ADB:Salmen, Franz Freiherr von

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Artikel „Salmen, Franz Freiherr von“ von Georg Daniel Teutsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 260–270, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Salmen,_Franz_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 10. Oktober 2024, 12:07 Uhr UTC)
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Salmen: Franz Freiherr v. S., Graf – comes – der sächsischen Nation in Siebenbürgen, ist geboren am 9. Januar 1801 in Hermannstadt, † ebendaselbst am 24. März 1875. S. gehört einem altsächsischen Hause an, das schon im 15. Jahrhundert im Schenker Stuhl hervortritt; bereits 1488 erscheint [261] Nicolaus Salman de oppido Schenk dort unter den Stuhlsgeschwornen. Von 1690 an bis 1784 finden wir vier S. als Königsrichter des Schenker Stuhls; ein Sohn des letzten (Martin Friedrich S.), der als Beisitzer der königl. Gerichtstafel in M. Vasarhely 1787 während der Josephinischen Umgestaltungen des Landes starb, Stephan Samuel S., ist der Vater des sächsischen Nationsgrafen, dessen kurzen Lebensabriß diese Blätter geben. Der Genannte, der vom Kaiser Franz 1814 geadelt worden – was im Sachsenland bekanntlich irgend ein Vorrecht nicht gewährte – war von der sächsischen Nation, oder richtiger von der Universität (der politischen Vertretung) des alten Hermannstädter Gaues (den „sieben Richtern“) bestellt Kastellan „des rothen Thurmes“ – castellanus rubrae turris, des diesen Namen führenden Grenzschlosses – zugleich Pächter des an den rothen Thurm grenzenden, aus mehreren Dörfern bestehenden „Sieben-Richter-“Gutes Thålmesch, als solcher mit dem Rechte der adeligen Gerichtsbarkeit über diese Gemeinden ausgestattet. König Ladislaus V. hatte nämlich den Sachsen der VII Stühle im Hinblick auf die vieljährige unverletzte Treue, die sie seinem Großvater Kaiser Sigmund, seinem Vater Albert, dann ihm und damit der heiligen ungarischen Krone erwiesen, im Jahre 1453 das Grenzschloß, den rothen Thurm mit dem Krongut Thålmesch und allen dazu gehörigen Besitzungen, Nutzungen und Rechten verliehen. Auf dem „rothen Thurme“, dem aus der Zeit der Türkeneinfälle so oft genannten Kastell am rechten Altufer, verlebte der Knabe seine erste Jugendzeit. Die ernste, großartige Schönheit der Landschaft, in der er dort aufwuchs, ist unverlöschlich seiner Seele eingeprägt geblieben. Der Strom tritt da in jene Gebirgsenge ein, in der er die ragende Kette der Südkarpathen durchbrechend, seinen Lauf zur Donau nimmt; die mächtigen, waldgekrönten, formschönen Kuppen, um die der Adler seine Kreise zieht, spiegeln sich in seinen Wellen und bieten, wie der Fluß, an dem einst die Römerstraße ins Land gekommen, in jähen Wendungen dahin rauscht, fort und fort neue eindrucksvolle Bilder dar. Das Vaterhaus, in dem gastfreie wohlthuende Herzlichkeit herrschte, war von den Besten des nahen Hermannstadt gerne und häufig besucht; selbst das Kaiserpaar würdigte bei seiner Rundreise durch Siebenbürgen im J. 1817 die sächsische Familie des ehrenden Eintrittes und nahm huldvoll mit seinem Gefolge die Gastlichkeit des Hauses an. Franz S., der zweitgeborne Sohn desselben, machte seine Gymnasialstudien in dem nahen Hermannstadt, bei glücklicher Begabung und regem Pflichtgefühl ein vorzüglicher Schüler der Anstalt. Im J. 1820 ging er zum Studium der Rechte an das reformirte Collegium nach Vasarhely, den Sitz der königl. Gerichtstafel, wo er sofort nach damaligem Brauch zugleich als Kanzellist dieser den Amtseid ablegte. Nachdem er 1823 kurze Zeit bei dem siebenbürgischen königl. Gubernium in Klausenburg in Verwendung gestanden, trat er zum königl. Oberlandescommissariat in Hermannstadt über. Eine im Frühjahr 1825 begonnene längere Reise über Pest und Wien in die österreichischen Alpenländer, nach Oberitalien, in die Schweiz, nach Süddeutschland, ein damals in diesen Landen nur äußerst Wenigen beschiedenes Glück, erweiterte seinen Gesichtskreis und ließ ihn in ein höheres, reicheres Leben fruchtbaren Einblick thun. Nach seiner Heimkehr gründete er sich im Herbst 1825 durch die Vermählung mit seiner Cousine Karoline S. von Kriegsheim, einer vielgebildeten thatkräftigen Frau voll heißer Liebe für ihr Volk, ein schönes befriedigendes Heimwesen. So gingen die stillen, stummen Zeiten, in welchen der Metternich’sche Geist von oben und die, gegen das klare Gesetz der sächsischen Nation aufoctroyirte „Regulation“ (1795–1804) diese zu schwerem Stillstand auf vielen Lebensgebieten verurtheilte, vorüber. Inzwischen wurde S. 1832 zur königl. siebenbürgischen Hofkanzlei nach Wien versetzt, um nach zwei Jahren als [262] unbesoldeter Concipist zum Landesgubernium nach Klausenburg zurückzukehren. Hier wurde er 1836 Honorärsecretär (ohne Gehalt) und als solcher stellvertretender Chef der Abtheilung, welcher die Angelegenheiten der directen Besteuerung und des Militärs zugewiesen waren. Der auf den 17. April 1837 nach Hermannstadt einberufene Landtag, in welchem verfassungsgemäß das königl. Gubernium als solches in seinen Räthen und Secretären Sitz und Stimme hatte, führte S. wieder hierher zurück. Da brachte ihn eine von den Fragen, welche die Stände leidenschaftlich beschäftigten, auf kurze Zeit in eine schiefe Stellung zu seinen Kirchen- und Volksgenossen. Es war die, bei der constitutionellen, durch die Wahl der Stände und die fürstliche Bestätigung zu erfolgenden Besetzung der Landesämter nicht zu umgehende Frage, ob der römisch-katholische Bischof als solcher gesetzlich unter die Gubernialräthe gehöre. Nach dem siebenbürgischen Staatsrecht mußte die Frage, wie es seitens der großen Mehrheit der Landtagsmitglieder in der That geschah, verneint werden; S., vom Provinzialkanzler überrumpelt, war unter den sehr wenigen Protestanten, die sie bejahten; doch stellte sich das rechte Verhältniß zu seinen politischen Freunden und Volksgenossen bald wieder her. Auf demselben Landtag kam eine, die sächsische Nation seit lange und tief bewegende Frage wieder in vollern Fluß. Ein Allerhöchstes Rescript vom 18. Januar 1796 hatte nämlich gegen das bestehende Recht die Würde und das Amt des Sachsengrafen – comes nationis Saxonicae – vom Amt des Hermannstädter Königsrichters getrennt; die Stelle war bereits zweimal (1816 und 1826) durch Ernennung besetzt worden; alle Rechtsverwahrungen und Vorstellungen der Hermannstädter Stadtcommunität, der sächsischen Nationsuniversität, ja des königl. Landesguberniums hatten nichts gefruchtet. Ebenso erfolglos war die Repräsentation des Landtags vom 27. August 1811, der auf die Aufforderung der sächsischen Nation im Sinn des Unionseides, welcher die „drei Nationen“ zum Schutz der gegenseitigen Rechte verpflichtete, um Wiederherstellung des gesetzlichen Standes bei der Regierung einschritt. In der Landtagssitzung vom 29. Januar 1835 hatte der Hermannstädter Abgeordnete die Stände wieder um ihre Mitwirkung zur Wiederherstellung des alten diplomatischen Wahlrechts ersucht; am 18. Juli 1837 erklärten diese endlich anläßlich der Candidation des Landtags zu den Landesämtern, daß sie den damaligen Comes der sächsischen Nation als königl. Gubernialrath anzuerkennen nicht vermöchten – der Sachsengraf war als solcher gesetzlich Mitglied des Guberniums –, da er nicht durch gesetzliche Wahl zu seinem Amte gekommen sei. Das gab Anlaß zu neuen Verhandlungen zwischen Hermannstadt, der Nationsuniversität und dem Hofe, in welchen S. – 1841 dem königl. Landtagscommissär Baron Josika zugetheilt und seit 1843 wirklicher Gubernialsecretär – als Referent der staatsrechtlich so wichtigen Sache bei dem Landesgubernium fördernd thätig war, und durch welche endlich ein Ausgleich scheinbar widerstreitender Interessen zu Stande kam, den das königl. Rescript vom 31. December 1845 genehmigte, „damit“, wie Kaiser und König Ferdinand darin spricht, „von der väterlichen Zuneigung, mit welcher Wir auch der sächsischen Nation zugethan sind, welche durch ihre unbefleckte Treue und Ergebenheit gegen Unser erlauchtes Haus durch den Verlauf so vieler Jahrhunderte ausgezeichnet ist, ein glänzendes Zeugniß für sie und die späte Nachwelt aufgestellt werde“. Darnach hatten die elf sächsischen Stuhls- beziehungsweise Districtsvertretungen für das Amt des Comes der sächsischen Nation und die damit verbundene Königsrichterwürde von Hermannstadt in freier Wahl je sechs, im Sinn der vaterländischen Gesetze geeignete Männer zu bestimmen; die sächsische Nationsuniversität stellte die Namen jener sechs zusammen, welche die Stimmen der meisten Kreise erhalten hatten; aus diesen wählte Magistrat und Communität (die „Hundertmannschaft“) von Hermannstadt [263] drei, deren Namen im Weg der Universität und des Guberniums Seiner Majestät unterbreitet wurden; der aus diesen von der Krone bestätigte war Königsrichter von Hermannstadt, Graf der sächsischen Nation und königl. siebenbürgischer Gubernialrath.

