ADB:Reichenbach, Johann David von

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Reichenbach, Johann David von“ von Theodor Pyl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 668–669, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Reichenbach,_Johann_David_von&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 06:00 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Reichenbach, Ludwig
Band 27 (1888), S. 668–669 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann David von Reichenbach in der Wikipedia
Johann David von Reichenbach in Wikidata
GND-Nummer 100619495
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|27|668|669|Reichenbach, Johann David von|Theodor Pyl|ADB:Reichenbach, Johann David von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=100619495}}    

Reichenbach: Johann David v. R., geb. 1732, aus einer (1717–19) in die schwedische Ritterschaft aufgenommenen Familie, studirte (1749) in Greifswald, und erwarb sich in der Folge auf anderen Hochschulen, sowie durch Reisen und sorgfältige Beobachtungen fremder Institute und Anordnungen eine vielseitige cameralistische und allgemeine Bildung, durch welche er sich vor der Mehrzahl seiner pommerschen Zeitgenossen auszeichnete. Durch seine ungewöhnliche Begabung und seinen thatkräftigen Eifer gelangte er bald zu so hohem Ansehen, daß man ihm schon im J. 1759 das Amt eines königl. Oberlicentinspectors und Oberkämmerers, sowie (1772) die Würde eines königl. Kammerraths und (1792) eines königl. Schloßhauptmanns und zugleich den Nordsternorden verlieh. In diesen Aemtern hatte er Gelegenheit, manche Mängel in der Justiz und Verwaltung, sowie im Schulwesen und an der Pflege der Wissenschaften auf der Greifswalder Universität zu entdecken, und gab, um zu deren Beseitigung hülfreich zu sein, eine Zeitschrift heraus, welche unter dem Namen „Patriotische Beiträge“ in 8 Heften, von 1784–87, Strals. u. Greifsw. bei Chr. L. Struck und A. F. Röse erschien. Von diesen betreffen Heft 1–4 und Heft 6–8 Landwirthschaft, Industrie, Handel und Schiffahrt, Polizei, Steuer- und Münzwesen, die Staats- und Cameralwissenschaften, sowie die von Karl XI. angeordnete Einziehung der verpfändeten Domänen u. A., Heft 5 dagegen die pommerschen Schulen, die Greifswalder Universität und die Künste. Bei der Aufzählung der Mängel und bei den Vorschlägen zu ihrer Verbesserung erkennt man leicht, wie R. unter dem Einfluß der Aufklärung und des von dieser gepflegten Nützlichkeitsprincipes steht, und wie er es für geboten erachtet, nach dem Vorbilde Friedrich’s d. Gr. und Joseph’s II. durch Cabinetsbefehle, sowie durch Prämien und andere künstliche Mittel die Cultur der Länder zu heben. Von besonderer Bedeutung erscheint der Umstand, daß eine Reihe von Fragen, welche in der Gegenwart die Gemüther bewegen, wie die Aufhebung der Zünfte, die gleiche Einrichtung der Justiz und Verwaltung in den deutschen Staaten u. A. im liberalen Sinne empfohlen werden. Auch hinsichtlich der Schulen und der Universität wird nicht eine objective Pflege der Wissenschaften, sondern lediglich der praktische Erfolg als deren Zweck aufgestellt, und zugleich eine Umgestaltung geplant, welche den heutigen Realschulen und polytechnischen Instituten entspricht. [669] Betrachtet man die gerügten Mängel und die Verbesserungsvorschläge unbefangen, so ist die patriotische Gesinnung, deren Begeisterung der Titel der Reichenbach’schen Zeitschrift verkündet, unverkennbar, auch erhellt aus