ADB:Rathkeal, Peter Philipp Herbert Freiherr von
Rathkeal: Peter Philipp Herbert, Freiherr von R. (Familienname: Herbert), Diplomat, geboren zu Constantinopel 1735, † ebenda am 23. Februar 1802.
H. stammt in directer Linie von dem seit mehreren Jahrhunderten in Großbritannien blühenden, altadeligen Geschlechte der Herbert Grafen von Pembroke ab. Edmond Herbert von Cahirmochill, ein jüngerer Bruder des im J. 1552 zum Grafen von Pembroke erhobenen Sir William Herbert, siedelte sich in Irland an und fügte von dem Besitze der in der Grafschaft Limmerick gelegenen Stadt Rathkeal seinem Namen dieses Prädikat hinzu. Der Enkel Edmond’s, Johann v. Herbert-Rathkeal, begleitete aus treuer Anhänglichkeit für seinen rechtmäßigen Monarchen im J. 1688 den vertriebenen König Jacob II. nach St. Germain en Laye, theilte des Königs Verbannung und reiste nach dessen Tode nach Constantinopel, woselbst er sich mit Franziska geb. v. Scanderbeg vermählte. Als er starb, hinterließ er 5 Kinder, und zwar 3 Söhne und 2 Töchter. Für die nun mittellosen Waisen verwendeten sich mehrere Mitglieder des diplomatischen Corps in Pera und empfahlen die zwei ältesten Söhne Thomas und Peter der Kaiserin Maria Theresia, welche ihnen auch eine Pension auswarf und sie dem P. Franz aus der Gesellschaft Jesu, dem ersten Director der orientalischen Akademie in Wien (jetzt k. und k. Consular-Akademie) zur Erziehung übergab. Unter der Leitung dieses verdienstvollen Mannes vollendete Peter seine Studien und trat auf das Zureden seiner Lehrer zu Ende des Jahres 1750 in den Jesuitenorden. Nach Ablauf eines zweijährigen Noviziates kam er nach Leoben und später, behufs Studiums der Philosophie, nach Wien. Hierauf ward er 1753 als Professor nach Triest und im folgenden Jahre nach Wien als Präfect und Correpetitor in der orientalischen Akademie berufen. Die theologischen Studien betrieb er 1754–59 in Graz. Da er aber wenig Beruf zur Theologie in sich fühlte, vertraute er sich dem P. Meak, einem geistvollen Priester seines Ordens, an, der ihm auch in seinem Vorhaben, den Jesuitenorden zu verlassen, behülflich war. Er trat also im Juli 1760 aus demselben und wurde auf Empfehlung der Gräfin Stürgl geb. v. Cobenzl Bibliothekar ihres Bruders, des Grafen Joh. Karl Cobenzl, bevollmächtigten Ministers in den Niederlanden, um sich die zu einer Anstellung nöthigen Geschäftskenntnisse zu erwerben. Als im J. 1763 Fürst Kaunitz vom General-Gouverneur in Brüssel für eine in der niederländischen Kanzlei zu Wien leergewordene Stelle einen geeigneten, in Rechnungs- und Finanzgegenständen wohl unterrichteten Beamten verlangte, wurde H. dazu erwählt und mit dem Titel eines Official-Calculateurs in der niederländischen Rechnungskammer angestellt. Dort gewann er bald das besondere Vertrauen des Hofrathes Freiherrn v. Lederer und des Staatsreferendars Friedrich Freiherrn Binder v. Krieglstein, der ihn für die französische Correspondenz in auswärtigen Geschäften verwendete. Im J. 1767 war er zum Auditeur, 1775 zum conseiller à la chambre des Comptes ernannt, und schon zwei Jahre hernach (1777), das ist im vierzehnten Dienstjahre, zum wirklichen Hofrath bei der geheimen Hof- und Staatskanzlei, ohne daß seine älteren Collegen hierüber die geringste Spur von Mißvergnügen geäußert hätten. Als im J. 1779 Ludwig Graf Cobenzl [211] wegen Erkrankung verhindert war, zu den Verhandlungen des Teschener Congresses als bevollmächtigter Minister abzugehen, schickte die Kaiserin Maria Theresia an dessen Stelle seinen Vetter, den Grafen Philipp, Vicepräsidenten des Banco, dahin; da er aber in den politischen Geschäften noch wenig erfahren war, so erbat er sich von dem Fürsten Kaunitz den Hofrath H. als Rathgeber, mit dem ihn eine innige Freundschaft verband und in dessen Kenntnisse er großes Vertrauen setzte.
