ADB:Schimper, Wilhelm Philipp

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schimper, Philipp Wilhelm“ von Wilhelm von Gümbel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 277–279, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schimper,_Wilhelm_Philipp&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 12:07 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Schimper, Carl
Nächster>>>
Schimper, Wilhelm
Band 31 (1890), S. 277–279 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Wilhelm Philipp Schimper in der Wikipedia
Wilhelm Philipp Schimper in Wikidata
GND-Nummer 117271497
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|31|277|279|Schimper, Philipp Wilhelm|Wilhelm von Gümbel|ADB:Schimper, Wilhelm Philipp}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117271497}}    

Schimper: Dr. Philipp Wilhelm S., ausgezeichneter Naturforscher, namentlich auf den Gebieten der Bryologie und Phytopaläontologie, entstammt einer elsässischen Pfarrersfamilie und wurde am 12. Januar 1808 zu Doßenheim bei Buchsweiler im Elsaß geboren. Unter der sorgsamen Pflege seines [278] Vaters wuchs der wißbegierige und hochbegabte Knabe heran und machte sich eine strenge Gewissenhaftigkeit und Ausdauer in der Arbeit eigen. Durch den Besuch des Gymnasiums in Buchsweiler herangebildet, wollte sich S. anfänglich dem theologischen Fache widmen, wendete sich aber auf der Universität Straßburg bald den naturwissenschaftlichen Studien zu, denen er schon von Jugend auf zuneigte, ohne eigentlich eine besondere Anregung von außen zu erhalten. S. suchte sich vorerst gründliche Kenntnisse in allen Zweigen der Naturwissenschaft zu verschaffen, scheint aber durch den Umgang mit seinem genialen Vetter Karl Schimper, dem bekannten Naturforscher, dann mit dem großen Botaniker Alexander Braun und dem berühmten Agassiz veranlaßt, die Botanik zu seinem Hauptsache gewählt zu haben. Nach Beendigung seiner Universitätsstudien gewann S. zunächst eine bescheidene Stellung 1835 als Custos an dem Straßburger naturwissenschaftlichen Museum, an dem damals auch der Geologe Voltz thätig war. Als besondere Aufgaben für seine botanischen Forschungen wählte sich S. schon frühzeitig die Classe der Moose aus, auf welche zu jener Zeit durch Hetwig’s und Bridel’s Arbeiten die allgemeine Aufmerksamkeit gelenkt worden war. Durch eisernen Fleiß und Energie gelang es ihm bald, sich zum anerkannten Meister auf dem Gebiete der Bryologie emporzuschwingen. Mit dem in aller Bescheidenheit thätigen, ausgezeichneten Mooskenner Philipp Bruch in Zweibrücken, dem sich später der Lehrer für Naturwissenschaften an der Gewerbeschule daselbst, Theodor Gümbel, beigesellte, unternahm S. eine der umfassendsten monographischen Publicationen über die in Europa vorkommenden Laubmoose in der „Bryologia europaea“ mit 6 Bänden Text und 640 Tafeln Abbildungen 1835–1855, nebst Supplement (1864–1868) mit 40 Tafeln. Als Ergänzung dieser grundlegenden systematischen Darstellung fügte S. später (1860) noch eine „Synopsis muscorum europaeorum“ in zweiter Auflage 1876 mit einer lehrreichen Tafel über die geographische Verbreitung der Laubmoose hinzu. Die allgemeinen Verhältnisse der Moose beschrieb er in dem Werke: „Recherches anatomiques et morphologiques sur les mousses“ 1850. Vorläufer dieser größeren bryologischen Publicationen war eine Beschreibung der Laubmoose Chile’s (Muscorum Chilensium species novae in den Ann. d. scienc. natur. t. VI, p. 144. 1836). Es folgte dann später noch eine große Reihe von Abhandlungen über einzelne Gattungen und Arten von Moosen, welche hier besonders namhaft zu machen, kein allgemeins Interesse bietet. Hervorgehoben zu werden verdient jedoch unter diesen die Schrift: „Mémoire pour servir à l’histoire naturelle des Sphagnum“ 1854 (auch in deutscher Sprache 1857 publicirt). S. unternahm behufs Aufsammlungen und Beobachtungen der Mooswelt viele Reisen, nicht bloß in die benachbarten Vogesen, den Jura, die Alpen, sondern auch in entferntere Länder, nach Skandinavien, Südfrankreich und Spanien. Er galt anerkannter Maaßen als der beste Kenner der Moose und in seinen Händen sammelte sich ein großartiges Material aus allen Ländern der Erde, das seinen umfassenden Studien zur Unterlage diente. Trotz dieser engbegrenzten Beschäftigung mit den Moosen versäumte S. es nicht, sich in das Studium der gesammten Pflanzenwelt zu vertiefen. Dadurch und durch die Aneiferungen, welche S. von dem Geologen Voltz und dem berühmten Paläontologen Agassiz erhielt, wurde er auf ein neues Feld wissenschaftlicher Thätigkeit, nämlich auf das Studium der Pflanzen der Vorwelt, hingeleitet. Eine erste Anregung hierzu gab das reiche Material von Pflanzenversteinerungen aus den obersten Schichten des bunten Sandsteins (Voltziensandstein) vom Sulzbad in der Nähe von Straßburg, an dessen städtischem Museum S. 1839 zum Conservator und 1866 zum Director befördert worden war. Zugleich wurde er auch zum Professor der Geologie und Mineralogie an der Universität ernannt. [279] Gemeinschaftlich mit Voltz hatte S. bereits 1835 eine geologische Abhandlung: „Note sur le grès bigarré de la grande carrière de Soultz les bains“ (Mém. d. l. Soc. nat. de Strasbourg II)) veröffentlicht. Eine erste Publication auf ausschließlich phytopaläontologischem Gebiete war die Beschreibung der ebenerwähnten Pflanzenreste von Sulzbad, welche er in Gemeinschaft mit dem eifrigen Sammler Mougeot in dem mit prachtvollen farbigen Abbildungen geschmückten Werke: „Monographie des plantes fosssiles du grès bigarré de la chaine des Vosges“ 1841 zur Veröffentlichung brachte. Es folgte bald eine weitere umfassende Publication über die Culmpflanzen der Vogesen: „Le terrain de transition des Vosges“ 1862. S. erwarb sich durch diese mustergiltigen Monographien den Ruhm eines ebenso gründlichen Systematikers auf dem Gebiete der ausgestorbenen Pflanzenwelt, wie er sich denselben auf jenem der Mooskunde bereits früher errungen hatte. Mehr und mehr wendete sich S. nun der Untersuchung fossiler Pflanzen zu. Sein Hauptverdienst in dieser Richtung beruht auf dem Meisterwerke: „Traité de paléontologie végétale“ 1869 bis 1874 in 2 Bänden, welchem die Schrift „Palaeontologica Alsatica“ 1854 vorausgegangen war. In diesem umfassenden Werke versuchte S. mit bewunderungswürdigem Fleiß alle bis dahin bekannt gewordenen Pflanzenversteinerungen mit kritischer Sichtung in das allgemeine System einzuordnen und zugleich auch die fortschrittliche Entwicklung der gesammten Pflanzenwelt nachzuweisen. Eine letzte allgemeine Zusammenstellung der fossilen Pflanzen begann S. mit dem Beitrag zu v. Zittel’s Handbuch der Paläontologie, von dem leider nur die erste Lieferung noch zu seinen Lebzeiten erschienen ist.

