Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Rapp (Notar)
Band: 24 (1872), ab Seite: 365. (Quelle)
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Rappaport, Moriz (Poet, geb. zu Lemberg 9. Februar 1808). Besuchte die unteren Schulen und einige Classen des Gymnasiums in seiner Vaterstadt Lemberg, ging aber 1822 nach Wien, wo er das Gymnasium und die philosophischen Studien beendete und, dem Wunsche seines Vaters folgend, an der dortigen Hochschule das Studium der Medicin begann. Er erlangte daraus im Jahre 1833 die Doctorwürde und kehrte nun in seine Vaterstadt Lemberg zurück, wo er sich sofort der Praxis widmete und zur Stunde noch als gesuchter und allgemein geachteter praktischer Arzt lebt. Jedoch nicht die ärztliche Thätigkeit ist es, die ihm einen Platz in diesem Werke anweist. Neben seinem strengen Berufe verstand er es, noch Muße zu gewinnen für die beseligende Göttin des Lebens, die Poesie, der er bereits in seinen Jünglingsjahren huldigte. Bald nach der Rückkehr in seine Heimat Galizien, als er dort das in den vorwiegenden Elementen des Polenthums dahinsiechende Deutschthum gewahrte, beschloß er, durch Gründung eines deutschen Blattes das deutsche Element aus seiner Erschlaffung zu wecken und die zerfahrenen Elemente in einen Mittelpunct zu vereinigen. Das frühere deutsche Unterhaltungsblatt „Miszellen“ hatte zu erscheinen aufgehört, so gründete er nun als Beilage der amtlichen „Lemberger Zeitung“ das belletristische Beiblatt „Die Leseblätter“, welche sich bald aus ihrem unscheinbaren Octavformate zu dem stattlicheren Quart entwickelten und mit jedem Jahre einen größeren Leserkreis aufzuweisen hatten. R. widmete alle Muße seines Berufes der Redaction dieses Blattes, in welchem zahlreiche, für die Geschichte, Ethno- und Geographie, Statistik und Landeskunde brauchbare Artikel niedergelegt sind. Die schöngeistige Richtung des Blattes ist durch zahlreiche, darin abgedruckte Arbeiten R.’s vertreten. Als nach der Bewegung des Jahres 1848 das Polenthum in einer dem Deutschthume feindlichen Weise sich geberdete, legte R. die Redaction nieder und widmete sich nun ausschließlich theils seiner sich immer mehr ausdehnenden ärztlichen Praxis, theils dem öffentlichen Dienste in der Gemeinde, in welcher er als Mitglied des Stadtrathes stets im Geiste der Freiheit wirkte. Auch als Leiter des Lemberger Spitals erwarb er sich vielfache Verdienste. Seine selbstständig erschienenen poetischen Werke werden auf S. 366 aufgezählt. Ein großer Theil seiner kleineren theils lyrischen, theils erzählenden Dichtungen ist, wie bereits bemerkt, in mehreren Jahrgängen der Lemberger „Leseblätter“ abgedruckt und eine Sammlung dieser schwung- und gemüthvollen Poesien leider bisher nicht vorhanden. Den im Jahre 1848 anbrechenden Morgen einer schöneren Zeit begrüßte er durch ein Gedicht an die Constitution und die eben damals ertheilte Amnestie für politische Verbrechen, welches