ADB:Schäzler, Constantin Freiherr von

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schäzler, Johann Lorenz Constantin Freiherr v.“ von Alois Knöpfler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 649–651, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sch%C3%A4zler,_Constantin_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 06:17 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Schaevius, Heinrich
Nächster>>>
Schebest, Agnese
Band 30 (1890), S. 649–651 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Konstantin von Schaezler in der Wikipedia
Konstantin von Schaezler in Wikidata
GND-Nummer 118748378
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|30|649|651|Schäzler, Johann Lorenz Constantin Freiherr v.|Alois Knöpfler|ADB:Schäzler, Constantin Freiherr von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118748378}}    

Schäzler: Johann Lorenz Constantin Freiherr v. S. wurde geboren zu Regensburg am 7. Mai 1827 als Erstgeborener des königl. bair. Kämmerers Freiherrn Ferdinand v. Schäzler. Von frühester Kindheit an bekundete er ungewöhnliche Geistesanlagen; mit 10 Jahren trat er in die zweite Lateinclasse des protestantischen Gymnasiums St. Anna in seiner Vaterstadt und absolvirte hier seine humanistischen Studien. Nachdem er das Abiturientenexamen mit Auszeichnung bestanden, bezog er 1844 die Universität Erlangen und nach Erstehung der philosophischen Prüfung die Universität München, wo er vier Semester Jurisprudenz hörte. Zur Vollendung seiner juristischen Studien ging er Herbst 1847 nach Heidelberg, aber schon im März des folgenden Jahres riefen ihn die politischen Stürme in die Heimath zurück. S. entschloß sich nun die juristische Laufbahn mit der militärischen zu vertauschen und trat als Junker in das erste Kürassierregiment Prinz Karl, erhielt aber zugleich die Erlaubniß, das juristische Staatsexamen abzulegen. Sechs Monate später wurde er als Lieutenant zum vierten Chevauxlegersregiment nach Augsburg versetzt. 1850 nahm er seine Entlassung aus dem Heere und prakticirte am Landgericht Traunstein; zugleich verfaßte er eine juristische Dissertation, auf Grund deren er von der Universität Erlangen zum doctor juris promovirt wurde. Nun erfolgte eine ernste Wendung im Leben des jungen Juristen und Officiers, S. trat, einem schon lange empfundenen inneren Zuge folgend, zu Brüssel am 10. October 1850 zur katholischen Kirche zurück und entschloß sich zugleich zum Studium der Theologie. Im folgenden Jahre trat er zu Löwen in die Gesellschaft Jesu ein und setzte hier seine theologischen Studien fort, nach deren Vollendung er am 11. September 1856 zu Lüttich die Priesterweihe empfing. Schon im folgenden Jahre löste er sein Verhältniß zur Gesellschaft Jesu wieder und ging an die Universität München, wo er im Mai 1859 in der Theologie promovirte. Sein Erstlingswerk „Die Lehre von den Sacramenten“ erschien ebendaselbst [650] 1860. 1861 wirkte er als Repetent an dem Priesterseminar zu Osnabrück, zog aber schon 1862 nach Freiburg im Breisgau, wo er sich als Privatdocent habilitirte und bis 1873 Vorlesungen über Dogmengeschichte hielt. 1863 nahm er Theil an der Gelehrtenversammlung zu München, wo er mit sieben anderen Mitgliedern den bekannten Protest gegen Döllinger’s Eröffnungsrede unterzeichnete. In demselben Jahre 1863 verwickelte sich S. in einen unerquicklichen theologischen Lehrstreit mit Professor v. Kuhn in Tübingen, den er zuerst anonym in mehreren Artikeln der „Histor-politischen Blätter“ in München, dann von 1865 an, in seiner Schrift: „Natur und Uebernatur. Das Dogma von der Gnade und die theologische Frage der Gegenwart. Eine Kritik der Kuhn’schen Theologie von C. v. S.,“ Mainz 1865, mit offenem Visir führte. Noch war der Streit zwischen Kuhn und Professor Clemens in Münster, oder besser, zwischen der sogenannten