Als diese von Hermannstadt und der sächsischen Nation gleichmäßig nachgesuchte Entscheidung erfloß, war das Amt, um das es sich handelte, bereits seit dem 7. Mai 1845 durch den Tod des ernannten Comes Wachsmann, eines übrigens hochehrenwerthen Mannes, der durch seine ernste Mitwirkung zur Errichtung der sächsischen Rechtsakademie (s. A. D. B. XXII, 553) sich ein bleibendes Denkmal gesetzt hat, erledigt. Die Wahl wurde nach der neuen Art vollzogen; unter den von der Hermannstädter Communität erwählten Candidaten war Franz v. S. an zweiter Stelle; ihn ernannte am 9. April 1846 Kaiser Ferdinand, indem er den an erster Stelle vorgeschlagenen Hofrath Ludwig v. Rosenfeld aus Rücksichten des Dienstes in seiner damaligen Dienstleistung zu belassen fand, zum Grafen der sächsischen Nation, da, wie es im königlichen Diplom vom 12. Juli heißt „Wir Dich für würdig befunden, daß Du aus der Fülle Unserer königlichen und landesfürstlichen Machtherrlichkeit mit dem Amte, der Ehre und Würde des Grafen der sächsischen Nation in Unserm vorgenannten Fürstenthum und des Königsrichters von Hermannstadt, wie auch dem Amte eines wirklichen geheimen Gubernialrathes in demselben Fürstenthum nach dem Brauch und alten Recht der genannten Nation geziert werdest“. Es ging eine große Erhebung durch alle Gaue des Volkes; die Einführung Salmen’s in sein Amt war ein Fest, wie es seit dem September 1790, der Installation des Comes Mich. v. Brukenthal (s. A. D. B. III, 393) nicht begangen worden war. Sie fand am 26. August 1846 Statt; der Gubernator Reichsgraf Josef Teleki selbst mit dem Obergespan Baron Ludwig Josika als landesfürstlicher Commissär vollzog sie mit einer deutschen Rede und überreichte dem neuen Sachsengrafen die Zeichen seines Amtes: Streitkolben, Fahne, Säbel. Die ganze ernste und feierliche Pracht aus der Väter Zeit war bei dem Vorgange entfaltet; der altehrwürdige Wahrspruch des Sachsenbanners: Ad retinendam coronam leuchtete weithin in der Sommersonne. S. selbst betonte in der ergreifenden ersten Ansprache, die er damals auf jener geschichtlichen Stätte im Hermannstädter Rathhaus, wo einst Markus Pemfflinger und Petrus Haller und Albert Huet gewaltet, an die Vertreter seiner Nation richtete, die Bedeutung dieser als Träger des Bürgerthums im bunten Völkergemisch des Vaterlandes, in dem sie gerade in dieser Eigenschaft eine große Lücke ausfülle. In immer reichern Bürgertugenden diesem Bürgerthum zu leben, das die festeste Grundlage der Staaten sei, dasselbe standhaft zu vertreten, in Eintracht mit den Mitnationen unter dem mächtigen Schutz des erhabenen Kaiserhauses fortschreitend im Geist der auch hier neu erwachten Zeit die rege Kraft mit Umsicht zur Förderung des geistigen und materiellen Wohles, zum Ziel allgemeiner Wohlfahrt zu leiten: das sei die Aufgabe, die schwere Arbeit, die der Besten harre.

Bald genug sollten ungeahnte, neue und schwerere Aufgaben an S. und die sächsische Nation herantreten. Zwar der Landtag 1846/47, an dem der neue, mit Verwaltungsarbeiten viel beschäftigte Sachsengraf nur am Anfang und am Schlusse Theil nahm, sicherte gegen die aus Ungarn hereingebrochene Bewegung der sächsischen Nation mindestens in ihrer Mitte den amtlichen Gebrauch der deutschen Sprache; aber der Sturm, der kurz darauf nach der Pariser Februarrevolution die österreichische Monarchie durchraste, brachte sofort alles Bestehende auch in Siebenbürgen ins Schwanken. Die sächsische Nation sah in der, von den Ungarn und Seklern bald drohend geforderten Union Siebenbürgens mit Ungarn die Lebensfrage; als Kaiser Ferdinand im Patent vom 15. März 1848 [264] die „Constitution des Vaterlandes“, „die Ertheilung einer Verfassung“ zugesichert, sprach die eben versammelte Nationsuniversität in einer Adresse an Seine Majestät vom 29. März ihre „Gefühle der Begeisterung für die verfassungsmäßige lebendigste Staatseinheit der gesammten Monarchie“ aus und erklärte freimüthig, daß die sächsische Nation „zur Verwirklichung der größtmöglichen verfassungsmäßigen Einheit im Länder- und Völkerbunde des österreichischen Kaiserstaats im Geiste der durch die siebenbürgischen Grundgesetze geheiligten pragmatischen Sanction … nichts sehnlicher wünsche, als diese ihre Gesinnungen einst auch in einer allgemeinen Reichsständeversammlung aller constitutionellen Länder der Monarchie beurkunden zu können“. Wir „wagen es“, war vorausgegangen, „offen auszusprechen, daß das freie stammverwandte Volk der siebenbürger Sachsen, seinem alten stets festgehaltenen Wahlspruche getreu, nie aufhören werde, in unverbrüchlicher Ergebenheit gegen das Allerhöchste Kaiserhaus seine Bestimmung Ad retinendam coronam mit Gut und Blut zu erfüllen“. Der Vorsitzende Nationsgraf S. mit allen Mitgliedern der Universität war unter der Adresse unterschrieben; das Handschreiben vom 26. April, in dem Ferdinand der Hofkanzlei auftrug, „der Universität der sächsischen Nation Mein Wohlgefallen über diesen Ausdruck ihrer erprobten Treue bekannt zu geben“, kam erst vier Jahre später zu ihrer Kenntniß. Inzwischen nahmen die Geschicke unaufgehalten ihren weitern Sturmlauf; als Ferdinand am 11. April die Beschlüsse des Preßburger Landtags bestätigt und damit (Artikel VII) die Union Ungarns mit Siebenbürgen im Princip bereits genehmigt hatte, wurde der