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Artikel „Roos, Magnus Friedrich“ von Roos. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 145–148, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Roos,_Magnus_Friedrich&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 09:41 Uhr UTC)
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Roos: Magnus Friedrich R., jüngerer selbständiger Schüler Johann Albrecht Bengel’s, geboren in Sulz am Neckar am 6. September 1727, † als Prälat zu Anhausen am 19. März 1803. Sein Lebensgang hat keine großen, erschütternden oder mannichfaltigen Wendungen und Wechsel aufzuweisen. Er war der Sohn des Christoph Friedrich Roos, geistlichen Verwalters und Alpirspacher Pflegers in Sulz am Neckar. Er durchlief, mit einem schönen Ebenmaß natürlicher Gaben ausgerüstet, die gewöhnliche Laufbahn eines angehenden württembergischen, evangelischen Geistlichen. 1752 wurde er auf die Stelle eines Repetenten im evangelischen Stift zu Tübingen, 1755 zum Stadtvicariat bei den Kirchen Stuttgarts berufen. 1757 ernannte ihn das herzogliche Consistorium zum Diakonus in Göppingen, wo er sich verehelichte. Nach 10jähriger [146] Amtsthätigkeit in Göppingen, einer dazumal durch Uneinigkeit zerrütteten Gemeinde, wobei er sich oft das Wort des Apostels Paulus vor Augen hielt: „Wenn ich Menschen gefällig wäre, so wäre ich Christi Knecht nicht“ (Gal. 1, 10), wurde er 1767 zum Pfarrer in Lustnau und zugleich zum Decan für die Bebenhäuser Diöcese befördert. Hier mußte er mit einem sittenlosen, weltlichen Beamten lange Jahre zusammenwirken. Gegen die ihm untergebenen Geistlichen suchte er nicht als Herrscher, sondern als väterlicher Berather, ja als Diener sich zu bezeugen. Wie tiefgehend und nachhaltig seine Wirksamkeit bei seinen Gemeindegliedern war, beweist ein Erlebniß seines Enkels, des Arbeitshausgeistlichen zu Ludwigsburg, Wilhelm Friedrich R. Ein Sträfling, der zuvor hart und unempfänglich gegenüber geistlichem Zuspruch sich verhalten hatte, fing an zu weinen, als er erfuhr, daß der Geistliche, der vor ihm stand, ein Enkel des ehemaligen Specials von Lustnau, seines Seelsorgers, sei, brach in ein lautes Lob seines noch nie vergessenen Lehrers aus, und war von Stund an wie verwandelt. – In Lustnau, einem ganz in der Nähe der Universität Tübingen gelegenen Dorfe, stand er in genauem Umgang mit dem ausgezeichnet gelehrten und aufrichtig frommen Kanzler der Universität, Jeremias Friedrich Reuß (s. A. D. B. XXVIII, 308). Auch sammelte sich um ihn eine kleine Schar Theologie studirender Jünglinge, denen er eine Art von Privatvorlesung hielt, oder durch freie Unterredungen Anleitung gab zur Erkenntniß der biblischen Theologie. Im J. 1784 wurde er bei Abnahme seiner Kräfte auf seine Bitte auf die Prälatur Anhausen befördert, wo er das Predigtamt an einer kleinen Gemeinde zu führen hatte, 1788 als Mitglied in den größeren Ausschuß der württembergischen Landschaft berufen. Als Herzog Friedrich 1797 den Thron Württembergs bestieg, wurde er, wie fast alle geistlichen und weltlichen Mitglieder der beiden Ausschüsse von dem größeren Ausschuß aus politischen Gründen ausgeschlossen. Da er aber dennoch als Prälat und Landstand dem Landtag, bei dem vieles Unangenehme vorkam, beiwohnen mußte, so entzog er sich dieser Pflicht nicht. Auf