neuscholastischen und der katholischen Tübinger Schule nicht ausgetragen, als ihm Schäzler’s Eingreifen eine weitere Ausdehnung. aber auch eine animosere Färbung gab. War ersterer Streit mehr erkenntnißtheoretischer Natur und bezog sich auf die Frage des Verhältnisses der Philosophie zur Theologie, der Vernunft zur Offenbarung, des Wissens zum Glauben, so übertrug ihn S. auf das specifische Gebiet des Uebernatürlichen, der Gnade. Hauptcontroverse war: welches ist die wahre und wirkliche Lehre des hl. Thomas von Aquin über Natur und Gnade; sodann: ist die Gnade eine Ergänzung der menschlichen Natur, der natura defectuosa zur natura integra oder rationi consona und bewirkt sie eine physische Veränderung der menschlichen Seele, ein eigentliches Theilhaftwerden der göttlichen Natur, wie S. will; oder aber ist sie als eine Vervollkommnung der menschlichen Natur und als eine geistige Neugeburt anzusehen, wie Kuhn behauptet. Ueber diese Fragen wurden mehrere, zum Theil recht heftige Streitschriften gewechselt (von Seite Schäzler’s: „Neue Untersuchungen über das Dogma von der Gnade“, 1865; „Gnade und Glaube“, 1867), wodurch beiden Theilen viel des Unangenehmen und Widerwärtigen bereitet wurde, ohne daß ein positives Resultat erzielt worden wäre. Die Vermuthung, S. hätte nicht aus eigenem freiem Antrieb den unerquicklichen Streit aufgenommen, sei vielmehr nur von Partei- oder Gesinnungsgenossen vorgeschoben worden, mag Wahres und Falsches in sich schließen. Kuhn selbst sah den Streit als „systematische Befehdung und Verdächtigung des ‚Tübinger Dogmatikers‘, und nicht als eine ruhig gehaltene, objective wissenschaftliche Controverse“ an (s. Kuhn, Die Lehre von der göttlichen Gnade, Tübingen 1868, Vorrede S. XI). Wirklich kam es auch 1869 zu einer inquisitorischen Untersuchung der Kuhn’schen Lehre in Rom, die indes nicht zu deren Ungunsten ausfiel. Die gemachten unliebsamen Erfahrungen hatten aber leider der Hand des verdienten katholischen Dogmatikers die Feder entfallen lassen. Obwohl Kuhn erst am 8. Mai 1887 starb, schrieb er doch von 1869 an, also fast volle zwanzig Jahre lang, kein Wort mehr über wissenschaftliche Fragen und hinterließ so sein monumentales Werk: „Katholische Dogmatik“, als Torso. S. aber sah sich zum Theil von den eigenen Parteigenossen verlassen, von anderer Seite dagegen angefeindet und wohl infolge dieses Streites den Weg zu einer ordentlichen Professur an der Universität versperrt. So verzehrte sich eine reich begabte und tief angelegte Natur in nutzlosem wissenschaftlichen Hader, während sie in anderer Weise Unvergängliches zu schaffen befähigt gewesen wäre. 1866 hatte Erzbischof Hermann v. Vicari S. zum geistlichen Rath ernannt. Als 1869 das vaticanische Concil eröffnet wurde, berief der Secretär desselben, Bischof Feßler von St. Pölten, S. als seinen Theologen nach Rom und hier veröffentlichte er noch zwei theologische Broschüren: „Das christliche Glaubensbekenntniß“ und „Die Päpstliche Unfehlbarkeit“. 1873 nahm S. bleibenden Aufenthalt in Rom und verfaßte [651] zum sechsten Centenarium des Todestages des hl. Thomas eine Schrift: „Divus Thomas contra liberalismum“ 1874. Im gleichen Jahre ernannte ihn Pius IX. zum päpstlichen Hausprälaten und zum Consultor des Sant’ Ufficio und 1876 zum Consultor der Congregation degli affari esteri. Die Sehnsucht zum Ordensleben brachte S. nochmals in nähere Beziehungen zur Gesellschaft Jesu, allein er kränkelte, infolge geistiger Ueberanstrengung und allzugroßer ascetischer Strenge gegen sich selbst, bereits seit längerer Zeit, und erlag schon am 19. Sept. 1880 einem Herzleiden zu Interlaken in der Schweiz. Seine Schwester Freifrau Olga v. Leonrod geb. Schäzler, ließ die irdischen Ueberreste des verlebten Gelehrten nach Freiburg im Breisgau verbringen und sein Grab mit einem herrlichen Monument schmücken.