Nach dem Teschener Frieden trat H. aus dem Departement der inneren Angelegenheiten in jenes der äußeren über, und als ihm die Kaiserin die Wahl ließ, entweder als Kammerpräsident nach Brüssel oder als Internuntius nach Constantinopel zu gehen, entschied er sich für das Letztere und ging 1780 an seinen neuen Posten ab. Seine erfolgreiche Thätigkeit in dieser wichtigen und schwierigen Stellung, welche er bis zu seinem Tode, also über 20 Jahre, bekleidete, kann man in zwei Hälften scheiden, in die eine von seiner Ernennung 1780 bis zum Ausbruche des türkischen Krieges (1788), in die andere von seiner Ernennung zum Bevollmächtigten nach Sistow 1791 bis zu seinem Tode 1802. In die erste Hälfte fallen neben anderen Vorgängen seiner ministeriellen Thätigkeit folgende wichtige Begebenheiten: Die Verhandlungen der wider die Barbaresken zu leistenden Garantie der k. k. Schifffahrt, die zwar schon nach dem Passarowitzer Frieden durch besondere Tractate mit den Raubstaaten Algier, Tunis und Tripolis festgesetzt wurde, aber keineswegs den gewünschten Erfolg hatte; es gelang H., durchzusetzen, daß die Pforte, deren Oberherrschaft über die genannten Staaten von diesen anerkannt wurde, die verlangte Sicherheit garantiren sollte. Für den Fall aber, daß die von der Pforte zu fordernde Vergütung des durch Barbareskenschiffe den Kaiserlichen zugefügten Schadens nicht geleistet werden sollte, wird dem kaiserlichen Hofe das Recht eingeräumt, durch Repressalien sich selbst die schuldige Genugthuung und Entschädigung zu verschaffen. Ebenso günstig sind die Bedingungen des im J. 1784 abgeschlossenen Handels-Seneds *) für die Schifffahrt und den Handel Oesterreichs, dem der Passarowitzer Friede zu Grunde liegt und dessen Gültigkeit auch im Sistower Frieden vollständig anerkannt wurde.
Weiter erhielt Herbert im Jahre 1786 einen sehr ausführlichen Ferman inbetreff der österreichischen Schafhirten in der Moldau, worin die Freiheiten, Begünstigungen und Abgaben derselben genau festgestellt wurden und dessen Inhalt später dem Sistower Frieden (im Art. 4) einverleibt wurde. Weniger glücklich war H. in den Verhandlungen betreffend die Abtretung eines Distriktets an der Unna (Fluß in Bosnien). Kaiser Josef verlangte nämlich im J. 1783 daß der District von Seite der Banal- und Karlstädterlinie längs der Unna und Unnatz (ebenfalls in Bosnien) bis an das Gebirge, wo die letztere entspringt, und so weiter an den Gebirgsrücken bis an die dreifache Grenze, durch gütliche Unterhandlungen erhalten werden sollte. Doch führten diese ungeachtet der thatkräftigen und energischen Unterstützung, welche das Begehren des kaiserlichen Internuntius von Seiten des russischen und französischen Gesandten in Constantinopel, v. Bulgakow und St. Priest, gefunden hatte, zu keinem endgültigen Resultate, obwohl die hohe Pforte bei dem ganzen Hergang die Ansprüche des kaiserlichen Hofes nie als ungültig, sondern nur als schwer zu beweisen erklärte. Wie gut H. die türkischen Verhältnisse kannte, beweist, daß er gleich anfangs in dem von ihm in dieser Angelegenheit verlangten Gutachten gerathen hatte, sich zuerst in den Besitz des angesprochenen Districtes zu setzen und dann erst darüber zu verhandeln, da er wohl wußte, daß den [212] Türken durch das Gesetz nicht erlaubt ist, selbst den geringsten Strich Landes, der nicht mit Gewalt weggenommen oder besetzt worden ist, abzutreten. Und thatsächlich antwortete Hamid Pascha, der damalige Großvezier, dem französischen Dolmetsch, der ihm sagte, die Deutschen würden den Unnadistrict mit Gewalt wegnehmen: „Sie sollen denselben nur nehmen, ich verlange nichts anderes“. Die endgültige, für Oesterreich vortheilhafte Lösung dieser Frage erfolgte aber erst im Frieden von Sistow.