seinen Stellen zu Göppingen, Lustnau und Anhausen war er nicht nur ein eifriger Prediger und Seelsorger, sondern auch ein sehr fruchtbarer Schriftsteller. Gegen 50 größere und kleinere Schriften verdanken wir seiner durch große Klarheit des Geistes, durch seltene Einfalt, Nüchternheit und Gesundheit echt evangelischen Glaubens sich auszeichnenden, schriftstellerischen Wirksamkeit. Die bedeutendsten unter seinen wissenschaftlich-theologischen Werken sind: „Einleitung in die biblischen Geschichten von der Schöpfung bis auf Abraham“, in der Fortsetzung „Fußstapfen des Glaubens Abrahams“, „Lehre und Lebensgeschichte Jesu“, „Christliche Glaubenslehre“, „Grundzüge einer biblischen Seelenlehre“, Auslegung verschiedener apostolischer Briefe und anderer biblischer Schriften; unter den volksthümlichen, erbaulichen Werken das unter dem evangelischen Volk ungemein verbreitete „Christliche Hausbuch“, mit biblischen Betrachtungen für Morgen und Abend eines jeden Tages und Liedern des berühmten geistlichen Liederdichters Philipp Friedrich Hiller, „Die Kreuzschule“, eine Fundgrube echt evangelischen Trostes für Trübsale jeder Art, sodann die von besonderer Gabe der Volksthümlichkeit zeugenden kleineren Schriftchen: „Seefahrergespräche“, „Soldatengespräche“, „Christliche Gespräche für Landleute“, „Gespräche vom Alter, vom Tod“. Die Seefahrer- und Soldatengespräche haben mehrere Ausgaben erlebt und sind auch in holländischer und französischer Uebersetzung gedruckt worden; ebenso ein kleines Schriftchen: „Beleuchtung der gegenwärtigen großen Begebenheiten durch das prophetische Wort Gottes“, 1793 in englischer Uebersetzung. Die wichtigsten seiner Schriften sind auch in Schweden verbreitet. Neben dieser umfassenden schriftstellerischen Tätigkeit stand R. in einer ausgebreiteten Correspondenz mit Theologen [147] und Laien des engeren württembergischen und des großen deutschen Vaterlandes, mit Hohen und Niederen, mit Fürsten, Herren vom Adel, wie mit schlichten Leuten des Volkes. Unter Theologen sind zu nennen: Kanzler Reuß in Tübingen, Karl Heinrich Rieger, Consistorialrat in Stuttgart, Verfasser der bekannten Erklärung des neuen Testamentes, Dr. und Professor der Theologie Gottlob Christian Storr in Tübingen, Decan Steinhofer in Weinsberg, Pfarrer Philipp Matthäus Hahn, der Theosoph, den er von Abweichungen in der Lehre mehr in kirchliche Bahnen lenkte; ferner nicht württembergische Theologen: Hillmer und Hermes in Berlin, Prediger Schöner in Nürnberg, Senior und Pastor Urlsperger in Augsburg, Gründer der deutschen Christenthumsgesellschaft, Spangenberg, Bischof der Brüdergemeinde, Freylinghausen, Nachfolger Francke’s in Halle, Consistorialrath Silberschlag in Berlin, Weinland in Rostock; unter Laien der berühmte Dichter Schubart, der auf der Feste Hohentwiel gefangen gesetzte Oberst Rieger, Kaufmann Kießling in Nürnberg, Gysbert van der Smissen in Altona, die Grafen von Lynar, Burgsdorf, Hohenthal, der christliche Liederdichter, preußischer Geheimrath Chr. K. Ludwig v. Pfeil, Herzog Friedrich von Mecklenburg-Schwerin, der in einer wichtigen Angelegenheit ein Gutachten sich von ihm erbat. Auch bei seinem eigenen Landesherrn, dem Herzog Karl Eugen, fanden seine guten Absichten und sein redlicher Eifer für die Wahrheit Anerkennung, ebenso bei seiner zunächst ihm