Neben den botanischen widmete sich S. auch eifrig rein geologischen Studien, zu welchen ihm seine vielen Reisen reichlich Gelegenheit boten. Von Agassiz angespornt, beschäftigte sich S. mit der Erforschung der Glacialerscheinungen in den Vogesen, wo es ihm glückte, die Spuren einer alten Vergletscherung nachzuweisen. Nebenbei ließ sich S. die Bereicherung und Ordnung des naturhistorischen Museums der Stadt Straßburg sehr angelegen sein und gestaltete dasselbe zu einem der vorzüglichst eingerichteten Provinzialmuseen. In Anerkennung seiner großen wissenschaftlichen Verdienste ernannte ihn die französische Akademie zu ihrem correspondirenden Mitgliede, wie denn S. auch mehreren anderen Akademien als Mitglied angehörte.

Nach dem verhängnißvollen Kriege hätte S. es gerne gesehen, wenn Elsaß als unabhängige Republik zwischen Deutschland und Frankreich eingeschaltet worden wäre. Indeß siegte seine ächt-deutsche Natur auch über die Bedenken, welche die neue Wendung der Dinge mit sich brachten. S. blieb in Straßburg, behielt die Leitung der städtischen naturhistorischen Sammlung und übernahm auch die Professur der Geologie und Paläontologie an der deutschen Universität. In dieser hervorragenden Stellung erreichte ihn nach kurzem Krankenlager am 20. März 1880 im 72. Lebensjahre der Tod.

Desor, Biographie im N. Jahrb. für Min. etc. 1880 II. – Leopoldina, 1880 XVI, 180.