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Artikel „Raders, Ludwig“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 187–189, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Raders,_Ludwig&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 19:42 Uhr UTC)
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Raders: Ludwig R., Maler, wurde am 19. Februar 1868 zu Frankfurt a. M. geboren als Sohn eines wohlhabenden Fabrikanten von Beleuchtungskörpern, der ebensowenig wie der ältere Bruder Ludwig’s und die Familie überhaupt ihm je, früher oder später, die leiseste Ermunterung, Anregung, Anerkennung, sittlich-seelische Stütze geboten hätte. Er besuchte in seinem Geburtsorte die Kunstgewerbeschule und kam 1886 nach München, wo er auf der Akademie der bildenden Künste Schüler Herterich’s und des Culturmalers Wilh. Diez wurde. Früh war der strebsame Jünger prämiirt, gewürdigt und gelobt; „aber als das eigene ernste Schaffen gebieterisch den Einsatz aller Kräfte verlangte, da hatten Entbehrungen und Krankheit ihr unheilvolles Zerstörungswerk schon begonnen und die arbeitsfreudige Hand des jungen Künstlers gelähmt“. Glück und Sonnenschein, schier unbekannte Gäste in Raders’ Atelier in der Landwehrstraße, sind nie einmal richtig über seine Schwelle getreten. Oft haben ihm das Dasein die kärglichen Erträgnisse von Bilder-Copien landläufiger Natursujets fristen müssen, wie sie Spekulanten fabrikmäßig bestellen. Und dennoch fand er dabei noch Trieb, Lust, Kraft, vieles über den Durchschnitt hinaus zu schaffen; wie Freunde berichten, Bilder von seltener Farbentiefe und Harmonie, einfach gemalt und poetisch empfunden – aber niemand kannte bei Raders’ Tod ihr Schicksal. „Bastien-Lepage, Böcklin, Marées, das war sein Lieblings-Dreigestirn, und von diesen drei Meistern hatte er die tiefinnerliche Heimathliebe, die Vornehmheit der Farben und eine alles Süßliche verachtende Herbheit der Form. Wo seine Arbeit anempfunden scheinen wollte, da entdeckte das Auge des Wissenden bald die Seele und das Temperament des jungen Künstlers, die den Ausschnitt der Natur individualisirten und das Gesehene und Herausgegriffene zu seinem Eigenthum stempelten“. Darauf, bis etwa 1896, warf sich R. mit Eifer und Geschick auf die Graphik und bethätigte darin rege seine erfindungsreiche Fertigkeit, auch dann noch, als das schleichende Leiden ihm Saft und Stimmung aussog. Radirungen wie das bekannte Blatt „Musica“ (R. war musikalisch talentirt) und viele selbständig hingeworfene Zeichnungen in der damals von Georg Hirth begründeten Münchener Wochenschrift „Jugend“ belegen das, wie er sie namentlich nach dem unfreiwilligen Abschiede vom geliebten München geliefert hat. Die Auction von Originalskizzen der „Jugend“ im Juni 1899, kurz nach Raders’ Tod, brachte als Nr. 901 das Titelblatt zu 1896 Nr. 45 (II, 721), „Bannerträger“, als Nr. 902 die Querleiste „Lenz“ (Jugend II, 332), als Nr. 904 das Titelblatt 1897 Nr. 30 (I, 501), „Frauenkopf“, als Nr. 905 „Frühlingslied“ (II, 638), als Nr. 906 (II, 829), „Deis immortalibus“ unter den Hammer. [188] Ferner enthielt die „Jugend“ noch in Nr. 30 vom 24. Juli 1897 einen Frauenkopf mit Lorbeer, in Nr. 37 vom 11. September 1897 „In der Heimath“, ein Bauernhaus im Stil einer Kinderzeichnung, in Nr. 38 vom 18. September 1897 „Frühlingslied“, in Nr. 3 vom 15. Januar 1898 eine Geigerin unter einsamen Bäumen (wie H. Holland urtheilt, ganz wie von Giotto!), in der Nummer vom 9. Juli 1898 nacktes Weib auf einem Brunnenkopf stehend und mit Schleiern spielend, in Nr. 36 vom 3. September Braut (mit Tod) und Bräutigam, endlich posthum wohl eine Iphigenie in Nr. 25 vom 17. Juni 1899; den unbedeutenden Nachlaß erwarb Albert Langen.

