für dasselbe Werk vom Jahre 1841 und die Bearbeitung der Acanthaceae und Cyperaceae für die flora brasiliensis und der Acanthaceae allein für De Candolle’s Prodromus im J. 1847. Sie alle bewegen sich auf systematischem Gebiete wie nicht minder der bei weitem größte Theil der längeren oder kürzeren Aufsätze, welche in der Zeit von 1820–1840 in fast jedem Jahrgange der Zeitschriften Flora, Linnäa und namentlich der Verhandlungen der Leopoldina von N. veröffentlicht, zu finden sind. Nicht allein der eiserne Fleiß verdient hierbei Bewunderung, welcher ein wissenschaftliches Material von so gewaltigem Umfange bewältigt hat, sondern die Art der Behandlung ist es, welche den Systematiker N. zu einem Meister in seinem Fache stempelt, dem auch heute noch jede Anerkennung willig gezollt werden wird. Jedenfalls gereicht es ihm zum Ruhme, daß er bei seiner Detailforschung kritisches Talent mit scharfer Naturbeobachtung zu verbinden wußte, ohne sich durch seine Neigung zu metaphysischen Speculationen dabei irreleiten zu lassen. Sein Stil ist nicht immer einfach und leicht faßlich, aber doch charakteristisch und nicht selten durch geistreiche Wendungen anziehend. So zeigt er sich auch in den zahlreichen Recensionen über naturwissenschaftliche oder philosophische Werke, die meist in der Jenaer Litteraturzeitung und verschiedenen Fachjournalen publicirt wurden. Unmittelbar neben seinem Rufe als botanischer Schriftsteller steht aber der als Herausgeber der Nova Acta der kaiserlichen Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher. Am 3. August 1818 wurde N. als Nachfolger v. Wendt’s zum Präsidenten dieser Akademie gewählt, jener Gelehrtenvereinigung, welche als einzige von allen Institutionen des alten deutschen Reiches dasselbe überlebt und sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat. N. hat es verstanden durch seine nie ermüdende Energie die Akademie nicht nur vor der Vergessenheit zu bewahren, in welche sie seit dem Sturze des deutschen Kaiserreiches zu fallen drohte, sondern auch sie einer neuen Epoche der Blüthe entgegen zu führen. Seinem Einflusse gelang es, für das verwaiste Reichsinstitut die Adoption des preußischen Staates zu gewinnen, der seit dem Jahre 1819 eine dauernde jährliche Geldunterstützung gewährte. Dadurch wurde die Akademie in den Stand gesetzt, ihre Arbeiten in [375] einer großen Reihe stattlicher Quartbände, auf das beste ausgestattet und von zahlreichen werthvollen Kupfertafeln begleitet, in ununterbrochener Folge erscheinen zu lassen. Während der 40jährigen Wirksamkeit als Präsident sind unter der Redaction von N., die mit dem neunten Bande begann, in den Jahren 1818–1858 47 Quartbände, einschließlich der Supplemente, herausgekommen, welche 486 Abhandlungen mit 1480 Kupfertafeln, Lithographien, Karten etc. enthalten, während die Zahl der Mitglieder, die ihren Wohnsitz in allen civilisirten Ländern der Erde hatten, auf 493 gestiegen war. Wenn N. in seinem Feuereifer bei seiner redactionellen Thätigkeit freilich auch nicht selten die finanziellen Kräfte der Akademie überschätzte und in der Hoffnung auf die Zukunft Einnahmen und Ausgaben nicht immer in Bilanz erhielt, seinem Nachfolger vielmehr eine beträchtliche Schuldenlast zurückließ, so muß dies seine Entschuldigung finden in der unverdrossenen Aufopferung, mit welcher N. als Redacteur, Corrector der Acta, als Correspondent und Verwalter bis zu seinem Lebensende aus reiner Liebe zur Wissenschaft gewirkt hat, da mit dem Amte eines Präsidenten Einkünfte nicht verbunden waren. In den späteren Lebensjahren kam bei N. jene Richtung metaphysischer Speculation zum Durchbruch, auf die seine ganze Natur hin eigentlich angelegt war. Sie zeitigte eine Reihe von Schriften, die in deren Classification die dritte und letzte Gruppe bilden möge. In dem 1841 erschienenen „System der speculativen Philosophie“ kann sein philosophisches Gaubensbekenntniß geshen werden. Es ist nur der erste Band, die Naturpilosophie, an