ADB:Ruotger (Erzbischof von Trier)

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Ruotger (Erzbischof von Trier)“ von Paul Wagner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 39–41, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ruotger_(Erzbischof_von_Trier)&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 14:31 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Rüte, Hans von
Nächster>>>
Rutger
Band 30 (1890), S. 39–41 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ruotger von Trier in der Wikipedia
Ruotger von Trier in Wikidata
GND-Nummer 103147209
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|30|39|41|Ruotger (Erzbischof von Trier)|Paul Wagner|ADB:Ruotger (Erzbischof von Trier)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=103147209}}    

Rutger (Ruotger), Erzbischof von Trier 915 bis 27. Januar 930 oder 931, scheint einer angesehenen, wahrscheinlich lothringischen Familie angehört zu haben, wie man aus den wenigen Nachrichten über seine Verwandten wird folgern dürfen. Es wird uns ein Bruder, Beroald mit Namen, genannt, dem es gelang, die Abtei St. Martin in Trier an sich zu reißen, und eine Nichte, die im Rizzigau in der Ardennengrafschaft begütert war. – Ueber das Leben Rutger’s und sein Wirken als Erzbischof von Trier sind wir sehr spärlich unterrichtet. Nur einigemal tritt er aus dem Dunkel der Geschichte erkennbar hervor, und alsdann wesentlich im Zusammenhang der Ereignisse im westfränkischen Reiche. Denn das Erzstift gehörte zur Zeit seiner Wahl als Theil von Lothringen noch zu Westfranken, und die schwankenden Verhältnisse dieses Reiches, der Streit der Großen unter sich und mit dem Könige Karl III., namentlich der Gegensatz, in dem der lothringische Herzog Giselbrecht zu dem König stand, berührte auch das Erzstift auf das lebhafteste und zog es in die hierdurch veranlaßten Unruhen hinein. Die Stellung des Erzbischofs war in diesen Streitigkeiten von vornherein gegeben; denn das gewaltthätige Wesen des Herzogs bedrohte das Land auf das schwerste, zumal er den reichen Besitz der Klöster, wie das Kirchengut überhaupt, als gute Beute betrachtete. Noch hielt er ein werthvolles Besitzthum der Trierer Kirche, die St. Servatiusabtei in Mastricht, die ihr einst König Arnulf geschenkt hatte, und die des Herzogs Vater, Graf Reginar, ihr gewaltsam entzog, in seinen Händen fest. So mußte der Erzbischof von Trier nothwendig im Interesse seines Stifts auf die Seite des westfränkischen Königs gedrängt werden. – Als R. 915 gewählt wurde, wird sich seine Wahl unter der Wirkung eines von Karl III. seinem Vorgänger Ratpod im J. 913 gewährten Privilegiums vollzogen haben, durch welches die Geistlichkeit und das Volk von Trier die freie Wahl des Erzbischofs zugesichert erhielt; denn schwerlich wird Karl gerade bei der ersten Wahl, die nach Ausstellung [40] jenes Privilegs erfolgte, gegen dasselbe gehandelt haben. Daß sie dem König genehm war, ist auch daraus abzunehmen, daß er R., wie früher seinen Vorgänger, als Erzkanzler an die Spitze der westfränkischen Reichskanzlei stellte und in dieser Stellung beließ, so lange er selbst im Besitz seiner königlichen Würde war. Bald nach Rutger’s Wahl muß der Gegensatz zwischen dem König und dem Herzog Giselbrecht zum Ausbruch und zu einer Entscheidung gebracht worden sein, und es bekundet das gemeinsame Interesse, das den König mit dem Erzbischof verband, wie auch vielleicht einen vorübergehenden Sieg ihrer Partei, daß Karl im J. 919 zu Diedenhofen auf Rutger’s Klage die Servatiusabtei in Mastricht dem Erzstift Trier zurückgab, wenn man vielleicht auch zweifeln kann, ob der Erzbischof wirklich in den Besitz der Abtei gelangte, oder ob dieselbe nicht trotzdem in den Händen Giselbrecht’s verblieb. Wie dem auch sein mag, man erkennt wenigstens das enge Zusammenhalten des Königs und des Erzbischofs. Auch in der folgenden Zeit dauerte dasselbe fort. Wir finden R. mehrfach am Hofe des Königs und in nahen Beziehungen zu ihm. So erschien er 920 zu Tournay bei Karl, der auf seine Bitte der Quintinskirche in Narbonne einen Gnadenbrief ertheilte, und 922 in Disborch (Duisburg?), wo wieder durch Rutger’s Vermittelung das Stephansstift in Toul eine Bestätigung seiner Besitzungen erhielt. Inzwischen aber war in Deutschland der Sachsenherzog Heinrich zum König gewählt worden, und so wenig derselbe auch anfänglich an eine Eroberung Lothringens gedacht hat, die unsicheren Verhältnisse und das Verhalten Karl’s selbst lenkten seine Blicke hierher und zwangen ihn, sich mit diesen lothringischen Wirren zu beschäftigen. Im J. 921 hatte er zum Abschluß eines feierlichen Freundschaftsvertrages eine Zusammenkunft mit König Karl auf dem Rhein in der Nähe von Bonn, bei welcher auch R. zugegen war, der hier wol zuerst dem thatkräftigen Könige von Deutschland begegnete. Als nun im Lauf der nächsten Jahre die Verhältnisse im westfränkischen Reiche sich immer mehr verwirrten, ein neuer König gegen Karl ausgerufen wurde, erst Robert, dann Herzog Rudolf von Burgund, Karl sogar 923 in die Gefangenschaft eines Grafen Heribert gerieth, da veranlaßte das eigene Interesse, wie das des Landes, einzelne Großen, von neuem den König von Deutschland nach Lothringen zu rufen und durch ihn eine Entscheidung herbeiführen zu lassen. In diesem Punkte begegneten sich die Interessen der beiden alten Gegner, des Herzogs Giselbrecht und Rutger’s. Auf ihre Veranlassung erschien König Heinrich 923 in Lothringen, bis an die Maas vordringend, und in Verbindung mit ihnen soll er Metz erobert haben, dessen Bischof Wigerich, ein Suffragan von Trier, sich dem Gegenkönige Rudolf angeschlossen hatte. Noch unterwarf sich nicht ganz Lothringen, aber ein Theil der Großen des Landes erkannte ihn schon als König an, darunter R. In Trierer Urkunden rechnete man von 923 ab die Jahre seiner Regierung. Erst 925 nahm das ganze Land die Herrschaft des deutschen Königs an, um fortan einen Bestandtheil des deutschen Reiches zu bilden. Als Folge des neuen Regiments trat hierauf eine etwas größere Beruhigung ein. Heinrich verstand es, den unruhigen Herzog Giselbrecht zu zügeln und dauernd an sein Interesse zu fesseln, indem er ihn als Herzog von Lothringen anerkannte und später zu seinem Schwiegersohn machte. R. ließ er als Erzkanzler an der Spitze der Kanzlei für Lothringen. Auch wird er sich haben angelegen sein lassen, um einem erneuten Ausbruch des Streites zwischen dem Erzbischof und dem Herzog von Lothringen vorzubeugen, einen Hauptgrund des Zwistes zu beseitigen. Denn wol vorwiegend seiner Vermittlung wird es gelungen sein, den Streit um die St. Servatiusabtei durch einen Vergleich zu beseitigen. In seiner Gegenwart und mit seiner und der versammelten Großen Zustimmung kam im Sommer des Jahres 928 zu Mastricht ein Vertrag zu Stande, nach welchem R. allerdings [41] die Abtei dem Herzog auf dessen Lebenszeit als Precarie überlassen mußte, dafür aber von ihm den Ort Burgen an der Mosel, aus den Gütern der Servatiusabtei den Ort Güls bei Coblenz und aus den Gütern der Abtei St. Maximin das Dorf Thalfang, letzteres so lange der Herzog lebte, erhielt. Vorsichtig war R. zurückgewichen und hatte nicht auf sofortiger Herausgabe der streitigen Abtei bestanden, da dies sich von dem mächtigen Herzoge, den auch König Heinrich wird haben schonen wollen, nicht erzwingen ließ. Indem er aber in kluger Weise nachgab, sicherte er seinem Erzstift den Besitz für die Folgezeit, und in der That gelangte die Abtei nach Giselbrecht’s Tode an die Trierer Kirche zurück.

