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Artikel „Schepß, Georg“ von Herman Haupt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 754–756, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schep%C3%9F,_Georg&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 16:34 Uhr UTC)
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Schepß: Georg Sch., bedeutender Philologe, wurde am 26. December 1852 zu Schweinfurt geboren, absolvirte mit glänzendem Erfolge das dortige Gymnasium, wo besonders der als Lehrer und Philosoph gleich bedeutende ehrwürdige Professor Carl Bayer Einfluß auf ihn gewann, und studirte von 1871–1875 an den Universitäten Erlangen, Straßburg und München classische Philologie. In Straßburg, wo er sich eng an Studemund anschloß, promovirte er 1875 mit der Dissertation „de soloecismo“. Nach bestandenem Staatsexamen wirkte Sch. vom Herbste 1875 bis September 1876 als Assistent am Gymnasium zu Ansbach, vom October 1876 ab als Studienlehrer an der Lateinschule (Progymnasium) zu Dinkelsbühl im bairischen Mittelfranken. Der kurze Aufenthalt in dem abgelegenen ehemaligen Reichsstädtchen sollte für Schepß’ gesammte spätere schriftstellerische Thätigkeit insofern von bestimmendem Einflusse werden, als er sich bald mit glühendem Eifer der Durchforschung der Handschriften der fürstlich Oettingen-Wallersteinischen Bibliothek in dem benachbarten Maihingen widmete und schon hier den Schriften des Boethius seine besondere Aufmerksamkeit zuwandte, deren kritische Behandlung seine vornehmste spätere Lebensaufgabe bilden sollte. Im Frühjahr 1880 folgte seine Versetzung an das Gymnasium zu Würzburg. Dort fand er im Lehrberufe einen erheblich erweiterten Wirkungskreis, vor allem aber durch die reichen Schätze der Universitätsbibliothek vielseitige wissenschaftliche Förderung. Zehn arbeitsvolle und erfolgreiche Jahre hatten ihn in der neuen Heimath eingebürgert, als er durch die Ernennung zum Gymnasialprofessor im J. 1890 nach Speyer versetzt wurde. Hier hat er noch sieben Jahre mit rastlosem Eifer seinem Lehrberufe und seinen gelehrten Studien gelebt. Am 4. September 1897 wurde er von einem wohl schon lange an seiner Lebenskraft zehrenden Leber- und Darmleiden im besten Mannesalter aus einem glücklichen Familienleben dahingerafft.