Ruf nach derselben in der magyarischen Presse und in den magyarischen Vertretungen immer lauter. Bei einem kurzen Aufenthalt in Hermannstadt Anfangs Mai erklärte der Gouverneur Graf Teleki kurz, die Frage der Union müsse von vornherein thatsächlich als entschieden angenommen werden; bei einem Widerspruch gegen dieselbe dürfte für die Widersprechenden außerhalb des Landtags kaum Sicherheit zu finden sein. Hermannstadt antwortete darauf mit dem Aufpflanzen der schwarz-gelben Fahne; die Nationsuniversität unter dem Vorsitz Salmen’s, dessen Bild kurz vorher in Klausenburg verbrannt worden war, entsandte am 10. Mai eine Deputation nach Wien, in derselben Bischof G. Binder und Professor Joseph Zimmermann, um dem Kaiser im Namen der ganzen Nation zu huldigen und die Interessen dieser dort zu vertreten. Aber sie traf den Hof, der am 17. Mai aus Wien geflüchtet war, erst in Innsbruck; als sie am 11. Juni kurz nach 12 Uhr in dem einfachen Audienzsaal dort die rechtsgeschichtlich und politisch eingehend begründete Vorstellung gegen die Union überreichte, erklärte der Kaiser, er habe dieser bereits – am vorigen Tage – die (vorläufige) Bestätigung ertheilt, wodurch aber weder die Nationalität, noch die Freiheiten seiner sächsischen Unterthanen in Siebenbürgen gefährdet, vielmehr bestärkt und gesichert worden seien. Inzwischen hatte nämlich der auf den 29. Mai nach Klausenburg einberufene Landtag die Union beschlossen. Die sächsischen Abgeordneten hatten, diesem Beschluß wenn auch mit Vorbehalt zustimmend, wohl, wie sie in ihrem amtlichen Berichte schrieben, „nach bestem Wissen und Gewissen“, aber nicht nach ihrer Instruction gehandelt. Die Folge davon war eine außerordentlich tiefe Erregung, die die sächsische Nation ergriff. Schon am 3. Juli stellte die Universität unter Salmen’s Vorsitz die Sach- und Rechtslage dar, wie die sächsischen Abgeordneten in Klausenburg unter beengenden Einflüssen mehr nach ihren Privatansichten und Gefühlen als nach den sie bindenden Weisungen ihrer Sender gehandelt, wie nach dem Landesrecht und nach den natürlichen Grundsätzen der Freiheit selbständiger Nationen eine engere Verbindung Siebenbürgens mit Ungarn nicht denkbar sei, bevor das Wesen und die Form dieser Verbindung der sächsischen Nation anschaulich dargethan worden, und knüpfte daran die Bedingungen – der Act war [265] zur Vorlage an den ungarischen Reichstag bestimmt – deren Erfüllung die Fortdauer der Nation gewährleiste und ohne welche diese in eine engere Verbindung Siebenbürgens mit Ungarn nicht eingehen könne. Doch der im Juli in Pest zusammentretende Landtag, auf dem nun auch infolge der Verordnungen des Palatins Siebenbürgen vertreten war, gelangte nicht dazu, die zur rechtlichen Ausgestaltung der Union erforderlichen Gesetze zu schaffen; er wurde im October aufgelöst und der Krieg brach aus. Der Minister des Innern Szemere hatte bereits mit Erlaß vom 31. Juli auf nicht genannte Anzeigen „aus den siebenbürgischen Landestheilen“ den Grafen der sächsischen Nation mit Entsetzung bedroht. Eine Reise Salmen’s nach Pest besserte das Verhältniß nicht. Angesichts der inzwischen rasch fortschreitenden Auflösung aller öffentlichen Ordnung ergriff mit der Proclamation vom 18. October der commandirende General von Siebenbürgen F.M.L. Puchner die Zügel der Regierung und ordnete sofort bei dem geringen Stande der kaiserlichen Truppen im Lande eine Ergänzung dieser an. An die sächsische Nation insbesondere wandte er sich mit dem Verlangen der Errichtung eines Jägerbataillons von 1253 Mann. Er rief nicht umsonst „den bekannten Patriotismus“ derselben an; freiwillig in edelster Begeisterung entsprachen die Jünglinge, viele aus den Kreisen der Studirenden, der jüngeren Beamten, aus Häusern voll Wohlstand, dem Rufe ihrer Behörden. In kürzester Zeit stand es schlagfertig da, auf Kosten der sächsischen Nation equipirt und ausgerüstet; nur „die Armatur“ wurde, „ab aerario beigestellt“. Als Kaiser Ferdinand am 30. November auf den Vortrag des Feldmarschalls Fürsten Windischgrätz die Aufstellung des Bataillons genehmigte, fügte er hinzu: „der sächsischen Nation ist hiefür mittelst des kommandirenden Generalen Baron Puchner Meine Anerkennung bekannt zu geben und zu eröffnen, daß ich auf die Treue und Ergebenheit Meiner sächsischen Nation stets das festeste Vertrauen gesetzt habe.“

Das war einer der letzten Regierungsacte Ferdinand’s; zwei Tage später, am 2. December 1848, entsagte er gegenüber dem „Drang der Ereignisse, dem unverkennbaren und unabweislichen Bedürfniß nach einer großen und umfassenden Umgestaltung der Staatsformen“, in der „Ueberzeugung, daß es jüngerer Kräfte bedürfe, um das große Werk zu fördern und einer gedeihlichen Vollendung zuzuführen“ feierlich dem österreichischen Kaiserthron; sein jugendlicher Neffe Franz Joseph I. bestieg denselben, des hoffnungsfreudigen Entschlusses, „auf den Grundlagen der wahren Freiheit, auf den Grundlagen der Gleichberechtigung aller Völker des Reichs und der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, sowie der Theilnahme der Volksvertretung an der Gesetzgebung“ das, von so schweren Prüfungen heimgesuchte Vaterland zum Frieden und neuer Lebenskraft zu führen und alle Lande und Stämme der Monarchie zu Einem großen Staatskörper zu vereinigen.

