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Artikel „Schlichtkrull, Aline von“ von Adolf Häckermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 489–491, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schlichtkrull,_Aline_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 19:01 Uhr UTC)
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Schlichtkrull: Aline von S., talentvolle Schriftstellerin besonders im Roman, wurde zu Silenz a. Rügen am 20. November 1832 geboren und starb am 5. März 1863 zu Berlin. Früh trat ihre künstlerische Begabung in vielseitiger Richtung hervor und schon während ihrer Erziehung im Elternhause wandte sie sich mit zunehmendem Eifer der Malerei, Musik und Poesie zu; ihre Lernbegierde war unersättlich und wurde von einem ungewöhnlich starken Gedächtniß unterstützt, für Weltgeschichte insonderheit interessirte sie sich auf das lebhafteste. Im Frühjahr 1845 ward sie nach Berlin in eine Pension gebracht und seit 1847 privatim in Litteratur, Geschichte, Malerei und Musik unterrichtet. Durch häufigen Besuch des Theaters angeregt, schrieb sie heimlich eine Tragödie in Versen: „Königin Rosamunde“. Ihre ganze Kraft jedoch wandte sie zur Zeit noch der Musik zu, in welcher sie dereinst Großes leisten zu können hoffte, und wurde darin von dem jüngeren Kullack unterrichtet. Im October 1847 verließ sie Berlin und kehrte zu ihrer Familie nach Engelswacht bei Stralsund zurück. Doch behagte ihr die Stille des Landlebens nicht; sie sehnte sich nach Berlin und füllte die Zwischenzeit mit der Abfassung einer „Geschichte der deutschen Literatur“ aus, die Manuscript blieb. Ihrem unablässigen Andringen, sie nach Berlin zurückzuschicken, um sich ganz der Musik zu widmen, gab der Vater endlich nach, und im Herbst 1850 trat sie in das damals neu gegründete Marx-Kullack-Stern’sche Conservatorium ein. Inzwischen hatte sie auch in englischer [490] Sprache, für welche sie eine besondere Vorliebe besaß, einen Roman „the life of a statesman“ vollendet, der erst später in deutscher Umarbeitung unter dem Titel „Morton Varney“ im Feuilleton der Nationalzeitung erschien. Rastlos betrieb sie nun ihre musikalischen Studien und schätzte sich glücklich, im Frühjahr 1851 in das Haus des Prof. Kullack selbst übersiedeln zu dürfen, zumal sich ihr damit ein anregender Verkehr im Kreise namhafter Künstler eröffnete. Nebenher unterhielt sie selbständig litterarischen Umgang mit Heinrich Smidt, Luise Mühlbach und Max Ring. Gruppe’s Musenalmanach für 1851 brachte einige lyrische Gedichte von ihr. Nach Ablauf der auf drei Jahre berechneten Studienzeit wünschte der Vater dringend die Heimkehr der Tochter; indeß beschloß die letztere ihrer geistigen Interessen wegen in der Landeshauptstadt zu bleiben und suchte dies durch eignen Erwerb in Privatstunden auf Kullack’s Empfehlung zu ermöglichen. Nach und nach jedoch mochte sie sich der Ueberzeugung erschließen, daß ihre musikalische Begabung nicht so eminent sei, um den hochgespannten Wünschen und Hoffnungen zu entsprechen, und sie wandte sich fortan mehr der Schriftstellerei zu. Besondere Anregung mag der Verkehr mit dem Professor Mundt und dessen Gattin (Luise Mühlbach) gegeben haben. Den innigsten Seelenbund aber, welcher zu einem persönlichen Zusammenleben für alle Zukunft führte, schloß sie mit der Künstlerin Elise Schmidt, welche sich durch dramatische Vorträge antiker Dichtungen bekannt gemacht hat. Im Frühling 1853 verließ Aline S. die Pension bei Kullack und bezog gegen den Wunsch der Eltern mit der