Die ersten Ergebnisse seiner Maihinger Handschriften-Studien hatte Sch. in einer langen Reihe von Aufsätzen und kleineren Mittheilungen zur Geschichte der neulateinischen Dichtung, zur Volkskunde, Gelehrten-, Kirchen- und Culturgeschichte des Mittelalters in den Jahrgängen 1878–1880 des „Anzeigers für Kunde der deutschen Vorzeit“ sowie in zwei Dinkelsbühler Schulprogrammen aus den Jahren 1878–79 niedergelegt; die letzteren beschäftigten sich namentlich mit den in den Handschriften der Maihinger Bibliothek enthaltenen Schriften classischer [755] Autoren (Cicero, Sallust, Seneca u. s. w.), enthalten aber auch werthvolle Beiträge zur Geschichte der spätlateinischen Litteratur und des Humanismus. Einer Maihinger Handschrift sind auch hauptsächlich die 1881 als Würzburger Gymnasialprogramm erschienenen „Handschriftlichen Studien zu Boethius de consolatione philosophiae“ gewidmet, in der Sch. die Nothwendigkeit einer neuen Gestaltung des Textes dieser Schrift überzeugend darlegte und wichtige Aufschlüsse über die alten Scholien und die Commentatoren des Boethius[WS 1] brachte. Die ausgezeichnete Arbeit gab der Kirchenväter-Commission der Wiener Akademie Veranlassung, Sch. mit der Ausgabe der Schriften des Boethius für das „Corpus“ der lateinischen Kirchenväter zu beauftragen. Der Vorbereitung dieser Ausgabe dienten Reisen nach Paris und München, die Sch. in den Jahren 1884 und 1885 zum Studium der dortigen Handschriften unternahm. Bei der geradezu ungeheueren Menge der Boethius-Handschriften überzeugte sich Sch. allerdings bald, daß die Herausgabe der sämtlichen Schriften des Boethius seine Kraft übersteige, und in weiser Selbstbeschränkung hatte er schließlich nur noch die Herausgabe der Consolatio, der Opuscula sacra und der auf Porphyrius und Aristoteles sich beziehenden Commentare des Boethius geplant, ohne daß ihm freilich die Vollendung dieser Ausgabe vom Schicksale gegönnt worden wäre. – Eine werthvolle Festgabe zu ihrem 300jährigen Jubelfeste brachte Sch. der Würzburger Universität dar mit der Ausgabe der von ihm in einer Münchener Handschrift aufgefundenen „Colloquia magistri Petri Poponis de scholis Herbipolensibus“ (Würzburg 1882), einer wichtigen Quelle zur Vorgeschichte der fränkischen Hochschule; eine mit einem außerordentlich werthvollen Commentare versehene Ausgabe der Gedichte jenes bisher unbekannt gebliebenen Würzburger Humanisten ließ Sch. später folgen (Archiv des histor. Ver. f. Unterfranken, 1884, S. 277 ff.). Mit Feuereifer hatte sich Sch. inzwischen auf die Durchforschung der Handschriften der Würzburger Universitätsbibliothek geworfen. Für die Wiener Kirchenväter-Commission stellte er 1884 ein Verzeichniß der Würzburger patristischen Handschriften zusammen; 1886 arbeitete er für den von der Bibliothekverwaltung vorbereiteten Handschriften-Katalog die sämmtlichen Pergamenthandschriften durch; 1887 folgte seine Schrift über „Die ältesten Evangelienhandschriften der Würzburger Universitätsbibliothek“, die wichtiges Material für die Kenntniß der ältesten lateinischen Bibelübersetzungen beibrachte. Von seinen weiteren Veröffentlichungen aus der Würzburger Zeit erwähnen wir nur noch die Ausgabe des von Sch. in einer Maihinger Handschrift gefundenen Heldengedichts Hamerer’s über den Schmalkaldischen Krieg (Neues Archiv f. Sächs. Geschichte, Bd. V, 1884, S. 239 ff.) und des „Dialogus super auctores sive Didascolon“ des Konrad von Hirschau (Würzb. Progr. 1889). Den glänzendsten Triumph feierte Schepß’ scharfsinnige Handschriften-Forschung mit der Wiederentdeckung der litterarischen Hinterlassenschaft des spanischen Bischofs Priscillianus[WS 2], der 385 in Trier als Haupt einer ketzerischen Secte hingerichtet wurde („Priscillian, ein neu aufgefundener lateinischer Schriftsteller des 4. Jahrhunderts“, Würzburg 1886). Die im J. 1889 im 18. Bande des Wiener „Corpus“ erschienene Ausgabe des Priscillian ist von der Kritik einstimmig als ein Muster philologischer Akribie bezeichnet worden. Die Einwendungen, die Michael und Sittl gegen die Echtheit der Priscillianischen Schriften erhoben hatten, wies Sch. in einem Aufsatze „Pro Priscilliano“ (Wiener Studien, Bd. XV, 1893) überzeugend zurück. Seit der Uebersiedelung nach Speyer hat sich Sch. hauptsächlich der Vorbereitung seiner Boethiusausgabe gewidmet, wenn er auch immer noch Zeit für eine Reihe von kleineren Veröffentlichungen, vorwiegend zur lateinischen Lexikographie und zur Geschichte der spätlateinischen und [756] patristischen Litteratur, gefunden hat und sich daneben auch eifrig als Recensent bethätigte. Als seine Gesundheit ins Wanken gekommen war, hat er mit heroischer Fassung seine letzte Kraft an die Förderung seiner Ausgabe von Boethius’ Commentar zu Porphyrius’ Isagoge gewandt; Samuel Brandt, mit Sch. eng befreundet, hat, an Schepß’ Arbeit anknüpfend, den kritischen Apparat ergänzt und die Ausgabe im jüngst erschienenen 48. Bande des Wiener „Corpus“ fertig gestellt (Boethii in isagogen Porphyrii commenta, 1906). Eine Verwerthung des von Sch. für Boethius’ „Consolatio“ zusammengebrachten außerordentlich reichhaltigen kritischen Apparates und seiner sonstigen auf jene Schrift bezüglichen werthvollen Sammlungen und Vorarbeiten ist von Aug. Engelbrecht zu erwarten (vgl. A. Engelbrecht, Die Consolatio philosophiae des Boethius, in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie, Philos.- hist. Classe, Bd. 144, 1902).

In seinem Schulamte bewährte sich Sch. als pflichttreuer und höchst anregender Lehrer. Von lebhaftem Gemeinsinne und Vaterlandsgefühle, von lauterstem Charakter und warmer, tiefer Empfindung, hat er bei allen Erfolgen sich eine seltene Anspruchslosigkeit bewahrt. Zumal für die Wissenschaft aber bedeutete der vorzeitige Hingang des mit einem so ungewöhnlichen Maaße von Gelehrsamkeit und Combinationsgabe ausgestatteten unermüdlichen Forschers einen schweren Verlust.

Nekrolog im Archiv f. lateinische Lexikographie u. Grammatik, Bd. X (1897/98), S. 570. – Nekrolog von H. Haupt im Biographischen Jahrbuch, Bd. II, S. 37–39, von S. Brandt im Biographischen Jahrbuch für Alterthumskunde 1878, S. 123–140 (wo auch ein Verzeichniß der wissenschaftlichen Arbeiten von Sch.) und von Pfirsch in den Blättern f. d. Gymnasialschulwesen hg. v. bairischen Gymnasiallehrerverein, Bd. 34 (1898).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Boethius|Anicius Manlius Severinus Boethius (um 480/485–524 und 526)); war ein spätantiker römischer Gelehrter, Politiker, neuplatonischer Philosoph und Theologe
  2. Priscillian (um 340–385); war ein Theologe von der iberischen Halbinsel.