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Artikel „Schikaneder, Karl“ von Egon von Komorzynski in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 12–14, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schikaneder,_Karl&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 08:33 Uhr UTC)
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Schikaneder: Karl Sch., Schauspieler und volksthümlicher Theaterdichter, ein Sohn Urban Schikaneder’s, eines Bruders des vielbekannten Verfassers des „Zauberflöten“-Textes. Geboren wurde Sch. etwa 1770 in Freising, wo sein Vater als Hornist lebte. In jungen Jahren wurde er seinem Oheim Emanuel, der damals schon Principal einer eigenen Truppe war, anvertraut und unter seiner Leitung für die Bühne ausgebildet. Er mag ein gelehriger Schüler in jeder Hinsicht gewesen sein; denn als er genug gelernt hatte, lief er davon, war erst Mitglied einer Schmiere in Klagenfurt und in Laibach und erhielt dann eine Anstellung am Bergwerke Idria in Krain. Von dort zog [13] es ihn zum Theater zurück, und er muß sich mit seinem Oheim ausgesöhnt haben, denn 1795 ist er im Verband des Freihaustheaters, wo er etwa in der berühmten 200. Aufführung der „Zauberf1öte“ am 22. October 1795 als 3. Priester auftritt. Eine echte Vagabundennatur, wandert er von da ab unablässig: 1802 ist er als Gast am Theater an der Wien (wo ihn viele mit Emanuel verwechselten; so ähnlich sah er ihm); kurz darauf ist er Mitglied des Preßburger Theaters; 1803 übernimmt er die Regie im Josefstädter Theater; 1804 ist er in Steyr in Oberösterreich, 1805 in Brünn (wieder bei seinem Oheim). Von seinen Stücken wurden in der nächsten Zeit einige am Leopoldstädter Theater in Wien aufgeführt; so am 27. Januar 1810 „die Zauberhöhle“, am 20. Juli desselben Jahres „Die schwarze Burg oder der Höllenhammer“, Zauberoper mit Gesang (!) und am 13. October „Die Frau Everl vom Alserbach“, locales Lustspiel in drei Acten. Zu allen diesen Stücken hatte er auch selbst die Musik geschrieben, und da man einen so gewandten und verwendbaren Theatermann in Wien gut gebrauchen konnte - Zauberoper und Volksstück waren ja gerade damals die Gipfelpunkte der Wiener Volkssdramatik - so lud ihn der damalige Director des Theaters in der Leopoldstadt, Karl Friedrich Hensler, zu einem Gastspiel ein. Letzteres absolvirte Karl am 2. April 1811 als „Tiroler Wastel“ in seines Oheims gleichnamigem Volksstück mit so glänzendem Erfolg, daß er sofort engagirt wurde. Er trat dann auch im Verlauf des Jahres 1811 häufig mit großem Beifall auf als Baßbuffo, und aus diesem Grunde zeigt das Repertoir des Leopoldstädter Theaters in diesem Jahre eine plötzliche entschiedene Vorliebe für Emanuel Schikaneder’s alte Stücke. Von K. Sch. kamen 1811 zwei neue Stücke zur Aufführung: am 4. Mai „Die Ausforderung“, komische Operette in einem Act, Text und Musik von ihm selbst, und am 5. Juni „Der Talisman im Magnetgebirge“, komische Zauberoper in drei Acten mit Musik von Ranke. Außerdem schrieb er die Musik zu Michael Fenzel’s Singspiel „Der lustige Flickschneider“. Am 3. Februar „entfernte er sich heimlich aus dem Theater“ und blieb bis 1816 verschollen; sein Aufenthalt während dieser Zeit ist unbekannt. Vom 4. Mai 1816 gehörte er wiederum dem Verbande des Leopoldstädter Theaters an und figurirt im J. 1817 neben dem „Eigenthümer“ Marinelli, dem „Pachter“ Leopold Huber, dem „Director“ K. Fr. Hensler, dem „Intendanten“ Josef Sartori und dem „Opernregisseur“ Wenzel Müller als „Oberregisseur und Referent des litterarischen Theils“. Am 17. April 1817 folgt die Première seiner dreiactigen Zauberoper „Der Kampf mit der Riesenschlange oder der Leuchtthurm auf der Rubineninsel“ mit Musik von Franz Volkert. Im März 1819 (nicht, wie Wurzbach Bd. 29, S. 312 angibt, erst 1820) kehrte Sch. dem Leopoldstädter Theater den Rücken und ging nach Prag an das Ständische Theater, wurde dort 1834 als Opernregisseur pensionirt und blieb daselbst bis zu seinem Tode, das ist bis 1845.

