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Artikel „Rothari“ von Felix Dahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 348–349, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rothari&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 08:16 Uhr UTC)
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Rothari, Langobardenkönig (636–652), aus der Sippe Arodus, Nachfolger Ariovalds (über die allgemeine Lage Italiens zur Zeit der Langobardenherrschaft, die einander bekämpfenden Mächte vergl. den Artikel Liutprand). Wir sind über die Thätigkeit des ohne Zweifel tüchtigen Herrschers nur sehr ungenügend unterrichtet; er führte den von seinen Vorgängern überkommenen Kampf gegen die Römer und Byzantiner in Mittel- und Süditalien erfolgreich fort: er eroberte von der tuscischen Stadt Luna alle Städte der Römer bis zur fränkischen Grenze, ebenso Opitergium zwischen Treviso und Forojuli, die ravennatischen Römer schlug er in der Aemilia an dem Fluß Scultonna so schwer, daß sie (angeblich) 8000 Mann verloren, – eine in jenen Kämpfen sehr selten erreichte Zahl; gleichzeitig fochten die von der Krone nur locker abhängigen mächtigen Herzoge von Benevent gegen Slaven und Byzantiner im Süden. Paulus Diakonus lobt Rothari’s Tapferkeit [349] und auch des Königs Gerechtigkeit, obwohl er dessen arianischen Aberglauben beklagt: von der Verfolgung der Katholiken war unter seiner Herrschaft so wenig die Rede, daß damals in fast allen Städten ein katholischer Bischof neben dem arianischen stand. Großes Verdienst erwarb sich der keineswegs nur auf Krieg bedachte Herrscher dadurch, daß er zuerst (643) langobardisches Recht, welches bisher nur als Gewohnheitsrecht auf mündlicher Ueberlieferung (durch Weisthümer) beruhte, mit zeitgemäßen Aenderungen im Vulgärlatein der Zeit aufzeichnen und nach eingeholter Zustimmung von Adel und Volk als Edictus veröffentlichen ließ. Das Vorwort, der Justinianeischen Novelle VII nachgebildet, erklärt als Zweck ausdrücklich die Umbildung und Besserung des bisher geltenden Rechts, welches andererseits als Quelle und Grundlage des Edictus von dessen der Novelle VIII ähnelndem Nachwort bezeichnet wird. „Rothari’s Edict ist mit Recht als die hervorragendste legislative Schöpfung aus der Zeit der Volksrechte bezeichnet worden. Es ist ein Werk aus Einem Guß, die Rechtssätze sind klar und scharf formulirt“. Die zahlreichen Kunstausdrücke für die Rechtsbegriffe sind der oberdeutschen Zunge angehörig, das römische Recht ist verwerthet, aber mit Maß, unter würdiger Wahrung der Selbständigkeit des germanischen Rechts eines Germanenvolkes. Das Kirchliche ist wenig berücksichtigt. Das Gesetz wollte außer in rein langobardischen, wahrscheinlich auch in gemischten, das römische Recht sollte nur in rein römischen Fällen angewendet werden. Dafür spricht schlagend, was noch nicht beachtet ist die Uebertragung des Edicts in das Griechische für die Byzantiner in Benevent, welche doch gar keinen Entstehungsgrund gehabt hätte, falls diese auch in gemischten Fällen nach Justinianeischem Recht, also gar nie nach dem Edictus gerichtet worden wären. R. starb nach einer Regierung von 16 Jahren und vier Monaten (652); ihm folgte sein Sohn Rodoalt, der schon nach sechs Monaten ermordet ward.

Paulus Diaconus, Historia langobardorum ed. Waitz, Hannoverae 1878 – Edictus Langobardorum ed. Bluhme, Monumenta Germaniae historica Leg. IV. (1869). – Savigny, Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter II. – Merkel, Geschichte des Langobardenrechts 1850. – Pasquale del Giudice, le tracce di diritto romano nelle leggi langobarde I. Pavia 1886. – Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte I, Leipzig 1887. – Dahn, Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker IV, Berlin 1889.