Mitten unter den ersten ernsten Sorgen der neuen Regierung gedachte der junge Herrscher an sein „getreues Sachsenvolk in Siebenbürgen“, wo seit Wochen schon blutiger Bürgerkrieg das Land verheerte, in dem die sächsische Bürgerwehr in altererbter Treue unter den kaiserlichen Fahnen im Feld stand. Das kaiserliche Manifest vom 21. December 1848 brachte ihm den „kaiserlichen Gruß und die Versicherung Unserer Huld und Gnade“. „Als Wir bei dem Antritt Unserer Regierung“ – das sind die kaiserlichen Worte – „alle, unter Unserer kaiserlichen Krone vereinigten Völker überblickten, war es Unserm Herzen wohlthuend und hat Uns hohen Trost gewährt, in einer Zeit, wo jene heiligen Bande der Treue und Anhänglichkeit der Völker an den Thron vielfachen Versuchungen ausgesetzt und die Begriffe von Freiheit und Unabhängigkeit zur Verwirrung der Gemüther mißbraucht wurden, die hohe Aufopferung zu erkennen, mit welcher [266] Ihr bereitwillig Haus und Hof, Werkstätte und Pflug verlassen und mit freudiger Hingebung von Gut und Blut die Waffen ergriffen habt, um den seit Jahrhunderten bestehenden Bau der Gesammtmonarchie, ihre Einheit und Kraft, sowie die Rechte Unsers kaiserlichen Hauses in dem Augenblick drohender Gefahr zu stützen und zu schirmen. Thron und Staat, für die Ihr gekämpft, werden Euch die verdiente Anerkennung zollen und die Bürgschaften zu schätzen wissen, welche Eure von Unseren Ahnen so oft belobte Tapferkeit, Ausdauer und Treue, vornehmlich aber Euer Sinn für Ordnung und Gesetzlichkeit und der vernünftige Gebrauch der hierdurch unter Euch heimisch gewordenen Freiheit für den Glanz der Krone und den Bestand des Staates gewähren.“ Ein Strahl dieser erhebenden kaiserlichen Anerkennung, in der alte Zeiten wieder neu wurden, fiel auch auf den Sachsengrafen Franz v. S. Gleichzeitig ertheilte der Kaiser in dem Manifest „den Wünschen Unserer getreuen sächsischen Nation, welche dieselbe durch ihre Abgeordneten Uns vorgetragen hat, Unsere kaiserliche Genehmigung“. Diese Wünsche gingen auf „unmittelbare Unterstellung der Nation unter die Krone, den innigen Verband mit der Gesammtmonarchie und die dadurch bedingte unmittelbare Verbindung der Centralnationalbehörde mit dem verantwortlichen Ministerium in der kaiserlichen Residenz, sowie auf die Vertretung der sächsischen Nation auf einem allgemeinen österreichischen Reichstag“. Ein kaiserliches Rescript vom 22. December 1848 an die Universität der sächsischen Nation vollzog die Einbeziehung des Sachsenlandes in staatsrechtlicher und administrativer Beziehung in die Reihe der durch die künftige österreichische Constitution verbundenen Länder, wies die Nationsunsiversität an, die zum weiteren organischen Anschluß des Sachsenlandes an die Gesammtmonarchie erforderlichen Einrichtungen zu beantragen und zu dem Zwecke mit dem diesbezüglich entsandten kaiserlichen bevollmächtigten Commissar die geeigneten Verhandlungen zu pflegen, der die betreffenden Anträge der Allerhöchsten Genehmigung unterbreiten werde. Der sofortigen Arbeit an diesen Aufgaben trat jedoch der Krieg hindernd in den Weg; die kaiserlichen Truppen sahen sich genöthigt, im März 1849 Siebenbürgen zu räumen; nach dem Fall von Hermannstadt (11. März) floh auch S. in die Walachei, von wo er nach kurzem Aufenthalt an das Hoflager nach Olmütz sich begab, um dem Kaiser für das December-Manifest und -Rescript zu danken und den ferneren Allerhöchsten Schutz für seine Nation zu erbitten. Im August, nach hergestellter Ruhe, kehrte er von Wien, wo er inzwischen mit vorbereitenden Arbeiten für die Zukunft beschäftigt gewesen, nach Hermannstadt zurück. Hier fand er an der Spitze des Landes, das in dem mehrmonatlichen gräuelreichen Bürgerkrieg aus all’ seinen Fugen und Ordnungen gekommen, den Feldmarschalllieutenant Freiherrn von Wohlgemuth als Civil- und Militärgouverneur, dem für die Civilangelegenheiten der frühere provisorische Landeschef der Bukowina Eduard Bach zur Seite gegeben war. Schmerzlich war ihm zunächst, daß der Belagerungszustand auch auf das Sachsenland ausgedehnt wurde, nicht weniger, daß in der vorläufigen neuen Eintheilung des Landes zum Behuf der Verwaltung, dasselbe gleichfalls ein „Militärdistrict“ wurde, an dessen Spitze neben dem zum Districtsobercommissär ernannten Nationsgrafen ohne strenge Sonderung des Wirkungskreises als Militärdistrictscommandant Generalmajor Chavanne stand. Schwer lastete auf den durch den vorausgegangenen Krieg erschöpften sächsischen Kassen ferner, daß das Sachsenland seine Verwaltung aus eigenen Mitteln bestreiten mußte, während die Kosten dafür für die übrigen Landestheile aus öffentlichen Mitteln flossen. Dafür suchte ein, wesentlich durch Salmen’s Eingabe vom 9. August 1849 erwirktes, vom Kaiser „in Anerkennung der erprobten Anhänglichkeit der sächsischen Nation an das Allerhöchste Kaiserhaus und den Staat“ mit Allerh. Entschließung vom 29. Sept. 1849 bewilligtes Aerarialdarlehn [267] von anderthalb Millionen Gulden dem wirthschaftlichen Verfall von Gemeinden und Privaten mit Erfolg Schranken zu setzen.

