ADB:Rochau, August Ludwig von

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Artikel „Rochau, Ludwig von“ von Friedrich von Weech in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 725–726, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rochau,_August_Ludwig_von&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 23:35 Uhr UTC)
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Rochau: August Ludwig v. R., Publicist und Politiker, geb. zu Wolfenbüttel am 20. August 1810, † zu Heidelberg am 15. October 1873. Nach Vollendung seiner Schulstudien in Wolfenbüttel bezog R. die Universität Göttingen, wo er juristischen und historischen, insbesondere staatswissenschaftlichen Studien oblag und sich mit Eifer der Burschenschaft anschloß. An der Erstürmung der Hauptwache zu Frankfurt a. M. 1833 betheiligt, nach dem Scheitern des Unternehmens flüchtig geworden, machte er, in der Nähe von Darmstadt verhaftet, einen Selbstmordversuch und wurde, nur gegen seinen Willen geheilt, demnächst in Untersuchung genommen und zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurtheilt. Als auch die zweite Instanz dieses barbarische Urtheil bestätigte, beschloß er, von dessen Ungerechtigkeit überzeugt und tief erbittert, die ihm durch Vermittlung von Freunden eröffnete Möglichkeit, sich dem Strafvollzug durch die Flucht zu entziehen zu gebrauchen und begab sich, verkleidet, nach Frankreich. Die Lehrjahre, die er dort zubrachte, wandte er wesentlich zur Erweiterung und Vertiefung seiner vielseitigen Bildung an und beschäftigte sich namentlich auch mit den socialistischen Theorien. Viele liberale Zeitungen in Deutschland erhielten von ihm Berichte, eine Reise nach Spanien hinterließ lebhafte Eindrücke, die er in einer damals vielgelesenen Beschreibung seiner Erlebnisse niederlegte. Als ihm die veränderten politischen Verhältnisse in Deutschland die Rückkehr in das Vaterland ermöglichten, nahm er als Publicist an der Bewegung der Jahre 1848–1849 einen regen Antheil und bekämpfte mit nüchternem Sinne die Extravaganzen der äußersten Linken, aber nicht minder das schroffe Auftreten der Conservativen. Sein in der Schweiz veröffentlichter Bericht über das Erfurter Parlament brachte seine Verbitterung zu kräftigem Ausdruck. Indeß ließ er sich weder durch die Enttäuschungen des Jahres 1850 noch durch die darauffolgende Reaction, unter deren Druck er persönlich schwer zu leiden hatte – als Redacteur der „Constitutionellen Zeitung“ wurde er von dem Ministerium Manteuffel aus Berlin ausgewiesen – in seiner Ueberzeugung beirren, daß die Wiedergeburt des deutschen Volkes nur von Preußen ausgehen könne. Nach einem Aufenthalt in Italien, dessen Frucht sein „Italienisches Wanderbuch“ war, ließ er sich dauernd in Heidelberg nieder. Hier schrieb er sein bedeutendstes Werk: die (1853 und 1869 in 2. Auflage anonym erschienenen) „Grundsätze der Realpolitik“ und seine durch persönliche Kenntniß der Menschen und Dinge besonders werthvolle „Geschichte Frankreichs seit der Restauration“ (ein Bestandtheil der „Staatengeschichte der neuesten Zeit“, welche S. Hirzel verlegte). Als 1859 die nationale Bewegung neue Anregung empfing, stellte er alsbald seine Kraft zur Verfügung und redigirte mit großem Eifer die „Wochenschrift des Nationalvereins“. Wenn er sich auch von seiner Abneigung gegen die Conservativen zu sehr beherrschen ließ und den eigentlich treibenden Gewalten jener Tage doch wohl zu ferne stand, um schon frühzeitig die wahren Ziele der Bismarck’schen Politik erkennen zu können, so folgten doch, als der politische Conflict sich so gestaltete, daß nur die Waffen ihn entscheiden konnten, alle seine Wünsche den Fahnen Preußens. Eine von heißer Vaterlandsliebe durchwehte „Deutsche Geschichte“ ließ er bald nach der Neugestaltung Deutschlands durch die Ereignisse von 1870 erscheinen. Er [726] erlebte noch die Genugthuung, von einem braunschweigischen Wahlkreise in den deutschen Reichstag entsendet zu werden, wo er zwar nicht in den Verhandlungen hervortrat, aber in der nationalliberalen Fraction sich eines Einflusses erfreute, den er insbesondere kräftig geltend machte, als an dem Widerspruch der grundsätzlichen Gegner der Todesstrafe das Zustandekommen des Strafgesetzbuches zu scheitern drohte. Mit einer größeren Arbeit über Cavour war R. beschäftigt, als ihn unerwartet infolge eines Schlaganfalles der Tod ereilte. R. war ein Mann von gründlichen Kenntnissen, unerschütterlicher Ueberzeugung, welcher er kräftigen, ja oft sehr schroffen Ausdruck zu geben liebte, und glühender Vaterlandsliebe. Nur seine näheren Freunde verstanden auch die gemüthlichen Eigenschaften des Mannes zu schätzen, der Fernerstehenden mehr nur die hochachtbare als die liebenswerthe Seite seiner Eigenart zeigte.

Schriften: „Italienisches Wanderbuch“ 2 Bde., Leipzig 1852; „Grundsätze der Realpolitik“, Stuttgart 1853, 2. Aufl. 1869; „Geschichte Frankreichs vom Sturz Napoleons bis zur Wiederherstellung des Kaiserthums 1814–1852“, Leipzig 1858–1859, 2 Bde.; „Geschichte des deutschen Landes und Volkes“, 2 Bde., Berlin 1870–1872.