Von den oben genannten Dramen abgesehen, sind mir noch die folgenden Titel von Stücken Schikaneder’s bekannt: „Die steinernen Brüder“, „Der Ball beim schwarzen Hasen oder die Ehemänner auf Reisen“ (locales Lustspiel in drei Aufzügen, Musik von Franz Volkert, 1814 im Leopoldstädter Theater gegeben), „Der Schiffmeister von Straubing“, „Das Porträt des Vaters“, „Vetter Michel vom Ratzenstadel“, „Die Brieftaube“, „Die Papageno-Insel“, „Viele Gäste und nichts zu essen“, „Die Erdgeister und der Brillenhändler“ und „Der Wettlauf zu Kronäugelstadt“. – Die Wiener Stadtbibliothek besitzt die Handschrift des einactigen Lustspiels „Die Brieftaube“, das trotz unleugbaren technischen Geschicks derb und unwahrscheinlich ist. Eine „ländliche“ Handlung: Gretchen, des Dorfrichters Berger Tochter, liebt den Bauerssohn [14] Fritz; ihr Vater aber hat zu ihrem Bräutigam den Tafeldecker Repphuhn ausersehen; außerdem ist noch ein dritter Bewerber da: der Knecht Hans Knittel. Der Gutsherr, Herr v. Ringen, verschafft dem Gretchen den Fritz und versöhnt den starren Vater mit Tochter und Eidam. Die Drastik der Späße geht so weit, daß Knittel der „Buchhalter“ werden will, ein schweres Buch so lange „halten“ muß, bis er nicht mehr kann, und daß v. Ringen von Gretchen als der Braut eines Tafeldeckers verlangt, sie solle eine Taube schlachten, was denn auch auf der Bühne mit vielen Vorbereitungen begonnen wird – aber Gretchen führt den Auftrag nicht aus, denn die Taube ist eben ihr Liebling, ihre Brieftaube.

Das seiner Zeit hochberühmte dreiactige locale Lustspiel „Der Vetter Michel aus dem Ratzenstadel“ (Handschrift gleichfalls in der Wiener Stadtbibliothek) ist den „Fiakern in Wien“ von Emanuel Schikaneder ähnlich; das Wienerthum ist glücklich verwerthet; Kinder und Dienstbotenscenen fehlen nicht. Zwei ungleiche Brüder stehen im Mittelpunkt des Geschehens: Thomas Bleistift ist ein reicher Hausherr, der aber seinen Bruder Jacob, einen armen Schuhflicker, harten Herzens hungern und darben läßt, ja, ihn sogar des Diebstahls verdächtigt. In diesem Treiben wird er von seiner hoffärtigen Frau Apollonia bestärkt, und beider Sohn Gustav ist seiner Eltern würdig, indem er ein armes Mädchen zu verführen trachtet. Doch da tritt Gustav Jacob’s Sohn aus erster Ehe, Michel mit Namen, entgegen, der nach langer Abwesenheit als reicher Mann aus der Fremde zurückgekommen ist, sich aber wie früher für arm ausgibt, um die Gesinnungen seiner Verwandten zu prüfen. Er hat ihre Herzlosigkeit und Falschheit zur Genüge erkannt, und indem er sich zum Schluß als Millionär entpuppt, verlobt er sich mit dem Mädchen, das fast Gustav’s Opfer geworden wäre und ermahnt seine Verwandten zur Reue. Als Nebenfigur gewinnt die „Principalin einer Marionettenbude“, Frau Harifax, ziemliche Bedeutung. Lebensfrische Volksscenen fehlen nicht; so wird unter anderem der „hohe Markt“ in Wien mit dem ganzen Getriebe der Verkäufer und der einkaufenden Köchinnen auf die Bühne gebracht. Gerade dieses letzte Stück zeugt von dramatischem Talent und von der Fähigkeit, erkannte Traditionen selbständig weiterzuführen.

Aehnlich wie Bäuerle und andere dramatische Schriftsteller hat sich Sch. auch als Mitarbeiter von Zeitschriften versucht. Hierher gehört namentlich die Biographie seines Oheims Emanuel, die er im Jahrgang 1834 von Gubitz’ „Gesellschafter“ veröffentlichte. Aber als Dramatiker ist er entschieden glücklicher gewesen.