denselben, daß der Verfasser auf dem cameralistischen Felde eine große Belesenheit und Erfahrung besaß, und mit seinen Gedanken und Plänen, ähnlich wie Friedrich und Joseph, seiner Zeit vorangeschritten war: zugleich aber läßt sich nicht leugnen, daß die Mehrzahl der Rügen und Pläne nicht nur an Einseitigkeit leidet, sondern auch, wenn wir die Erfolge derselben in der Gegenwart beobachten, als zweifelhaft erscheint. Kommt nun noch hinzu, daß R. sich im Gefühl der patriotischen Ueberzeugung und der Hoffnung, sein ideales Ziel zu erreichen, einer sehr lebhaften Sprache, eines scharfen Tadels, wie eines begeisterten Lobes bedient, so erklärt sich leicht, daß er bei den Angegriffenen Unwillen und entsprechende Entgegnungen hervorrief, theils von ländlichen Gutsbesitzern und städtischen Kaufleuten, welche ihre Privilegien vertheidigten, theils von der Universität, welche von ihm in schonungsloser Weise behandelt war. Im Gefühl, daß die über ihre Leistungen gefällten Urtheile theils übertrieben, theils unrichtig und ungerecht seien, übergab sie dem Kanzler Fürsten v. Hessenstein eine Beschwerde, und bat um eine genaue Untersuchung; zugleich veröffentlichte der Archiater C. E. v. Weigel eine Schrift „Ueber die Akademie zu Greifswald gegen Hrn. C. R. v. Reichenbach“, Stralsund 1787, in welcher er in ernster, aber gemäßigter Weise nicht nur Reichenbach’s Beschuldigungen widerlegte, sondern manche Behauptungen als oberflächlich und ungründlich nachwies, namentlich aber aus den Acten den Beweis führte, daß R. nicht unparteiisch verfahren sei, vielmehr einen Act der Rache gegen die Universität ausgeübt habe, weil er, wegen eigenmächtiger und ungehöriger Handlungen bei der früher von ihm versuchten Promotion, zurückgewiesen war. Die von der Universität gewünschte Rechtfertigung ward ihr einerseits durch den Receß von 1795 zu Theil, insofern derselbe die Bestrebungen der Professoren mit Anerkennung beurtheilte und durch zweckmäßige Institute unterstützte, andererseits gab ihr R. selbst dadurch eine Genugthuung, daß er dem 8. Hefte der Patriotischen Beiträge einen Anhang „Gedanken über die Greifswalder Academie, von einem Unbekannten, mit Noten eines Unpartheyischen“ hinzufügte, in welchem die Behauptungen von Heft 5 zu Gunsten der Universität modificirt sind. Im J. 1795 von den Pflichten seines Amtes entbunden, erfreute er sich in seinen letzten Lebensjahren an seiner umfangreichen Gemäldesammlung, welche er in Gemeinschaft mit seiner Gattin, Eva Mertens, aus dem Nachlaß des Feldmarschalls v. Keith und zur Zeit der französischen Revolution in Hamburg erworben hatte, auch stiftete er, in Uebereinstimmung mit der in den Patriotischen Beiträgen vorgeschlagenen Ermunterung durch Prämien, beim Stralsunder Gymnasium die Vertheilung von Medaillen für strebsame Schüler. Seine Gemälde wurden, nach seinem (1807) im 75. Jahre erfolgten Tode, im J. 1812, nachdem auch seine Gattin (1811) verstorben war, zerstreut, und gelangten in mehrere Sammlungen in Stralsund und Greifswald.

Pom. Prov. Kalender. – Lappe, Pommerbuch, S. 138. – Kosegarten, Gesch. der Univ. I, 303, 304; II, Nr. 242. – Dähnert, L. U. Suppl. III, 598 ff. – Zober, Gesch. des Strals. Gymn. VI, 27, 61. – Schildener, Akad. Zeitschr. II, 2, S. 8. – Verzeichn. der Gemälde Samml. 1812. – Schwed. Wappenbuch, Nr. 1519. Vielleicht ist der dort, S. 20, erwähnte (1717–19) introducirte Nikolaus Rudolf v. R. der Vater des Kammerraths. S. auch Bagmihl, P. W.–B. II, 174, LXIV.