die Oeffentlichkeit gekommen. Das Werk ist mit Recht der Vergessenheit anheimgefallen, wie wol die meisten Schriften der sogenannten Naturphilosphen im ersten Drittel unseres Jahrhunderts, welche, stolz auf die Resultate, welche die Philosophie für die Erkenntniß des Geistes gewonnen, nun auch ihre Deductionen auf die Naturerkenntniß ausdehnen, ja die Lücken der Beobachtung durch aprioristische Schlußfolgerungen ergänzen, somit ein allgemeines, mit dem Schein absoluter Wahrheit auftretendes System der Weltordnung begründen wollten. Seine ethischen Grundsätze entwickelte N. in der 1845 erschienenen Schrift „Das Leben der Ehe in der vernünftigen Menschheit und ihr Verhältniß zum Staat und zur Kirche“. In dem Versuche, die Verwerflichkeit der unter dem Gesetze stehenden Ehe, gegenüber einem freien, d. h. von keinem kirchlichen Zwange beeinflußten Zusammenleben von Mann und Weib, als der „allein wahren Darstellung des reinen Menschenbegriffs“ zu schildern, überschreitet die Schrift die Grenzen, welche eine tiefer begründete Ethik der Moral und Sittlichkeit in einem civilisirten Staatsorganismus vorschreibt. So wurde denn auch dieses Buch die Hauptstütze für die Anklage gegen N., welche schließlich zu seiner Amtssuspension führte, zumal er kein Bedenken trug, seine Theorie auch in seinem eignen Leben praktisch durchzuführen. Mit welchem Eifer N. an der politischen Bewegung des Jahres 1848 durch Wort und That Antheil nahm, ist Eingangs bereits berührt worden. Anlaß zu erneuter schriftstellerischer Thätigkeit gab ihm das Auftreten des Christkatholicismus, das von Breslau seinen Ausgang nahm, Letzterer erschien ihm als die langersehnte Religion der Humanität, die Lebensregung der Philosophie, „die endlich in ihrer Heimath zum Dasein gelangt ist“. Er sprach seine Ueberzeugung in mehreren selbständig erschienenen Schriften aus: „Die Wahrheit des positiven Christenthums im Christkatholizismus“ (1848); „Die Offenbarung der Vernunft im Christenthum des Verstandes und ihre Verfolgung“ (1852); „Das Leben in der Religion“ (1853) und verfocht überdies in zahlreichen Aufsätzen in der „Zeitschrift für freies religiöses Leben“ von Hofferichter und Kampe seine Meinung frei und unumwunden. N. blieb bis zu seinem Tode als Vorsteher der christkatholischen Gemeinde zu Breslau thätig und trug standhaft alle Verfolgungen, welche in den letzten Jahren über dieselbe verhängt [376] wurden. Es war ihm heiliger Ernst um die Sache, die er vertheidigte und ehrt seinen Charakter, daß er derselben nicht nur während ihres Sieges mit Uneigennützigkeit anhing, sondern auch nach ihrer Unterdrückung unerschrocken für sie einstand. Mit Unrecht hat man N. als Atheisten und Materialisten ausgegeben. Durch und durch Idealist, war er ein prinzipieller Gegner des modernen Materialismus. Der Glaube an Gott und die Unsterblichkeit der Seele war ihm ein Bedürfniß der Vernunft wie des Gemüthes und noch in seinen letzten Tagen beschäftigte ihn die Uebersetzung des Davis’schen Buches über die Unsterblichkeit der Seele, die er unvollendet lassen mußte. Der Grundzug seines Charakters war wahrhafte Menschenfreundlichkeit und Humanität, die er überall, selbst bis zur Schwäche bethätigte. Im Umgange bescheiden, frei von Pedanterie und Gelehrtenhochmuth, hat er eine große Schaar begeisterter Anhänger und Freunde unter seinen Zeitgenossen sich zu erwerben verstanden, und mag man die Verirrungen seines Lebens auch unentschuldbar finden, so hat er sie auch schwer gebüßt und man wird zugeben müssen, daß N. mit zu den bedeutendsten jener hochbegabten Männer gehörte, welche aus der weimarischen Blüthezeit hervorgegangen sind.

Nova Acta Acad. Caes. Carol. Leop. 1860, Vol. 27. – Leipziger Illustrirte Zeitung 1858, 30. Bd., Nr. 778. – Nowack, Schlesisches Schriftstellerlexikon, 1. Bd., 1836.[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 368. Z. 21 v. o.: Vgl. auch Reusch, Der Index der verbotenen Bücher II, 535. [Bd. 24, S. 787]