das erste, ohne Censur gedruckte Gedicht in Galizien ist. Ueberhaupt feierte R. alle großen Momente der Zeit, Goethe’s Säcularfeier. jene Schiller’s, dann auch andere Heroen des Geistes, wie Lessing, Mendelssohn u. A. durch seine Dichtungen, deren Titel sind: „Mose. Episches Gedicht“ (Leipzig 1842, 8°.), das erste selbstständig erschienene Werk R.’s; – „Goethe. Zeinen Manen geweiht“ [366] (Wien 1852, 8°.); – „Hebräische Gesänge. Metrisch nachgebildet“ (Leipzig 1860, C. L. Fritzsche, 8°.): – „Bajazzo“ (ebd. 1863, 12°.). Außer diesen größeren Dichtungen erschienen mehrere poetische Flugblätter und Hefte, deren Titel sind: „Gruss an die Freiheit“, von M.(oriz) R.(appaport) (Lemberg 1848, gedruckt bei Peter Piller, 4 S. 8°.); – „Constitutions-Weihe und Amnestie. Den Akademikern gewidmet“ (Lemberg 1848, Joseph Schnayder, 1 S. 4°.), der ganze Ertrag war zum Besten der unbemittelten Amnestirten bestimmt: erstes, ohne Censur gedrucktes Gedicht in Galizien: – „Festgedicht. Huldigung der Lemberger Israeliten bei Gelegenheit der Allerh. Ankunft I. M. des Kaisers Franz Joseph in Lemberg“ (Lemberg 1851, Peter Piller, 4 S. 4°.), anonym; – „Zur Einweihungs-Feier des Sand-Berges“ (Lemberg, October 1851, Piller; 4 S. 4°.), Strophen auf eine beliebte Promenade der Lemberger Bevölkerung; – „Nachruf der Lemberger israelit. Gemeinde am Grabe des edlen tiefbeweinten Arztes Med. Doctor Jacob Rappaport, Besitzer des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone, Mitglied mehrerer gelehrten Gesellschaften“ (Lemberg 1855, M. F. Poremba, 4 S. 4°.), anonym; – „Fest-Gruss der Lemberger israelit. Cultus-Gemeinde an Herrn Doctor Ludwig Philippson, Rabbiner and Prediger zu Magdeburg bei Gelegenheit der Feier Seiner fünf und zwanzigjährigen Amtswirksamkeit“ (Lemberg 1858, Stauropigianische Instituts-Druckerei, 4 S. 4°.), anonym; – „Prolog zur Feier des hundertjährigen Geburtstages Friedrich Schiller’s. Von Dr. Moriz Rappaport. Gesprochen bei der Festvorstellung im gräflich Skorbek’schen Theater in Lemberg, vom Director H. Wilhelm Schmidts“ (Lemberg 1859, M. F. Poremba, 10 S. 8°.) ; – „Fest-Gruss der Lemberger israelitischen Gemeinde an den hochw. Herrn Salomon Rapoport, Oberrabbiner zu Prag, bei Gelegenheit der Feier Seines siebzigjährigen Geburtstages gedichtet von Dr. Moriz Rappaport“ (Lemberg, Juni 1860, 8 S. 8°.), der Ertrag war zu gleichen Hälften für eine Prager und eine Lemberger Wohlthätigkeits-Anstalt bestimmt; – „Am Todestage Moses Mendelssohn’s. 4. Jänner 1860“ (Leipzig 1860, C. Grumbach, 8 S. 8°.); ein anderes Gedicht aus ähnlichem Anlasse, betitelt: „Der sterbende Sclave in Egypten“, steht in den „Gedenkblättern an Moses Mendelssohn“, welche der Verein zur Förderung geistiger Interesser im Judenthume“ zu Leipzig im Jahre 1863 herausgegeben hat. Die vorgenannten poetischen Schriften har R. theils unter seinem vollen Namen Moriz Rappaport, theils unter dem