Am breitesten kam seiner Hände Genius, wenn auch nicht sein Name, unter die Leute durch den bunten Narren mit den jugendfrischen hellen Augen, der eine längere Reihe von Wintern von allen Litfaßsäulen und Plakattafeln des lebensfrohen Isar-Athen zu den Lustbarkeiten der unseligen Carnevalsgesellschaft einlud. Dieser ganze Anschlag „ist mit wuchtiger Faust hingeschrieben in einer großen starken Einfachheit der Farben und der Linien und gerade darin das Muster eines Plakates“. Schon um 1895 war es aber mit der äußerlich jämmerlichen, innerlich doch so mannichfach reichen Münchener Zeit vorbei: „unabgemeldet“, sagt trocken der Polizei-Ausweis, verließ er die Stätte seines Schaffens und Darbens und suchte in der reinen Gebirgsluft Oberbaierns, in Kochel am See, in Mittenwald, dem abseitigen Geigenmacher-Flecken zwischen den Karwendelriesen, Zuflucht vor der unerbittlich wachsenden Schwindsucht. Februar und März 1897 hielt er sich zu Bodenheim im Rheinthal bei der Großmutter auf, danach in Soden am Taunus, den Sommer über in Frankfurt a. M. bei den Eltern und den „Barmherzigen Brüdern“, October 1897 bis Frühjahr 1898 suchte er sein Heil in Davos;, dann nochmals in Kochel. Endlich ward Schömberg im württembergischen Schwarzwald mit seiner Lungenheilanstalt das Asyl des Gehetzten und Vielgeprüften: hier droben ging er im Lenz dahin, 31jährig, am 1. Mai 1899. „Er war ein furchtbar armer Mensch; mit einer energischen Unterstützung zur rechten Zeit hätte man ihn zum bedeutenden Künstler gemacht. Sich selbst heraufzuarbeiten, hatte er weder Gesundheit in den letzten Jahren noch Energie, was ich überhaupt dem ewigen Hunger zuschreibe“, so schrieb ein Freund und College nach dem Tode. Gemäß den Angaben, die mir seine nächsten Angehörigen zu Frankfurt 1900 gemacht, sei es freilich Thatsache, daß sie ihn, den durchaus unpraktischen und naiv vertrauensseligen Jüngling, lange mit großen Mühen und Kosten über Wasser zu halten versuchten, doch haben sie dem mündlich beigefügt, in München sei er, namentlich auch durch „ungünstige Einflüsse von Nietzsche und Wagner“ (völlig unwahr!), heruntergekommen, besprachen auch sein trauriges Ende nüchtern ohne Anzeichen von Wehmuth oder nur Bedauern. Und als ich Anfang 1907 meine Erinnerung an die, aus lorbeerumwundener Büste des Frühverklärten und Grabrelief (R. in nackter Figur zum Tode eingehend) bestehende Ehrung seines † Bildhauer-Freundes Emil Dittler, wie ich sie 1902 bei einer Ausstellung der Münchener „Secession“ mit elegischem Gefühl beschaut hatte, durch Umfrage aufzufrischen unternahm, war in der deutschen Kunsthauptstadt Ludwig Raders und was sich an geistiger That daran knüpft, aus dem Gedächtnisse der undankbaren Mitwelt, sogar derer, die berufsmäßig oder infolge ehemaliger Theilnahme für jenen Flüchtling aus einer geknickten Gegenwart etwas Bestimmtes hätten wissen müssen, wie verflogen. So wird’s denn auch wohl bleiben, zumal seine Arbeiten in alle Winde auseinander geflattert sind. Ja, was wäre geworden, wenn R. … !

Die Mehrzahl der Einzelheiten nach Franz Langheinrich’s, Redacteurs der „Jugend“, warmem Nachruf in den Münchn. Neuest. Nachr. Nr. 229 [189] vom 18. Mai 1899 S. 1 (daraus oben die Sätze in Anführungszeichen). Geburtsdatum und Wegzug von München von der dortigen Polizei mitgetheilt, einige sachliche Angaben von der Familie – C. W. Raders & Co. – in Frankfurt. Diese Quellen sind von mir schon im Biogr. Jahrb. u. Dtsch. Nekrol. IV, 249 f. benutzt. Obige Liste der „Jugend“-Illustrationen machte Prof. Dr. Hyac. Holland in München bereitwilligst verfügbar. Einiges Persönliche 1907 aus dem Munde seines Freundes Maler Hrm. Urban (München).