vorgesetzten Behörde, dem herzoglichen Consistorium zu Stuttgart. Letzteres ertheilte ihm, als Decan zu Lustnau, den wichtigen Auftrag, über das ganze System des Theosophen Philipp Matthäus Hahn treuen und gewissenhaften Bericht zu erstatten, lobte sein bisheriges Verhalten und forderte von einem seiner Briefe an Hahn eine Abschrift. Auch mit dem Theosophen gleichen Namens, dem Bauern Michael Hahn von Altdorf, hatte er als Decan in Lustnau, da Altdorf in seine Diöcese gehörte, zu verhandeln. Am Christfest 1802 predigte er zum letzten Mal in seiner Gemeinde Anhausen. Das Leiden, das sein Ende herbeiführte, war die Bildung von Polypen im Rachen und auf der Zunge, die ihn den Hunger- oder Erstickungstod befürchten ließen. Seine Leiden erreichten oft einen beispiellosen Grad. Seine Gemüthsstimmung war während der dreimonatlichen ungewöhnlichen Krankheit manchmal eine sehr gedrückte. Er schmachtete nach Tröstungen und Beruhigungsgründen aus der heiligen Schrift und nahm solche auch von Personen aus dem geringsten Stande dankbar an. Ungefähr 14 Tage vor seinem Sterben, aus einem wundersam erquickenden Traume erwacht, erklärte er den Seinigen: „Nun fürchte ich kein Verschmachten mehr“. Unter dem Gesang eines Lobliedes, den er von den Seinigen sich erbeten hatte, schlummerte er ein zum Erwachen im besseren Leben am 19. März 1803 in einem Alter von 75 Jahren.

Der Bibelerklärer Richter nennt ihn den in kindlicher Einfalt großen Roos. Wenn Andere, wie sein ehrwürdiger Lehrmeister Johann Albrecht Bengel, ihm überlegen waren an Tiefsinn und Scharfsinn, so zeichnete ihn ein seltenes Ebenmaß der geistigen Gaben aus. Bei seiner ungeheuchelten, aufrichtigen Frömmigkeit und seiner demüthigen Stellung zu dem Wort der heiligen Schrift als lernbegieriger Schüler, war es nicht anders zu erwarten, als daß alles, was er in mündlichem Wort oder in seinen Schriften bot, durch Gesundheit und Nüchternheit der Lehre, wie durch wahre, tiefe Lebensweisheit hervorragte. Eine ungemeine Klarheit des Geistes war ihm eigen, während ihm dichterischer Schwung und reiche Phantasie weniger zu Gebote stand. – Wenn unter seinen Erbauungsschriften sein Christliches Hausbuch, sowie seine Kreuzschule so große Beliebtheit bei dem Volke gewonnen haben, so hat dies seinen Grund darin, daß hier in geistlicher Nahrung gesundes, kräftiges Hausbrot statt halbwerthiger Leckerbissen dargereicht wird, welches unter der großen Veränderung der Lebensschicksale und dem Wechsel der [148] Stimmungen seinen bleibenden Werth behält. Seine Theologie hatte eine entschiedene Richtung auf das praktische Leben. Er genoß als Mann von christlicher Lebensweisheit ein solches Zutrauen, daß Leute aus verschiedenen Ständen und von verschiedenem Range in Württemberg und aus entfernten Ländern mit den verschiedensten Anliegen und Anfragen sich an ihn wandten und seine Meinung oder seinen Rath einholten. Bald über theologische oder kirchliche Gegenstände, bald über gewisse Personen wurden Gutachten von ihm verlangt. Als nüchterner biblischer Theologe und als Mann von reicher und tiefer, wahrhaft christlicher Lebensweisheit hat er für das württembergische Volk und über die Grenzen Württembergs und Deutschlands hinaus in großem Segen gewirkt zur Pflanzung gesunden evangelischen Glaubens und ungeheuchelter Frömmigkeit.

Roos.