Pseudonym Max Reinau, unter welchem die meisten seiner lyrischen Gedichte in den „Leseblättern“ erschienen sind, dann wieder nur mit den Anfangsbuchstaben seines Namens, M. R.. oder auch ohne alle Chiffre herausgegeben. Noch sei hier eines Gedichtes von R. gedacht, worin er die auf die slavischen Völker angewendete Bezeichnung: „Bedientenvölker“ in dem Gedichte von Friedrich Hebbel: „An Seine Majestät König Wilhelm I. von Preußen“, im entschiedensten Tone zurückweist. Hebbel’s Gedicht anläßlich der Krönung des Königs Wilhelm in Königsberg erschien in der „Leipziger Illustrirten Zeitung“ 1861, Nr. 955. Jenes von Rappaport brachte die „Oesterreichische Zeitung“ 1861, Nr. 283, unter der Rubrik: „Eingesendet“ (!!!) und die von Dr. Letteris herausgegebenen „Wiener Mittheilungen“ haben es im nämlichen Jahre, Nr. 22, nachgedruckt. Die deutschen Literaturgeschichten der neueren Zeit, jene von Heinrich Kurz ausgenommen, [367] erwähnen den Dichter nicht, obwohl verschiedene Literaturblätter seinen poetischen Werken gerechte Würdigung angedeihen lassen. [Vergleiche die später folgenden Urtheile über seine Dichtungen. Noch sei hier bemerkt, daß durch die Bemühung von Rappaport bald, nachdem sich in Wien ein Comité zur Errichtung eines Schiller-Denkmals daselbst gebildet, auch in Lemberg ein Comité in’s Leben trat, welches sich die Aufgabe stellte, durch Theater-Vorstellungen, öffentliche Vorlesungen u. dgl. m. die Errichtung des Schiller-Denkmals in Wien zu fördern; diesem Comité gehörten als Vice-Präses Dr. Smolka, der polnische Schauspieler Smochowski, der polnische Dichter Cornel Ujejski u. m. A. an. Aber außer einem Aufrufe in polnischer und deutscher Sprache hat dasselbe bisher kein weiteres Lebenszeichen gegeben. Die Schuld dieses traurigen Ergebnisses liegt nicht an dem Gründer, sondern wohl zunächst an den politischen Wirren, welche die Spaltung der einzelnen Nationalitäten im Kaiserstaate immer greller auseinander klaffen machen.

Kurz (Heinrich), Geschichte der deutschen Literatur mit ausgewählten Stücken aus den Werken der vorzüglichsten Schriftsteller (Leipzig, B. G. Teubner, schm. 4°.) Bd. IV, S. 398. – Oesterreichisches Archiv für Geschichte u. s. w. Herausg. von Riedler (Fortsetzung des Hormayr’schen, Wien, 4°.) Jahrg. 1832, S. 340. – Blätter für literarische Unterhaltung (Leipzig, Brockhaus, 4°.) 1863, Nr. 29. – Wiener Mittheilungen. Zeitschrift für israelitische Culturzustände. Herausg von Dr. M. Letteris (4°.) VII. Jahrg. (1860), Nr. 18. – Wiener Zeitschrift, begründet von Schickh, fortgesetzt von Witthauer (8°.) 1842, S. 471. – Frankl (Ludwig Aug.), Sonntagsblätter (Wien, 8°.) II. Jahrg. (1843), S. 578. – Der Osten (Wiener polit. Wochenblatt, 4°.) 1869, Nr. 21. – Porträt. Ein wohlgetroffenes Bildniß des Dichters, mit dem Facsimile seines Namenszuges Dr. Moriz Rappaport, enthält die oben angeführte Literaturgeschichte von Heinrich Kurz, Bd. IV, S. 398.
