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Artikel „Römer, Friedrich von“ von Eugen Schneider in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 117–120, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:R%C3%B6mer,_Friedrich_von&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 10:17 Uhr UTC)
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Römer: Christof Gottlob Heinrich Friedrich von R., ein Pfarrerssohn aus Erkenbrechtsweiler beim Hohenneuffen, geb. am 4. Juni 1794, hat in die politische Entwicklung Württembergs, namentlich als der leitende „Märzminister“ des Jahres 1848, erheblich eingegriffen. Der Knabe zog mit dem Lateinlehrer, dem er anvertraut war, 1806 nach Eßlingen, wo er wohl durch jenen die ersten Eindrücke über geschichtliche und patriotische Fragen erhielt. Schon im niederen theologischen Seminar zu Denkendorf, das er 1808 bezog, trug ihm seine Willenskraft und sein starkes Rechtsbewußtsein den Beinamen Cato ein, dessen er sich würdig zeigte, als er in den Jugendspielen als Gegner des auch die Württemberger von Sieg zu Sieg führenden Napoleon auftrat. Nachdem er 1810 in das Seminar Maulbronn, 1812 in das Tübinger Stift versetzt worden war, schien nichts der ruhigen theologischen Laufbahn entgegentreten zu wollen. Als aber König Friedrich 1813 einen Aufruf erließ, daß sich gebildete Männer zu den unbesetzten Officierstellen melden sollen, drängte es R., gegen den Bedrücker des Vaterlandes in das Feld zu ziehen. War es nun der Unmuth des Königs, der eine solche patriotische Begeisterung ungern sah, oder waren es die Umtriebe eines einflußreichen Verwandten, dem das Verlassen des Brotstudiums mißfiel – statt als Officier in ein Feldregiment eingereiht zu [118] werden, mußte R. als Cadett Garnisonsdienste versehen. Das wurde ihm herb, er war gleichgültig, und einmal entging er einer schweren Strafe nur durch die kecke Antwort an seinen ihn zur Rechenschaft ziehenden Monarchen: Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet. Der Herbst 1814 brachte endlich die Entlassung. Mit der Lust zum theologischen Studium war es vollends vorbei; R. wandte sich der Rechtswissenschaft zu. 1817 wurde die Prüfung erstanden, 1819 nach kurzer Verwendung im Civildienst eine Auditeurstelle angenommen. Ruhigen Ganges floß sein Leben; 1822 gründete er seinen Hausstand mit einer Schwester des späteren Reichsgenerals und württembergischen Kriegsministers v. Miller; 1829, nachdem diese einige Jahre vorher gestorben war, mit einer Tochter des freisinnigen Abgeordneten Albert Schott. 1831 wurde er zum Kriegsrath ernannt; aber schon brachte der Einfluß des Schwiegervaters und die durch die Julirevolution entstandene Aufregung die noch zurückgehaltene politische Begabung zur Entfaltung. 1832 unterzeichnete R. zum ersten Male eine freisinnige Ansprache an das Volk. Als im Januar 1833 noch unter dem Einfluß der Julirevolution ein Landtag gewählt wurde, ging R. in Geislingen, das ihm bis zum Ende seines öffentlichen Wirkens treu blieb, aus der Urne hervor. Württemberg stand damals unter der Herrschaft der Maucler’schen Bureaukratie; das Ministerium Schlayer war nur dem Scheine nach constitutionell. Je mehr die Bundesbeschlüsse die freie Bewegung der Einzelstaaten beschränkten, desto leerer mußte jener Schein auch unter der aufrichtig volksthümlichen Regierung König Wilhelm’s werden. Zum Ausbruch kam die Schärfe der Gegensätze wegen der strenge gehandhabten Censur, da die Landesverfassung die Preßfreiheit gewährleistete. Paul