Wie sich R. in diesen allgemeinen politischen Dingen als ein thätiger und umsichtiger Vertheidiger der Rechte seiner Kirche erwies, so scheint er sich, nachdem einigermaßen geordnete Zustände herbeigeführt waren, auch die inneren Angelegenheiten des Erzstifts, vornehmlich die Besitzungen desselben, die Pflege der geistlichen Stifter seines Sprengels, die unter den Normanneneinfällen früherer Zeiten so schwer gelitten, endlich die Zucht seiner Geistlichkeit eifrig haben angelegen sein lassen. In mehreren Precarienverträgen aus den Jahren 924, 926 und 929 lernen wir ihn als einen sorgsamen Verwalter und Mehrer des Kirchen- und Klosterguts kennen. Seine Fürsorge für die Klöster soll er auch dadurch bethätigt haben, daß er die Uebertragung der Heiligen Potentius Simplicius und Felix aus dem Kloster Karden an der Mosel in die Abtei Steinfeld gestattete, und nach einer aus dem Kloster St. Maximin stammenden Ueberlieferung ließ er den Körper des heiligen Maximin, den man zu Zeiten seines Vorgängers wieder aufgefunden und in der Klosterkirche ausgestellt hatte, dem Wunsche des Heiligen entsprechend, angeblich im J. 921, an seinem früheren Orte wieder beisetzen. Endlich hören wir auch von einem Provinzialconcil, das er wahrscheinlich im J. 929 mit seinen Suffraganbischöfen in Trier abhielt, und auf dem eine angeblich auf seine Veranlassung verfaßte Sammlung von kanonischen Beschlüssen die Billigung des Concils erhielt. Nicht lange darauf – am 27. Januar 930 oder 931, das Jahr steht nicht genau fest – ist er gestorben. Sein Leichnam wurde in der Walburgiskirche des Stifts St. Paulin zu Trier beigesetzt, wo man noch im 17. Jahrhunderte seinen Grabstein sehen konnte.

Continuator Reginonis.Flodoardi Annales.Gesta Trevirorum.Broweri et Masenii antiquitates et annales Trevirenses I. – Hontheim, Historia Trev. diplom. I. – Goerz, Mittelrheinische Regesten I. – Waitz, Jahrbücher unter König Heinrich I. – Wittich, Die Entstehung des Herzogthums Lothringen. – Diel, Der h. Maximin und der h. Paulin. – Schmidt, Die Kirche des h. Paulinus.