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Artikel „Scharschmid, Matthäus“ von Johannes Bolte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 613, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Scharschmid,_Matth%C3%A4us&oldid=- (Version vom 20. April 2024, 00:51 Uhr UTC)
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Scharschmid: Matthäus S., lutherischer Dramatiker des 16. Jahrhunderts, in den Jahren 1548–1603 als Vicar an dem 1542 durch Amsdorf reformirten bischöflichen Stifte zu Zeitz nachweisbar. Von den drei mittelmäßigen Stücken, die er im Februar und April 1589 zu Eisleben drucken ließ, behandelt das „Kurtzweilig Spiel von einem Bepstischen Pfaffen im Land zu Francken“ einen schon 1531 von Hans Sachs zu einem Meisterliede vom Pfarrer im Federfaß verarbeiteten Schwank nach der prosaischen Erzählung in Val. Schumann’s Nachtbüchlein (1559. II, 125 b; abgedruckt in Goedeke’s Schwänken Nr. 183). Der Streich, den die Winzersfrau in Sommerhausen dem buhlerischen Pfaffen spielt, paßte vortrefflich für ein lustiges Fastnachtsspiel im Stile des Hans Sachs; aber S. hat sich durch die pedantische Einfügung eines böswilligen, aber unschädlichen Teufels und eines breiten, ganz überflüssigen Schlusses, der an Wickram’s Rollwagenbüchlein Nr. 20 anklingt, die beste Wirkung verdorben. – Den Stoff der andern beiden Schauspiele entlehnt er der Bibel, indem er auf weltliche Unterhaltungsbücher wie Schimpf und Ernst, den Eulenspiegel und den Rollwagen verächtlich herabsieht. Die „Tragoedia von den sieben Martyrern und jrer Mutter“ (nach 2. Macc. 7), die man mit den Dramatisirungen der gleichartigen Legende von der christlichen Heldenmutter Felicitas durch Stessan, Caussinus, Gryphius zusammenhalten kann, soll Standhaftigkeit in Glaubensverfolgungen lehren. Mit Luther’s Worten sendet Salomona Daniel, ihren jüngsten und letzten Sohn, in den Tod: „Sie nemen vns nur diesen Leib; Drümb sing, mein Sohn: Laß fahrn dahin! Sie haben des keinen gewin, Das Reich Gottes muß vns doch bleibn.“ Aber der bunte Wirrwarr des Inhalts zeigt, daß der Verfasser nicht verstand aus der vorliegenden Erzählung eine einheitliche Handlung zu formen: die Heldenfamilie erscheint nur im 4. Acte, vorher und nachher allerlei Vorgänge aus der Geschichte der Juden unter Antiochus. Auch die „Comoedia von des Königschen Son, der kranck lag zu Capernaum“ (nach Joh. 4) ist durch die Aufnahme andrer Wunderthaten Jesu, vor allem aber durch breite, in satirischer Absicht eingefügte Schilderungen des betrügerischen Streberthums am Hofe, der schlechten Kinderzucht, des Aberglaubens angeschwellt. Die dramatische Maschinerie wird, wie oft im protestantischen Drama dieser Zeit, durch einen unheilstiftenden Teufel in Bewegung gesetzt. Auch andere Zwischenactselemente tauchen hier wie in der Tragoedia auf; die gelehrten Prahlereien des Doctors, der sammt dem Apotheker zum kranken Knaben berufen wird und ihm ein „Cristier“ verordnet, die in den Kristall sehende Zauberin, bäurische Völlerei und Leichtgläubigkeit gegenüber dem Theriakkrämer, der von seinem bösen Weibe geprügelte Mann, der im Wirtshause Trost sucht, Strafpredigten auf die welsche Kleidertracht, Totengräber und Kirchner auf den Tod des Knaben wartend. Aber trotzdem, und obgleich S. manche Kunstmittel, wie die Versbrechung, volksthümliche Sprichwörter und Flüche verwendet und Hinrichtungen, Schlachten, Wunderthaten hinter die Scene verlegt, zeigt er doch nirgends wirkliches Talent; der Handlung mangelt Einheit, der Darstellung Anschaulichkeit und Zusammenhang, die Sprache bleibt überall trocken, die Satire matt und unlebendig.

Holstein, Matthäus Scharschmid. Zeitschrift für deutsche Philologie XVIII, 423–436 (1886).