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Artikel „Sayve, Lambert de“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 464–465, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sayve,_Lambert_de&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 14:42 Uhr UTC)
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Sayve: Lambert de S. (Sayne, Sainne, Seynne), dem Namen nach jedenfalls ein Niederländer, der aber, soweit wir ihn in seinem Lebensgange verfolgen können, in deutschen Diensten sich befand. Es treten uns bei Feststellung der Person Schwierigkeiten entgegen, schon durch die wechselnde Schreibweise seines Namens, die scheinbar vorläufig kaum zu überwinden sind, und zwar vermöge der Mittheilung Fétis’[WS 1] (unter dem Namen Sainne), daß Lambert de Sainne oder de Sayne, ein Sohn des Rudolph sei, welcher von 1499 bis 1514 Organist an der Cathedrale in Rouen war. Lambert war hier geboren und nach den Rechnungsbüchern der Cathedrale in Rouen Knabensänger. Später trat er in den Dienst der kaiserlichen Capelle in Wien als Sänger unter Kaiser Ferdinand I., welcher am 25. Juli 1564 starb. Joanellus[WS 2] nahm in sein großes Sammelwerk von 1568 im 3. und 4. Buche drei Motetten auf. Soweit Fétis. Mir liegt in einem Liegnitzer Manuscript, welches in den 70er Jahren geschrieben ist, ein deutsches Lied zu fünf Stimmen vor, mit dem Texte: „Dort oben auf dem Berge, da liegt ein hohes Haus“, welches mit Lampertus de Seynne gezeichnet ist. Bis hierher könnte man keinen Zweifel in die Persönlichkeit Sayve’s setzen, wenn nicht von 1582 ab bis 1612 drei größere Druckwerke auftreten, welche nur mit dem Namen Lambert de Sayve gezeichnet sind und die er selbst herausgegeben hat. Auf ihnen bezeichnet er nirgends einen Geburtsort, nennt sich aber 1582 „Musicus des Erzherzogs Karl von Oesterreich“, der 1590 in Grätz starb, 1602 Capellmeister des Erzherzogs Matthias von Oesterreich und 1612 Capellmeister des Kaisers Matthias in Wien. In dem letzteren Drucke befindet sich auch sein Porträt mit der Jahreszahl 1612 und der Altersangabe von 63 Jahren. Er wäre demnach 1549 geboren und Joanellus hätte dann von einem 16–17jährigen Jünglinge Compositionen in seine Meistersammlung aufgenommen. Wenn die Sammlung auch erst 1568 erschien, so muß man doch die Vorbereitung dazu, die bei einem so großartigen Werke Jahre in Anspruch nimmt, wohl bis ins Jahr 1564 oder 1565 zurücklegen, besonders da wir wissen, daß Joanellus den vollendeten Druck derselben gar [465] nicht erlebt hat. In den Rechnungen der kaiserl. Hofcapelle in Wien ist S. vom 1. Mai 1600 als Hofcapellmeister des Kaisers Matthias in Ungarn verzeichnet und von 1612 ab in Wien mit einem monatlichen Gehalte von 40 fl. Hier starb er im Februar 1614 (siehe Köchel, Die kaiserl. Hofcapelle in Wien). In den Rechnungen ist er nur Lambertus de Sayve genannt. – Ziehen wir nun einen Schluß aus den mitgetheilten Documenten, so ergibt sich, daß der Lambert de Sainne, der im Joanellus 1568 vertreten ist, ein anderer Componist ist, als Lambert de Sayve, der erst von 1582 ab als Componist auftritt. Man wird daher auch die Namen Sainne und Sayve, die man bisher als gleichbedeutend betrachtete, fernerhin zu trennen haben. – Außer diesem Lambert de S. kennt die Musikgeschichte noch mehrere andere Musiker mit gleichem Zunamen, die alle zu gleicher Zeit lebten und am kaiserlichen Hofe als Sänger angestellt waren, so daß man recht gut annehmen kann, daß es Brüder gewesen sind und zwar

Arnold de Sayve, den Köchel (l. c.) von 1602 ab als Altist, vom 13. Aug. 1610 bis 15. April 1617 als Tenorist, und als am 15. Juli 1618 gestorben, verzeichnet. Eine der Bezeichnungen muß bei Köchel ein Druckfehler sein, denn ein Altist kann nicht auch Tenor singen und Männer-Altisten bedurften einer besonderen Ausbildung der Stimme. Man hat von ihm bisher noch keine Compositionen aufgefunden.

Erasmus de Sayve war kaiserl. Kammerdiener und Vicecapellmeister an der Hofcapelle in Wien vom 1. November 1613 bis 30. October 1617 mit 30 fl. monatlichem Gehalt (nach Köchel’s Registern). Von ihm besitzt die Liegnitzer Bibliothek sieben Motetten zu vier Stimmen in einem Codex aus dem Ende des 16. Jahrh. und die königl. Bibliothek zu Berlin in einem Codex von 1599 die zweitheilige Motette: „Exaudi Domine“ zu sechs Stimmen. Ferner einen Druck von 1614, betitelt: „Melodiae spirituales 3 voc. Noribg., Wagenmann.“ Nur Altus vorhanden. Köchel verzeichnet außerdem noch:

Matthias de Sayve senior, Altist an der kaiserl. Hofcapelle vom 1. Januar 1590–1609 und dann wieder einen „senior“ mit 20 fl. Gehalt von 1601–1619, der vor 1621 starb. Dann vom 1. August 1603–1616 einen Junior als Tenoristen. Fétis kennt einen Druck von 1585, der wahrscheinlich dem Senior zuzuschreiben ist. Aus dem Titel ergibt sich, daß er in Lüttich geboren ist. Der Titel lautet: „Liber I, Motectorum 5 voc. Matthiae de Sayve Leodiensis S. C. M. chori musici viceger. (?) O. F. Veteri Pragae typis mandabat Joh. Otthmar.“ Das Werk liegt wahrscheinlich in der Nationalbibliothek in Paris.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. François-Joseph Fétis (1784–1871) belgischer Komponist, Musikkritiker und Musikbiograph.
  2. Petrus Joanellus, venezianischer Verfasser der Novi thesauri musici.