Im J. 1787 unternahm H. die Reise nach Cherson, um der berühmten Zusammenkunft Josef’s II. mit Katharina II. von Rußland beizuwohnen. Bei dieser Gelegenheit stellte ihn Graf Ludwig v. Cobenzl der Kaiserin vor, die von seinen Talenten und Verdiensten die beste Meinung hatte. Schon damals prophezeite H. den von Rußland noch lange nachher bezweifelten Ausbruch eines nahen Krieges mit der Pforte. Er wiederholte diese Vorhersagung noch bestimmter bei seiner Rückkehr nach Constantinopel. Als der russische Gesandte am 23. August 1787 mit einem Briefe zu H. kam, worin der Pforten-Dolmetsch ihn für den nächsten Tag zu einer Conferenz mit dem Großvezier einlud, trug sich H. an, ihn zu begleiten und als k. k. Minister aufzutreten. Bulgakow schlug aber den Antrag mit dem Bedeuten aus, daß die Türken es nie auf das Aeußerste kommen lassen würden. Aber schon am 24. August Mittags war der russische Gesandte im Gefängniß von Jedi-Kule (sieben Thürme) und nur Herbert’s Dazwischenkunft rettete das Gesandtschafts-Archiv und viele russische Kaufleute nebst ihrem Eigenthume. Dasselbe Schicksal der Gefangennahme drohte H., als im Februar 1788 auch Oesterreich der Pforte den Krieg erklärte. Doch das muthige Eingreifen seines Freundes, des Kapudan Hassan Pascha, der beim Sultan in hohem Ansehen stand, in einer Conferenz, wo eine große Mehrheit bereits für die Gefangennahme des Internuntius stimmte, bewirkte, daß der k. k. Gesandtschaft die Rückkehr nach Deutschland bewilligt wurde. Auch berief sich H., dem die genaue Kenntniß der Geschichte des osmanischen Reiches und der türkischen Gesandtschaften sehr zu statten kam, darauf, daß noch nie ein kaiserlicher Minister in das Gefängniß der 7 Thürme geworfen worden war und daß selbst der kaiserliche Resident Simon Reniger im J. 1663 nach dem wirklichen Ausbruch des Krieges dennoch frei und unverletzt nach Wien zurückgekehrt sei. So rettete sich H. also durch Ansehen und Geschicklichkeit von dem Gefängnisse der 7 Thürme, aus dem der russische Minister erst nach zwei Jahren befreit wurde.
Nach diesen Begebenheiten blieb H. bis zur Vollendung der Reisezubereitungen noch einige Wochen ruhig in Constantinopel und fertigte in der Zwischenzeit sogar seine gewöhnliche Postexpedition ab. H. verließ also unangefochten Constantinopel und segelte unter französischer Flagge mit seiner Familie zunächst nach Livorno. Er brachte einige Monate in Toscana zu, wo er an dem Hofe des Großherzogs Leopold auf das Beste aufgenommen wurde. H. war in Constantinopel nicht nur k. k., sondern auch toscanischer Minister gewesen und hatte als solcher den Handel und die Schifffahrt dieses kleinen, unter Leopold’s weiser Regierung hoch und schnell emporblühenden Staates nach Kräften begünstigt. Im J. 1789 begab sich H. nach Wien, wo er mit dem Grafen Philipp v. Cobenzl den Prüfungen an der orientalischen Akademie beiwohnte, und begleitete im Winter desselben Jahres den genannten Grafen, der nach den Niederlanden gesandt wurde, das Feuer des Aufruhrs zu löschen, bis Trier. Nach seiner Rückkehr wurde er mit dem Grafen Thugut als bevollmächtigter Minister zu den Friedensunterhandlungen mit der Türkei ernannt. Diese Unterhandlungen, welche zu Sistow geführt wurden, verdienen [213] als die Hauptepoche seiner politischen und diplomatischen Thätigkeit näher erörtert zu werden. Die Conferenzen wurden am 30. December 1790 