letzteren eine gemeinschaftliche Wohnung, bis sie, dem Willen des Vaters gehorsam, für kurze Zeit ins Elternhaus zurückkehrte. Mittlerweile hatte sie den Roman „Die verlorene Seele“ vollendet, welcher 1853 zu Görlitz in 4 Bänden erschien und ihr einen Namen in der litterarischen Welt erwarb. Mehr auf historischem Boden steht der 1855 gleichfalls in Görlitz erschienene Roman „Cardinal Richelieu“, zu welchem sie die nöthigen geschichtlichen Vorstudien während eines längeren Aufenthaltes in Paris selbst gemacht hatte. Inzwischen gestaltete sich das Verhältniß zu Elise Schmidt immer enger und hieraus entstand ihr neue Beschäftigung, indem sie mit der Freundin gemeinschaftlich zum Zweck declamatorisch-musikalischer Aufführungen wiederholt Reisen durchs In- und Ausland unternahm, auf denen sie die Recitation antiker Dichter durch musikalische Composition und Begleitung unterstützte. Bei den Erstlingsversuchen im Winter 1855 ernteten die Künstlerinnen vielfachen Beifall. Leider jedoch begann Aline S. schon damals zu kränkeln und es traten die ersten Spuren des unheilvollen Leidens hervor, dem sie so früh erliegen sollte. Angestrengte Thätigkeit sowie innere Kämpfe, hervorgerufen durch das damals beginnende Zerwürfniß mit der Familie, welche die Trennung von der Schmidt und Rückkehr nach der Heimath dringend wünschte, erschöpften sichtlich ihre Kräfte. Gleichwohl unternahm sie mit der Freundin im Frühjahr 1856 eine Studien- und Kunstreise nach London, welche sie mit den höchsten Kreisen der britischen Aristokratie in persönliche Berührung brachte. Nach der Rückkehr verlebte sie alljährlich den Sommer gewöhnlich zu Engelswacht, den Winter dagegen in Berlin. An den „Cardinal Richelieu“ anknüpfend vollendete sie 1857 den Roman „Cordelia“, zu dem sie historische Studien mit der ihr eigenen Gründlichkeit betrieben hatte. Auch in der dramatischen Poesie versuchte sie sich, doch blieben ein Trauerspiel „Beethoven“, ein Operntext „Rosamunde“, ein Schauspiel „Jacta est alea“ Manuscripte; eine Tragödie „Themistocles“ Fragment, und nur ein Lustspiel: „Koquetterie der Tugend“ wurde unter dem Titel „Liebe aus Laune“ für die Bühnen gedruckt. Neuen Kunstreisen nach Hamburg und Königsberg in den Jahren 1857 und 1858 folgten bei zunehmendem Siechthum 1858–62 wiederholte Badereisen. Während dieses Zeitraumes gingen aus ihrer nie rastenden [491] Feder hervor: „Der Agitator von Irland“ (1859), „Laterna magica“, eine Sammlung von Originalnovellen (1860), kleinere Aufsätze im Leipziger Literaturblatt, im Feuilleton der Nationalzeitung außer dem vorerwähnten „Morton Varney“ die Biographie von „John Hampden“ sowie eine Lebensskizze von Honoré Gabriel Mirabeau, endlich 1861 „Das Leben des Freiherrn von Stein“. Hieran sollte sich eine Lebensbeschreibung des Königs Leopold von Belgien schließen. Sie hatte die Absicht, die Biographien jener vier Vertreter des Constitutionalismus später in einem zusammenhängenden Werk herauszugeben unter dem Titel: Illustrationen zur Geschichte des Constitutionalismus. Trotz der Badekuren mehr und mehr kränkelnd, blieb sie geistig frisch und lebhaft bei der Arbeit und zog sogar die lateinische Sprache in den Kreis ihrer Studien. Von Reichenhall über München zurückgekehrt, wo die beiden Freundinnen die letzten melodramatischen Vorstellungen gaben, arbeitete sie zu Berlin an der vorerwähnten Biographie des Königs der Belgier, als sie vom Tode überrascht ward; ihre Bestattung erfolgte am 8. März 1863 auf dem Matthäikirchhofe.

Privatmittheilung der Familie.