Den Verfassungsneubau Siebenbürgens begann Wohlgemuth mit der feierlichen Verkündigung (9. Nov. 1849) der Verfassungsurkunde vom 4. März, indem er insbesondere dem Lande „die erhabenen Worte“ ans Herz legte, „mit denen Seine Majestät, unser Allergnädigster Kaiser und Herr, das große Werk der Wiedergeburt eines einheitlichen Oesterreichs durch eine, das ganze Reich umschließende Verfassung allen seinen Völkern verkündet hat“. Bereits am 19. Juli hatte der Kaiser Wohlgemuth bei dessen Ernennung zum Civil- und Militärgouverneur zugleich beauftragt, die Bitten, Begehren und Anträge der sächsischen Nation behufs ihrer organischen Einfügung in den Einheitsstaat entgegen zu nehmen und die diesbezügliche Weisung auch an die Nation ergehen lassen. So berief denn S. nach mehrwöchentlichen Berathungen mit den, schon 1848 bestellten Vertrauensmännern im Spätjahr 1849 die Universität, um im Sinn des kaiserlichen Rescripts vom 22. December 1848, „die, zum weiteren organischen Anschluß an die Gesammtmonarchie erforderlichen und den zukünftigen Verhältnissen des Sachsenlandes entsprechenden Einrichtungen zu beantragen“. Sie trat am 17. December 1849 in Hermannstadt zusammen und nahm in der ersten Sitzung das kaiserliche Rescript vom 22. December 1848, die Reichsverfassung vom 4. März 1849 und das kaiserliche Rescript vom 19. Juli 1849 amtlich entgegen. Die ganze Universität empfand es und hatte ein Bewußtsein davon, daß in jener Stunde ein neuer Geist an die Lebenspforte der Nation anklopfe, und sie hat sich der großen Aufgabe nicht unwürdig bewiesen. Unter den Mitgliedern derselben gehörte ein großer Theil nach Kenntniß, Einsicht und Charakter zu den Besten des Volkes, hervorragend in erster Reihe der Abgeordnete von Hermannstadt Joseph Zimmermann, Professor an der sächsischen Rechtsakademie. Die erste bedeutende Arbeit der Universität war eine Adresse an das kaiserliche Ministerium des Innern vom 7. Januar 1850, in welcher sie auf dem Boden des kaiserlichen Manifestes vom 21. December 1848, des Rescriptes vom 22. December 1848, und der Reichsverfassung vom 4. März 1849 – die in § 74 feststellte: „Die Rechte der sächsischen Nation werden innerhalb dieser Reichsverfassung aufrecht erhalten“ – ihre Rechtsanschauungen, dann die principiellen Wünsche und Bedürfnisse der Nation darlegte. Es ist ein Act von bleibendem geschichtlichem Werthe. Wer die Strömungen jener Zeit und die für die Erhaltung der Monarchie damals thätigen Kräfte kennen lernen will, wird daran nicht vorbeigehen dürfen. Nachdem die Universität die Tendenz: „die sächsische Nation als Nation aus der Reihe der politisch-berechtigten Volksstämme auszulöschen und den auf völkerrechtlichen Vertrag gegründeten siebenhundertjährigen Staatskörper der Deutschen in Siebenbürgen – denn nur unter dieser Bedingung sind dieselben vor sieben Jahrhunderten dem Ruf des ungarischen Königs Geysa II. in ein neues Vaterland gefolgt – in ein atomistisches Dasein vereinzelter deutscher Individuen aufzulösen“, gekennzeichnet, setzt sie auseinander, wie die staatsrechtliche Aufrechthaltung dieser Nation für die Monarchie eine Staatsnothwendigkeit sei, weist auf die im Interesse derselben unmittelbar dringlichen Arbeiten hin und spricht ihre Bereitwilligkeit aus, zum Bau des constitutionellen Einheitsstaates neue Formen für das eigene Rechts- und Verfassungsleben schaffen zu helfen, „in der Ueberzeugung, daß das kaiserliche Wort des Manifestes vom 21. December 1848 Thatsache sei und bleiben müsse“. In der That schuf nun die Nationsuniversität in ernster Arbeit unter Salmen’s Vorsitz und Mitwirkung eine Reihe von statutarischen Entwürfen, immer im Hinblick auf das kaiserliche