eröffnet und erst am 4. August 1791 fand unter dem Donner der Kanonen die öffentliche Unterzeichnung des Friedens statt. Außer drei osmanischen Ministern Said Abdullah, Birri Re’is Efendi, Ibrahim Ismek Bey, denen der 1807 in Paris als Botschafter thätige Muhibb Efendi als erster Secretär beigegeben war, und Sejjid Muhammed Dürri Efendi, unterhandelten als Vertreter der vermittelnden Mächte Lucchesini als preußischer, Robert Keith als englischer und Freiherr v. Haeften als holländischer Bevollmächtigter. Preußen hatte der Pforte in der kurz zuvor mit ihr abgeschlossenen Allianz mehrere Vortheile zugesichert, welche das Vertrauen der türkischen Minister zu Lucchesini hinlenkten, dem auch Keith und Haeften die Hände boten. H. hatte also nicht nur die Minister der kriegführenden Mächte, sondern eigentlich auch die der vermittelnden zu wirklichen Gegnern. Keinen Schritt wich H. von den ursprünglichen Bedingungen, in deren Begründung ihn seine umfassenden Kenntnisse der früheren Tractate wesentlich unterstützten.
Die Vortheile, welche H. im Sistower Frieden dem kaiserlichen Hofe erwirkt hatte, sind: 1. Die Einverleibung aller den Handel mit Oesterreich bebetreffenden Acten in den Tractat, wodurch für die Zukunft jede Verletzung der Handelsfreiheiten als Verletzung des Friedens erschien; 2. die Auslieferung der Gefangenen ohne Lösegeld; dieses beispiellose Zugeständniß, welches weder der Karlowitzer, noch der Passarowitzer Friede enthalten, bot bei seiner Ausführung nicht geringe Schwierigkeiten; 3. die Anerkennung der türkischen Unterthanen, die sich in die kaiserlichen Staaten geflüchtet hatten, als kaiserliche; 4. die Anwendung des Handelsseneds auf alle türkischen Provinzen ohne Ausnahme; 5. der Schutz der katholischen Religion ohne Unterschied der Nationen; 6. die Zurückstellung von Alt-Orsova; 7. die Abtretung des Districtes an der Unna. Diese Vortheile sind groß, wenn man bedenkt, daß der Status quo schon in der Convention zu Reichenbach als Grundlage des türkischen Friedens festgesetzt worden war und daß die so vortheilhaft erhaltene Anwendung desselben nur der diplomatischen Geschicklichkeit und dem unermüdbaren Patriotismus Herbert’s zu danken war.
Seine diplomatische Stellung benutzte H. vor allem noch dazu, seine Untergebenen für den Gesandtschaftsdienst im Orient, insbesondere sie zu geschickten und verwendbaren Dolmetschen auszubilden. In der zu diesem Zwecke von der Kaiserin Maria Theresia gegründeten orientalischen Akademie wurde mit dem Sprachunterricht begonnen, der dann erst in Constantinopel beendet werden sollte. Man gab nämlich die zum Dolmetschdienst ausgewählten Zöglinge zu Armeniern in die Kost, entfernte sie auf diese Weise von dem Geräusche der fränkischen Gesandtschaften, untersagte ihnen jede andere Tracht als die orientalische und förderte durch Einsamkeit und unmittelbare Berührung mit den Orientalen ihre praktischen Kenntnisse im Verkehr mit denselben. H. ließ sich auch die Besetzung der levantinischen Consulate sehr angelegen sein, bestätigte nach dem Sistower Frieden die alten und ernannte neue; seit Herbert’s Zeit besorgten kaiserliche Consuln die Geschäfte des österreichischen Handels und der Schifffahrt in Syrien und Aegypten. Auch war H. der letzte Minister, der den Ta’jîn, d. i. die Taggelder, erhielt, welche die Pforte sonst außerordentlichen Gesandten verabreichen ließ.