Literarische Charakteristik des Dichters Rappaport. Heinrich Kurz schreibt über den Dichter: „Sein episches Gedicht „Mose“ erwarb ihm verdienten Beifall. Wenn auch der Wechsel der Form nicht zu billigen ist – der erste und fünfte Gesang sind in Canzonen, die mittleren Gesänge in Octaven abgefaßt – wenn auch chronologische Erzählung einer Lebensgeschichte die künstlerische Gestaltung nicht aufkommen läßt, so hat der Dichter dagegen sichern Tact und Geschmack darin bewiesen, daß er nur die wichtigsten Momente aus dem Leben des großen Gesetzgebers behandelt und manche Einzelnheiten übergeht, die wegen ihrer poetischen Bedeutsamkeit manchen andern Dichter zur Behandlung gereizt hätten, wodurch aber das Ebenmaß der Dichtung verloren gegangen sein würde. Die Dichtung ist gleichmäßig von religiöser und poetischer Begeisterung getragen; man fühlt es ihr bald an, daß der Dichter ihr seine ganze Liebe widmet; daß er von tiefer Verehrung für den großen Propheten durchdrungen ist, der das Gesetz verkündigte, zu dem er sich nach so vielen Jahrtausenden bekennt. Eine merkwürdige und einigermaßen auch seltsame Erscheinung ist ein zweites Gedicht: „Bajazzo“ (Leipzig 1863). Es besteht dasselbe aus zwei Abtheilungen, deren erste eigentlich als Anhang zur zweiten gedacht werden sollte. In dieser nämlich ist die Geschichte einer jüdischen Familie erzählt, die in Folge der Verschiedenheit in den religiösen Ansichten der einzelnen Mitglieder untergeht. Der Vater, ein polnischer Jude und reicher Kaufmann, ist durch tiefes Studium und den Einfluß seiner gebildeten und gemüthreichen Frau, einer Deutschen, zu geläuterten Ansichten gelangt; ihm steht ein Freund gegenüber, der streng an den alten Gebräuchen hängt und durch die Macht seiner Rede und seiner Ueberzeugung es dahin bringt, daß Jener von Zweifeln gefoltert wird. Der Gegensatz der beiden Ansichten ist mit Talent und Geist dargestellt, und der Dichter hat die entgegengesetzten Meinungen mit so klarer Objectivität ausgesprochen, die Gründe und Gegengründe mit solcher Schärfe entwickelt, daß man in Bezug auf dessen eigene im Zweifel wäre, wenn nicht das Ende auf das Entschiedenste darthäte, daß er den reformatorischen Bestrebungen im Schooße ves Judenthums zugethan ist. Von wesentlichem [368] Einfluß auf die Entwickelung ist der Sohn des Kaufmanns, der das väterliche Haus an dem Tage heimlich verläßt, wo er sich mit einer liebenswürdigen Verwandten vermälen soll, um einer Seiltänzerin zu folgen, zu der er eine leidenschaftliche Neigung gefaßt hatte. Die Nachricht seiner Entfernung bringt dem Vater und der Braut den Tod; er aber schließt sich der Seiltänzertruppe an und wird ihr Bajazzo, was der Dichter freilich nicht ausdrücklich sagt, aber deutlich genug erkennen läßt. Zur Begründung der im Laufe des Gedichtes ausgesprochenen Ansichten hat der Dichter einige allegorische Erzählungen eingewoben, die auch selbst dann von großer Wirkung sind, wenn man die allegorische Beziehung unberücksichtigt läßt. In einer derselben ist die bekannte Sage von der Matrone zu Ephesus mit großem Glück selbstständig bearbeitet. Dieser Bajazzo nun bildet den Mittelpunkt der ersten Abtheilung, indem ihm die Betrachtungen über mannigfaltige Lebensverhältnisse zugeschrieben werden. Die einzelnen Abschnitte waren ursprünglich selbstständige Gedichte, die miteinander in keinem Zusammenhange standen. Sie haben meist eine satyrische Tendenz, indem sie die verschiedenen Erscheinungen im Gebiete des politischen, religiösen, bürgerlichen und literarischen Lebens in ihrer Haltlosigkeit darstellen. Erfreulich ist der gesunde und vaterländische Sinn, der sich darin ausspricht. Mit feinem Tact und richtiger Beobachtung ist unter Anderem der deutsche Staatsmann geschildert, der in der neuesten Zeit auf die Umgestaltung der deutschen Verhältnisse einen so wesentlichen Einfluß ausgeübt hat.“