Manifest und Rescript aus dem December 1848, dann auf § 74 der Märzverfassung, für die zum weiteren organischen Anschluß an die Gesammtmonarchie [268] erforderlichen und den zukünftigen Verhältnissen des Sachsenlandes entsprechenden Einrichtungen. So entstand der Entwurf zur Landesverfassung und Wahlordnung für das Sachsenland, der Entwurf zur Organisation der politischen Verwaltungsbehörden, ebenso der gerichtlichen Organisation im Sachsenland, der Entwurf eines Gemeindegesetzes für das Sachsenland. Doch alle diese, der Regierung unterlegten Arbeiten haben keinen Erfolg gehabt; als man an entscheidender Stelle sich entschloß, die Märzverfassung aufzugeben und den Neubau des Staates auf den Boden des Absolutismus zu stellen, blieben auch sie unerledigt. Zu desto erfreulicherem Ziele kam in Kürze ein anderes Werk durch die einsichtsvolle und fördernde Theilnahme Salmen’s. Der Cultusminister Graf Leo Thun hatte eine neue Organisation des Schulwesens in Siebenbürgen, darunter die Einführung der in der That einen Fortschritt bezeichnenden neuen österreichischen Gymnasialeinrichtung ins Auge gefaßt und zu diesem Zweck den Ministerialsecretär Heufler ins Land geschickt. Dieser trat mit dem Oberconsistorium der evangelischen Landeskirche in Verhandlung, das, wie er schrieb, „zu seinem Ruhme immer die Bahn des Fortschreitens verfolgt hat“, auf welcher Bahn es ihm gelungen sei, „mit kleinen Mitteln Großes zu leisten und hier deutsche Civilisation und Wissenschaft nahezu auf gleicher Stufe mit dem Mutterland zu erhalten“. Da zur entsprechenden Umgestaltung ihres Schulwesens, namentlich der Gymnasien, der Kirche die Mittel fehlten, wandte sie sich an die Nationsuniversität mit der Bitte um eine Dotation aus dem Nationalvermögen, das schon früher in dieser Richtung einige Hülfe gewährt hatte. Dasselbe fortan ganz diesen Zwecken zuzuführen war die einsichtsvoll vorbereitete ursprüngliche Absicht Zimmermann’s, „in Erwägung dessen, daß Schulanstalten der Grundpfeiler des Bestandes und der Blüthe jeder bürgerlichen Gesellschaft sind und mithin über das Nationalvermögen nicht zweckmäßiger und fruchttragender verfügt werden kann, als wenn es zur Hebung solcher Anstalten verwendet wird“. Doch zeigten einzelne Mitglieder der Universität in engen Kantönlirücksichten sich dem großen Gedanken abhold; da war es das Verdienst Salmen’s, daß er, eingedenk der größten seiner Amtsvorgänger, im entscheidenden Augenblick dafür eintrat und selbst durch einen Vortrag und Antrag auch die Schwankenden überzeugte und mitriß. So geschah es, daß die sächsische Nationsuniversität in erhebender Einstimmigkeit in ihrer Sitzung vom 22. August 1850 eine Widmung von jährlichen 50000 Gulden CM. aus dem sächsischen Nationalvermögen zu evangelisch-sächsischen Schulzwecken an das Oberconsistorium der evangelischen Landeskirche machte, zu deren Bestätigung der Kaiser, nachdem er die Stiftung mit Wohlgefallen zur Kenntniß genommen, mit Allerhöchster Entschließung vom 16. August 1851 den Cultusminister Grafen Leo Thun ermächtigte; dieser vollzog die Bestätigung „gemäß Allerhöchsten Befehls Seiner k. k. Majestät“, mit der Erklärung, daß es ihm zum besonderen Vergnügen gereicht habe, eine Stiftung zu bestätigen, „welche durch den edeln Zweck, zu dem sie errichtet ist, ehrendes Zeugniß gibt von dem hohen Werth, den eine Nation der Bildung und Gesittung beizulegen gewohnt sein muß, deren Vertreter das Nationalvermögen nicht zweckmäßiger und fruchtbringender verwenden zu können erklären, als wenn sie es den Schulanstalten widmen“. Auf dieser Stiftung ruht gegenwärtig der materielle Bestand der evangelisch-sächsischen Gymnasien in Siebenbürgen.

