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Artikel „Runge, Jacob“ von Adolf Häckermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 689–691, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Runge,_Jacob&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 17:24 Uhr UTC)
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Runge: Jacob R., berühmter Theologe und Mitbegründer der Reformation in Pommern, geboren am 15. Juni 1527 zu Stargard, † am 11. Jan. 1595 zu Greifswald. Er besuchte 1542 die Schule zu Stettin und studirte seit 1544 zu Wittenberg unter Leitung Luther’s und Melanchthon’s, mit welchem letzteren er aufs innigste befreundet und auch nach seiner Heimkehr, da er 1547 zum Professor der Theologie und Stadtsuperintendenten in Greifswald berufen wurde, in dauerndem Wechselverkehr blieb. Als Abgeordneter Pommerns begleitete er Melanchthon mehrere Male, zuerst 1552, um mit ihm das tridentinische Concil zu besuchen, welches jedoch der zwischen Moritz von Sachsen und Karl V. ausbrechende Krieg verhinderte; darauf 1555 nach Nürnberg wegen des Streites mit Osiander und 1557 nach Worms zum Zwiegespräch mit der katholischen Partei unter Vorsitz des Bischofs Julius von Naumburg. In Pommern verband ihn eine ähnliche Freundschaft mit dem Generalsuperintendenten Joh. Knipstro (s. A. D. B. XVI, 298), dem er auch auf seinem Sterbebette gelobte, niemals die pommersche Kirche zu verlassen. Aus diesem Grunde lehnte er den auf Melanchthon’s Empfehlung an ihn ergangenen Ruf nach Wittenberg, Bugenhagen’s Nachfolger zu werden, ab und wurde nach Knipstro’s Tode am 7. März 1557 zu dessen Nachfolger erwählt. In diesem Amte und der damit verbundenen theologischen Professur bewährte er 38 Jahre hindurch bis an seinen Tod eine ausgezeichnete, nie ermüdende Thätigkeit für Kirche und [690] Universität seines Heimathlaudes und verwaltete auch wiederholt das Rectorat. Sein Hauptverdienst erwarb R. sich jedoch durch die Leitung der Landessynoden und durch die weitere Ausführung der von Bugenhagen 1535 entworfenen pommerschen Kirchenordnung und Agende, welche im J. 1563 veröffentlicht, zu den ausgezeichnetsten Arbeiten ihrer Gattung gehört und dem Gottesdienst in Pommern seine dauernde überaus würdige Gestalt verlieh. Die langwierigen Streitigkeiten, in welche R. darüber mit dem Stralsunder Rath und der dortigen Geistlichkeit, namentlich mit dem ersten Pastor M. Jacob Crusius (s. A. D. B. IV, 631) gerieth, sind in J. Heinrich Balthasar’s Sammlung zur Pommerschen Kirchenhistorie II, 458–490 ausführlich berichtet. Auch bei der schon längst beschlossenen und im Frühjahr 1558 von Herzog Philipp zur Ausführung gebrachten Visitation der Universität, entfaltete R. die hervorragendste Thätigkeit. Die praktischen Verbesserungen der Vorlesungen, Besoldungen und der Oekonomie wurden von glänzenden Festlichkeiten begleitet, welche der Herzog in Greifswald namentlich bei der Promotion Runge’s und des Wolgaster Hofpredigers Dionysius Gerson veranstaltete. Der längere Besuch desselben in der Universitätsstadt war durch den Wolgaster Schloßbrand (18 December 1557) veranlaßt, infolge dessen er auch seine drei Söhne Johann Friedrich, Bogislaw XIII. und Ernst Ludwig Runge’s Leitung anvertraute und auf der vaterländischen Hochschule studiren ließ. Bei der Immatriculation wurden die jungen Herzöge von R. sorgfältig geprüft und nach der Sitte der Zeit dem ältesten, Johann Friedrich (geboren am 27. August 1542) das Rectorat übertragen. Infolge dessen sprach derselbe, als der Wolgastische Kanzler Valentin v. Eichstedt den Visitationsreceß über die genannten Verbesserungen beim Schlusse der Feier verlesen hatte, seinem Vater den Dank der Universität in einer lateinischen Rede aus. Nach Herzog Philipp I. frühzeitigem Tode (14. Februar 1560) stand er dessen Söhnen, deren Jugend er mit treuem