War die erste Hälfte der diplomatischen Thätigkeit Herbert’s in Constantinopel verhältnißmäßig ruhig vorübergegangen, um so bewegter war die zweite, nämlich von dem Sistower Frieden bis zu seinem Tode. Denn die drei Jahre nach diesem Frieden noch nicht zu Stande gekommene Grenzberichtigung [214] an der Unna, der Ausbruch der französischen Revolution, die letzte Theilung Polens, der in den Niederlanden, in Deutschland und Italien auflodernde Krieg, lauter Ereignisse, die auch auf die Türkei nicht ohne politischen Einfluß bleiben konnten, gaben hinlänglichen Stoff zur rastlosesten Thätigkeit. Seine Bemühungen wurden aber auch mit Erfolg gekrönt. Er war die Seele der Minister der coallirten Mächte in Constantinopel, und der wichtigste Gegner der französischen Partei, die unter Deseorches und Mouradgea d’Ohson sich in fruchtlosen Bemühungen, die Türkei in den Krieg zu verwickeln, erschöpfte. Lange war es ihm sogar gelungen, den Grafen v. Choiseul in der ersten Epoche der Revolution als Minister der französischen Prinzen, und hernach dessen Secretär, Chalgrain, als Geschäftsträger derselben von der Pforte anerkennen zu machen. Eine der schwierigsten und verdrießlichsten Unterhandlungen der letzten Lebensjahre Herbert’s war die Entschädigung wegen der Barbaresken und die Anwendung des Handels- und Barbaresken-Seneds auf die durch den Friedensschluß von Campo Formio neu erworbenen venetianischen Staaten. Drei Jahre dauerten die Verhandlungen, weil die Pforte ihre Verbindlichkeit auch auf die nach dem Sistower Tractat erworbenen Provinzen auszudehnen sich hartnäckig weigerte. Aber endlich gelang es H. für den bisher zugefügten Schaden ein Pauschquantum als Vergütung und noch mehr, für die Zukunfts die Sicherheit aller kaiserlichen Schiffe ohne Ausnahme von der Pforte gewährleistet zu erhalten. Dies war das letzte namhafte Ereigniß der unermüdlichen Thätigkeit Herbert’s. Als Belohnung dafür wurde er durch die Bemühungen seines Freundes, des Vice-Hof- und Staatskanzlers Grafen Cobenzl taxfrei zum wirklichen geheimen Rathe ernannt. Doch überlebte H. nicht lange diese ehrenvolle Anerkennung seiner Verdienste. Im J. 1802, am 23. Februar, im Alter von 68 Jahren entriß ihn der Tod seinem Vaterlande, dem er als einer der geistvollsten Staatsmänner mit seltenem Erfolge in schwerer und bedrängnißreicher Zeit gedient hatte.
Früher schon, im J. 1779, war R. zugleich mit seinem dritten Bruder Johann, der als Major in der kaiserlichen Armee diente, in den Freiherrnstand erhoben worden. Im genannten Jahre vermählte er sich auch mit Fräulein v. Collenbach, ehemaliger Obersthofmeisterin der Prinzessinnentöchter des Großherzogs von Würzburg, aus welcher Ehe ihm eine Tochter Constanze geboren wurde. Diese vermählte sich 1798 mit Sir Spencer Smith, bevollmächtigtem Minister Englands bei der Pforte und Bruder des berühmten Sir Sidney Smith, der die französische Flotte zu Toulon in Brand gesteckt hatte (18. Decbr. 1793). H. war klein von Statur, von feinen und angenehmen Gesichtszügen und in einer Weise Herr derselben, daß er selbst in der peinlichsten Verlegenheit nichts davon merken ließ. Gründlich wissenschaftlich, besonders auch sprachlich gebildet, besaß er eine außerordentliche classische Belesenheit, in Wort und Schrift, bei mündlichen Verhandlungen wie in Depeschen, bei der Unterhaltung wie im Geschäfte wendete er die Kernsprüche der Alten stets treffend an. Nichts war halb bei ihm; was er unternahm, mußte zu Ende geführt werden. Mit glühendem Hasse gegen den vandalischen