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Artikel „Rappaport, Moritz“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 300–301, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rappaport,_Moritz&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 18:06 Uhr UTC)
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Rappaport: Moritz R., einer der hervorragendsten deutsch-polnischen Dichter, wurde am 9. Februar 1808 zu Lemberg als der einzige Sohn eines durch Geistesreichthum ausgezeichneten Israeliten geboren und von seinem Vater für den ärztlichen Beruf bestimmt. Nachdem er bis zum 14. Lebensjahre die Schulen seiner Vaterstadt besucht hatte, kam er auf das Gymnasium bei den Schotten in Wien und studirte dann seit 1829 an der Wiener Universität Medicin. Als er im J. 1833 zum Doctor promovirt, kehrte er in seine Geburtsstadt zurück und zählte daselbst bald zu den gesuchtesten Aerzten. Schon nach wenigen Jahren wurde er dort zum Primararzt und Director des israelitischen Spitals ernannt. Neben dieser praktischen Thätigkeit fand er doch noch Mußestunden zur Verfolgung schöngeistiger Interessen. Um das Hinsiechen des Deutschthums unter dem in Galizien vorherrschenden Polenthum aufzuhalten, das deutsche Element aus seiner Erschlaffung zu wecken und in einen Mittelpunkt zu vereinigen, und um deutsche Culturideen im slavischen Lande zu verbreiten, gründete er 1840 als Beiblatt zur officiellen „Lemberger Zeitung“ die „Leseblätter“, die er bis 1848 mit Freimuth und Aufopferung redigirte, bis ihn dann das feindselige Gebahren des Polenthums veranlaßte, die Redaction niederzulegen. Ein Theil von Rappaport’s kleineren, theils lyrischen, theils erzählenden Dichtungen ist in mehreren Jahrgängen der „Leseblätter“ – meist unter dem Pseudonym Max Reinau – abgedruckt, und eine Sammlung dieser schwung- und gemüthvollen Poesien leider nicht vorhanden. Parallel mit dieser journalistischen Thätigkeit ging die Veröffentlichung kleiner selbständiger Poesien meist religiös-nationaler Richtung. „Mose. Episches Gedicht“ (1842) enthält die wichtigsten Momente aus dem Leben des großen Gesetzgebers in chronologischer Anordnung und ist eine gleichmäßig von religiöser und poetischer Begeisterung getragene Dichtung. Später folgten „Hebräische Gesänge. Metrisch nachgebildet“ (1860), Dichtungen voll Schwung und orientalischer Färbung, deren Wirkung indeß an manchen Stellen durch mangelhafte Form wesentlich geschwächt wird, und das epische Gedicht „Bajazzo“ (1863). Das letztere ist eine „merkwürdige [301] und einigermaßen auch seltsame Erscheinung, indem es aus zwei Abtheilungen besteht, deren erste eigentlich als Anhang zur zweiten gedacht werden sollte. In dieser wird nämlich die Geschichte einer jüdischen Familie erzählt, die infolge der Verschiedenheit in den religiösen Ansichten der einzelnen Mitglieder untergeht, während in der ersten Abtheilung der Sohn des Familienhauptes als Bajazzo einer Seiltänzergruppe den Mittelpunkt bildet, insofern ihm die Betrachtungen über mannichfaltige Lebensverhältnisse zugeschrieben werden. Die einzelnen Abschnitte waren ursprünglich selbständige Gedichte, die mit einander in keinem Zusammenhang standen. Sie haben meist eine satyrische Tendenz und stellen die verschiedenen Erscheinungen im Gebiete des politischen, religiösen, bürgerlichen und litterarischen Lebens in ihrer Haltlosigkeit dar.“ Neben diesen größeren Dichtungen verfaßte R. eine Menge Gelegenheitsgedichte, wie er sich denn keine Gelegenheit entgehen ließ, Deutschlands geistige Größen und deren Bedeutung poetisch zu verherrlichen. Wir erwähnen nur: „Goethe. Seinen Manen geweiht“ (1852); „Prolog zur Feier des hundertjährigen Geburtstages Friedrich Schillers“ (1859); „Am Todestage Moses Mendelssohns“ (1860); „Festgedichte zur Lessingfeier“ (1860). Kurze Zeit, nachdem R. am 9. Februar 1878 zur Feier seines 70. Geburtstages von allen Gesellschaftskreisen begrüßt und ausgezeichnet worden war, fing der Horizont des bis dahin Glücklichen an, sich zu verdunkeln: seine Sehkraft wurde derart schwach, daß er seine ärztliche Praxis aufgeben mußte. Er begab sich nach Wien, wo ihm ein trefflicher Sohn, eine Tochter und begabte Enkel leben, um hier ärztliche Hülfe zu suchen. Sie fand sich leider nicht, er erblindete. Die feurige Natur, die dem Dichter eigen war, ertrug dieses traurige Geschick nur schwer, bis er nach fast zwei in Blindheit verlebten Jahren am 28. Mai 1880 plötzlich an einem Herzschlage starb. Die Poesie erwies sich ihm, wenn auch seltener, als Trösterin in seiner trostlosen Nacht. Seine letzten Gedichte „Vierzehn Sonette“, zum 70. Geburtstage seines Jugendfreundes L. A. Frankl (1880) sind tief empfundene, in schöne Form gegossene Lieder, die schönsten, die der immer noch jugendlich fühlende Greis niedergeschrieben hat.

Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 24. Bd. S. 365. – H. Kurz, Geschichte der deutschen National-Litteratur. 4. Bd. S. 398. – Die Dioskuren. Litterarisches Jahrbuch, 10. Jahrg. 1881, S. 423.