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Artikel „Reiß, Michel“ von Moritz Cantor in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 143–144, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rei%C3%9F,_Michel&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 05:18 Uhr UTC)
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Reiß: Michel R., Mathematiker, geboren am 23. Juli 1805 in Frankfurt a./M., † ebendaselbst am 27. Januar 1869. Den ersten Unterricht erhielt R. in der „Philanthropin“ genannten israelitischen Realschule seiner Vaterstadt. Später besuchte er das dortige Gymnasium, an welchem insbesondere der Mathematiker Professor Thilo sich für den ausgezeichneten Schüler interessirte. Der Mathematik widmete sich dieser denn auch, als er die Universität bezog und namentlich in Göttingen, wo er von Ostern 1823 ab zwei Jahre verweilte. Thibaut’s Vorlesungen fanden für R. in einem bei Gauß gehörten Privatissimum eine ebenso seltene, als den Hörer selbst auszeichnende Ergänzung. An der Thatsache selbst ist nicht zu zweifeln, da der mit der Ordnung des Reiß’schen Nachlasses betraute genaue Freund des Verstorbenen, Prof. M. A. Stern, unter den Papieren ein ganz von der Hand von Gauß geschriebenes Heft vorfand, welches jedenfalls in jenen Unterrichtsstunden entstanden ist, und welches durch eine Ausarbeitung von R., in der Aufschrift als solche bezeichnet, sich controliren ließ. Ostern 1825 doctorirte R. in Göttingen auf Grund einer Dissertation über parallele Curven und Oberflächen. Die Arbeiten von Kästner und von Crelle über den gleichen Gegenstand waren dem jungen Schriftsteller zu spät bekannt geworden, um von ihm benutzt werden zu können. Seine Beweisführungen sind auch durchweg originell, zum Theil auf kinematischen Folgerungen fußend, und es ist sehr zu bedauern, daß R. das in dieser Dissertation gegebene Versprechen nicht löste, die kinematische Geometrie selbst zum Gegenstand einer späteren Abhandlung machen zu wollen. R. schrieb die Dissertation in Berlin fertig, hielt sich dann nach dem inzwischen erfolgten Tode des Vaters, eines angesehenen Kaufmannes, bei der Mutter auf und ging im Herbst 1827 nach Paris, Träger des in der Geschichte der elliptischen Functionen so wichtigen ersten Briefes von Jacobi an Legendre. Später war R. in Brüssel, wo er mit der Tochter einer gleichnamigen nahverwandten Familie sich verheirathete. Aus der Brüsseler Zeit stammen sehr interessante Untersuchungen über Determinanten, die in Quételet’s Correspondance mathématique et physique veröffentlicht wurden und dem Datum nach (1829) zwischen Cauchy (1815) und Jacobi (1841) [144] fallen. Ob R. beabsichtigte, sich an der Brüsseler Universität um eine Lehrstelle zu bewerben, und woran dieses Vorhaben etwa scheiterte, ist nicht mehr festzustellen. Jedenfalls lebte R. seit Anfang der 30er Jahre wieder in Frankfurt als reicher Privatgelehrter. Geistreiche, wenn auch etwas der Durchsichtigkeit ermangelnde Beiträge zur Theorie der Determinanten erschienen von ihm 1867 im Druck. Eine zahlentheoretisch-combinatorische auf das Dominospiel bezügliche Aufgabe löst eine nachgelassene Abhandlung, welche in den Annali di Matematica Ser. II, T. 5 Veröffentlichung fand. Es ist sehr zu bedauern, daß R. so wenig schrieb; die Hauptschuld dürfte seiner schwächlichen Gesundheit beizumessen sein.

Originalmittheilungen von Prof. M. A. Stern.