Wohlwollen geleitet hatte, auch in ihrem landesherrlichen Walten beständig zur Seite, erlangte für die Universität die erneuten Visitationsrecesse vom Jahre 1568 und 1571, die Einsetzung eines Consistorialgerichts, in welchem der Generalsuperintendent den Vorsitz führte und im J. 1581 auch die Einrichtung einer Druckerei. In dem später ausbrechenden Kirchenstreite war R. als begeisterter Schüler und persönlicher Vertrauter der beiden Reformatoren ein eifriger Vorkämpfer für deren Lehre und verweigerte deshalb mit dem übrigen pommerschen Clerus 1580 die Unterzeichnung der Concordienformel, weil sie die Angriffe des Flacius Illyricus gegen Melanchthon begünstige, und bezeichnete die einzelnen Artikel, welche er in derselben tadelt, genau in dem Schreiben an den schleswigschen Superintendenten Paul v. Eitzen. Namentlich verwirft er, daß das Mainzer Exemplar der Augsburger Confession an die Stelle der 1531 und 1540 gedruckten und bisher in Pommern gebrauchten gesetzt werde, daß in der Lehre vom freien Willen die Flacianische Doctrin begünstigt sei, welche dem Menschen seine eigene Mitwirkung abspreche, und gibt Luther’s und Melanchthon’s Lehre, welche dem Evangelium die Mahnung zur Buße beilegt, vor der Concordienformel, welche diese nur dem Gesetz zuschreibt, den Vorzug. In gleichem Sinne ist auch der von R. 1582 zum Schulgebrauch abgefaßte Katechismus gegen die Concordienformel gerichtet. Dagegen erwehrte er sich in seiner Schrift „Warnung wider den sacramentirischen Lügengeist“, Barth 1586, eifrig des Verdachtes, als ob er zur reformirten Abendmahlslehre neige; auch wurden auf der Stettiner Synode 1593 die drei Artikel der Concordienformel vom Abendmahl, von der Person Christi und der ewigen Erwählung angenommen und bekannt gemacht unter dem Titel: „Bekenntniß und Lehre der Kirchen in Pommern von dem heiligen Nachtmahl“. Für das Wohl der Universität nach allen Richtungen hin besorgt, förderte er in Gemeinschaft mit [691] Herzog Ernst Ludwig seit 1591 den Bau des neuen akademischen Gebäudes, erlebte aber den herben Schmerz, daß der wohlwollende Fürst noch im besten Mannesalter am 17. Juni 1592 vor Vollendung des nach ihm benannten Collegium Ernesto-Ludovicianum verstarb. In seinen letzten Stunden wußte er ihn mit geistlichem Troste zu erheben und hielt dann zu Wolgast bei den Begräbnißfeierlichkeiten am 21. Juni und 19. Juli zwei Leichenpredigten, welche mit warmer Beredsamkeit die Verdienste des Heimgegangenen schildern. Wenige Jahre darauf, wol durch die Anstrengungen seines Amtes und der kirchlichen Streitigkeiten erschöpft, starb er am 12. Jan. 1595 und wurde in der St. Nikolaikirche zu Greifswald bestattet, wo noch jetzt sein Grabstein und Bildniß erhalten ist. Seine Schriften stehen in Jöcher’s Gelehrtenlexikon und Dähnert’s Katalog der Universitätsbibliothek verzeichnet.

Aus seiner Ehe mit Anna Gerschow stammen drei Töchter und fünf Söhne, von denen sich Johann als fürstlicher Leibmedicus, Jacob und Daniel als Juristen und fürstliche Räthe auszeichneten, während David, geboren 1564, † 1604, Professor in Wittenberg wurde und eine Reihe theologischer Schriften herausgab, die in Jöcher’s Gelehrtenlexikon angeführt stehen. Von ihnen und ihrem Oheim Andreas R., welcher von 1559–73 Professor in der philosophischen und dann in der theologischen Facultät, sowie Pastor an der Jakobikirche zu Greifswald war, entsproß eine zahlreiche Descendenz, deren Nachkommen als Geistliche und fürstliche Räthe sich gleichfalls ein hohes Verdienst erwarben.

Balthasar, Sammlung zur Pom. Kirchenhistorie II, 387–642, 643–56. – Kosegarten, Gesch. der Univ. Greifsw. I, 200–202, 215, 223, 230. – J. v. Bohlen, Personalien der Pom. Herzöge, S. 83. – Mohnike, Gesch. der Pom. Buchdruckerkunst, S. 50 ff.; – Ders., Frederus’ Leben, S. 5.; – Ders., Das sechste Hauptstück des Katechismus, S. 115.