Inzwischen wuchs der stille Gegensatz der legalen Stellung des sächsischen Nationsgrafen zu dem selbstherrlichen Vorgehen der absolutistischen Regierungsorgane immer mehr und mehr, und fand keinen dauernden Ausgleich dadurch, daß der Kaiser S. und in ihm auch sein Volk, „in Anerkennung seiner Verdienste für die sächsische Nation und in bedrängten Zeiten thätig bewährter Treue und Beispiels“, 1850 durch die Verleihung des Commandeurkreuzes vom [269] Leopoldsorden ehrte, auf Grund dessen er im April 1854 in den Freiherrnstand erhoben wurde. Auch als Wohlgemuth nach Wien berufen, auf der Reise dahin gestorben (in Pest, 18. April 1851) und Feldmarschalllieutenant Fürst Karl Schwarzenberg ihm als Civil- und Militärgouverneur folgte, änderte sich die Sachlage nicht, wiewohl der Fürst bei der Festtafel, die S. bald nach seiner Ankunft zu seinen Ehren gab, trank „auf das Wohl eines Stammes, der bewiesen hat, daß deutsche Treue noch nicht erloschen ist“. Seit im August 1851 die Märzverfassung in wesentlichen Theilen geändert und gleichzeitig ganz in Frage gestellt, dann mit dem Patent vom 31. December förmlich außer Wirksamkeit gesetzt worden, erschien der Rechtsstand der sächsischen Nation und des Sachsenlandes, sowie die Stellung des Sachsengrafen dem „Gouvernement“ immer unbequemer. Plötzlich wurde, ihn wie Alle überraschend, S., der, wie eben Schwarzenberg rühmte, „mit ausgezeichneter Aufopferung und Hingebung in der gefahrvollen Periode der Jahre 1848 und 1849 eine feste Stütze des Allerh. Thrones gewesen“, durch kaiserliche Entschließung vom 1. Febr. 1852 von seiner Stelle in Hermannstadt abberufen und zum Rath des obersten Gerichtshofes in Wien ernannt. Da war es eine muthige That, als er am 9. Mai 1852 in einer Zuschrift an den allgewaltigen Gouverneur seine Rechtsanschauung über diese „wahrscheinlich über Antrag von Euer Durchlaucht erfolgte Beförderung“ offen aussprach, den ernsten Bedenken Ausdruck gebend, „welche diese, gleichsam auf die Aufhebung der Comeswürde, der sächsischen Nationsuniversität und der doch nicht verwirkten sächsischen Verfassung hinzielenden, wie ich aber in Gehorsam zu bemerken mir erlaube, die Machtvollkommenheit Ew. Durchlaucht übersteigenden Verfügungen“ hervorrufen müßten, wobei er sich „auf Grund des Gesetzes, namentlich des VI. Artikels von 1791“ zugleich verpflichtet fühle „gegen Alle und jede Verfügungen, welche die verfassungsmäßigen Rechte der sächsischen Nation verletzen, Verwahrung einzulegen und sich das constitutionelle Amt des Comes der sächsischen Nation, dessen er wider seinen Willen nicht enthoben werden könne, der sächsischen Nation aber die ungestörte Ausübung ihrer Verfassung vorzubehalten.“ Im Juni ging er an seinen neuen Bestimmungsort ab. Nun wurde Siebenbürgen in politischer und gerichtlicher Beziehung neu eingetheilt, das Sachsenland zerrissen, in diesem insbesondere die Städte von den, mit ihnen in den sächsischen Stühlen und Districten verbundenen Landgemeinden getrennt und die Verwaltung ernannten kaiserlichen Bezirksämtern übertragen. Das Sachsenland, die sächsische Verfassung, die sächsische Nation im staatsrechtlichen Sinne hatten thatsächlich aufgehört.

Die Jahre kamen und gingen, für S. in der ruhigen, stillen, entsagungsvollen, stets pflichttreuen Arbeit bei dem obersten Gerichtshof in Wien, bis nach neuen schweren Schicksalsschlägen, welche die Monarchie trafen, das kaiserliche Diplom vom 20. Oct. 1860 und das kaiserliche Patent vom 26. Febr. 1861 eine neue andere Zeit eröffneten. Siebenbürgen wurde sich wiedergegeben; die siebenbürgische Hofcanzlei, das siebenbürgische Gubernium traten wieder in Wirksamkeit; das Sachsenland, die sächsische Nation, die sächsische Verfassung erstanden aufs neue. Mit Allerhöchster Entschließung vom 14. März 1861 wurde S. angewiesen, das Amt des Sachsengrafen, das nach seiner Rechtsüberzeugung nie erloschen war, wieder zu übernehmen und die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Zustände im Sachsenland durchzuführen. Es geschah in kurzer Frist; bereits am 5. Juni konnten die neugewählten autonomen Behörden ihre Verwaltung beginnen. Auch die Nationsuniversität trat wieder zusammen und sprach unter Salmen’s Vorsitz am 2. Juli in einer Adresse an den Kaiser ihre Gefühle der Freude und des Dankes dafür aus, „daß Eure k. k. apostolische Majestät zu erkennen geruhten, es bestehen die beklagenswerthen Umstände nicht mehr, welche zur Aufhebung der verfassungsmäßigen Zustände in unserem Vaterland den [270] Anlaß geboten hatten“. Mitten aus den, durch schroffen Gegensatz der staatsrechtlichen Anschauungen und Ziele im Land und in der Nation erschwerten Arbeiten, wurde S. am 10. November telegraphisch nach Wien berufen, wo eine kaiserliche Entschließung vom 20. November ihn als Hofrath und Referenten der siebenbürgischen Hofcanzlei zuwies. Schon am 25. November übergab er von Wien aus „in Anbetracht der hochwichtigen Fragen, deren Berathung bei der belobten Hofstelle eben im Zuge ist, wobei die sächsische Nation ihre Vertretung nicht entbehren kann“, die Amtsführung an den provisorischen Gubernialrath Konrad Schmidt, der mit der einstweiligen Stellvertretung des sächsischen Nationsgrafen betraut worden war. Anderthalb Jahre später trat S. 1863 nach 41jährigem Dienste in den von ihm erbetenen ehrenvollen Ruhestand. An dem, in demselben Jahr in Hermannstadt zusammentretenden siebenbürgischen Landtag nahm er als Kronberufener (Regalist) Theil. Die späteren Jahre verlebte er hier, in seiner Vaterstadt in würdiger Weise, voll Theilnahme an den Geschicken des Reiches und denen seines Volkes, bis zu seinem Tode (24. März 1875) nicht zweifelnd an dem endlichen Sieg des Rechtes desselben, weil in der Achtung dieses das Heil auch für die ungarische Nation liege und diese Achtung zugleich eine Forderung der politischen Moral sei, die auf die Dauer sich nicht zurückdrängen lasse.

Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Wien 1874. XXVIII, 145. – Friedenfels, Josef Bedeus von Scharberg. Beiträge zur Zeitgeschichte Siebenbürgens im 19. Jahrhundert. Wien 1877. II, 468.