Zerstörungsgeist, dieses erstgeborene Kind der französischen Revolution, erfüllt, drückte er allen seinen Anschauungen dieses Siegel seiner politischen Ansicht auf. Wohl fühlend, wie leicht es sei, sich vom Strudel revolutionärer Meinungen hinreißen zu lassen, galt ihm die Nichttheilnahme an den verführerischen Bewegungen jener Tage als beste Empfehlung kalt besonnener Urtheilskraft und prädominirenden Verstandes. Strenge in der Etikette, war er in diesem Punkte der treue Schüler des Fürsten Kaunitz, den er namentlich im Anfange [215] seiner ersten Sendung nach Cönstantinopel bis auf Kleinigkeiten nachahmte. H. arbeitete von 10 Uhr Vormittags bis 4 Uhr Nachmittags, die übrige Zeit widmete er seiner Erholung, zu welcher classische Lectüre und das Spiel gehörte, welch letzteres ihm so unentbehrlich geworden war, daß es selbst an den dringendsten Geschäftstagen nicht unterblieb. Er schrieb nur in französischer Sprache, im Deutschen hat er es nie auch nur zur erträglichen Verständlichkeit gebracht. Was er aber schrieb, war musterhaft, ganz seinem Grundsatze gemäß: Geschäftsaufsätze sollen in der Regel so sprachrichtig und klar sein, daß sie jeden Augenblick ohne Besorgniß gerechten Tadels dem Drucke übergeben werden können. H. hinterließ zahlreiche Memoiren, Berichte, Noten und Staatsschriften, darunter wahre Muster zu ernsten Studien in einem der wichtigsten Zweige des Staatsdienstes. Zu seinen Schülern zählen Wallenburg, Klezl, Fleischhackel, Brünebarbe, Ottenfels etc., verdienstvolle diplomatische Beamte im Orient, und vor allem J. v. Hammer-Purgstall, der als Orientalist zu großer Berühmtheit gelangte. Das Grab Herbert’s befindet sich in Pera in der Kirche des hl. Franziskus, wo sein Grabstein folgende, von seinem Lieblinge, dem Hofsecretär J. v. Brenner verfaßte Inschrift trägt:
P. M.
Petri. Phil. L. B. Ab. Herbert. Ratkeal. M. S. Rom. Caes. Aug. A. Consiliis. Intimis. Ac. Lustr. Fere. V. Ad. Port. Ottomann. Internuntius. Olim. In. Congressu. Pacis. Teschini. Operam. Suam. Egregie. Adhibuit. Postea. Ipse. Legatus. Sistovii. Bellum. Cum. Turcis. Haud. Secundo. Omine. Mire. Composuit. Fraenata. Pirat. Arrogant. Pont. Eux. Navibus. Austr. Aperuit. Mercaturam. Fovit. Promovit. Morum. Castigator. Aequus. Providus. Comis. Ingenio. Acumine. Candore. Animi. Religione. Doctrina. Amore. Patriae. Virtutibus. Eximius. Optimi. Patris. Famili. Exemplar. Inopinate. Eheu. LXVIII. Vitae. Anno. Hum. Generi. Ereptum. Lugent. Conj. Proles. Patria. Boni. Omnes. Aeternum. Ploraturi. Fuisse. Mortalem. Obiit. VIII. Kalend. Mart. A. A. Chr. Nat. MDCCCII.
- C. v. Wurzbach, Biograph. Lexikon des Kaiserth. Oesterreich, Bd. 8, S. 352–57. – (Hormayr’s) Archiv für Geographie, Historie etc., Jahrgang II 1811, Nr. 28, 29. – Samuel Baur, Allgem. histor.-biogr.-liter. Handwörterbuch aller merkwürdigen Personen, die im 1. Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts gestorben sind (Ulm 1816), Bd. I, S. 595. – Oesterr, National-Encyklopädie von Gräffer u. Czikann, Wien 1835, Bd. II, S. 557. – Gothaisches genealog. Taschenbuch der freiherrl. Häuser, Jahrg. 1853, S. 202. – Biographie universelle, Tome XX, p. 239. – Biographie nouvelle des contemporains, Tome IX, p. 145. – Ersch u. Gruber, Allg. Encyklopädie, II. Sektion, 6. Theil, S. 132. – Dictionnaire biograph. et hist. des hommes marquans de la fin du 18ème siècle, Lond. 1800, Tome II, p. 190. – Ed. Vehse, Gesch. d. österr. Hofes, Thl. IX, S. 42.
[211] *) Sened ist arabisch, im türkischen Gebrauche = Urkunde, Dokument, Diplom, Vertrag.