Pfizer richtete einen Antrag gegen die diesbezüglichen Bundesbeschlüsse; der Geheimrath hielt sich zu der Erwartung berechtigt, daß die Kammer den Antrag mit verdientem Unwillen verwerfen werde. In der Verhandlung erklärte R., der Meinung, daß der Geheimrath der berechtigte, die Kammer der verpflichtete Theil sei, werde diese nie beitreten, so lange sie einen Funken von Ehre und Selbstgefühl in sich trage. Seine Ansicht siegte und der „vergebliche“ Landtag wurde 22. März 1833 aufgelöst. Als vertrauliche Aeußerung Römer’s wurde verbreitet, daß bei solchem Einmischungsrecht des Bundes die Verfassung eine Hundekomödie sei; der König selbst hielt ihm dies vor und mußte wenigstens zugeben, daß R. auch gegen ihn offen sei. So nahte die Neuwahl. Es war zu erwarten, daß R. der Urlaub verweigert würde. Als dies wirklich geschah, nahm er mit kurzen zehn Worten seinen Abschied aus dem Staatsdienste. Bald war er als der bedeutendste Redner der Kammer anerkannt, hauptsächlich als es sich 1838 darum handelte, die Härten des Entwurfes eines neuen Strafgesetzbuches zu mildern. Aber er mußte bemerken, daß der Eifer des Volkes für freiheitliche Forderungen erlahmt war, und nahm deshalb nach Schluß des Landtages mit Uhland, P. Pfizer und Schott die Wahl nicht mehr an, sondern widmete sich in Stuttgart dem Berufe des Rechtsanwalts. Erst 1845 ließ er sich in Geislingen wieder wählen und galt dann so sehr als Führer der Opposition, die sich besonders gegen die Censur wandte, daß ihm 1847 ein silberner Eichenkranz von seinen Mitbürgern überreicht wurde. Im Mai dieses Jahres fielen auch in Stuttgart Ruhestörungen vor. R. wurde verdächtigt, er habe persönlich gehetzt. Wohl lehnte er jede Gemeinschaft mit den gewaltthätigen Kreisen ab; aber nach dem Wiederzusammentritt der Kammer stellte er mit Bezug auf die damals angewandte Gewalt am 21. Februar 1848 den Antrag, ein eigenes Gesetz über den Gebrauch von Feuerwaffen in solchen Fällen zu erlassen, zugleich mit der Anfrage, inwiefern Gründe da seien, daß bei jenen Volksexcessen der Dämon des Radicalismus oder das Gespenst des Communismus eine Rolle gespielt. Der Schrecken vor der Revolution, deren Begünstigung ihm [119] jetzt der Minister Schlayer offen vorwarf, brachte es dahin, daß R. mit seinem Antrage selbst von den Freunden im Stiche gelassen wurde. Aber die Wogen gingen höher. Am 1. März mußte das Ministerium die Preßfreiheit gewähren; der König sah sich genöthigt, durch einen Wechsel desselben die Aufregung zu beruhigen. Er versuchte es zuerst mit entschieden conservativen Männern. Da jedoch die Entrüstung darüber zu stark war und selbst die Oberregierung geschlossen mit Rücktritt drohte, mußte der König der Strömung nachgeben; er berief den verfassungstreuen Duvernoy, als dieser den Eintritt des idealgesinnten Pfizer verlangte, auch diesen, und wie der letztere auf R. bestand, das Haupt der Opposition. R. hatte eben an dem Heidelberger Tage Theil genommen, welcher die Berufung eines deutschen Parlamentes vorbereitete, am 9. März trat er in das Ministerium, übernahm selbst dasjenige der Justiz und war von Anfang an die Seele des Ganzen. Namentlich gegen die Einrichtung des Geheimeraths und die Privilegirten in der Kammer richteten sich die Angriffe. Aber bald mußten die Minister die Klage hören, daß sie es mit den Reformen nicht ernst nehmen. Nach Verabschiedung weniger dringlicher Gesetze wurde noch im März der Landtag aufgelöst. Schon im April wurde R., als er nicht mit dem Pöbel gemeinsame Sache machte, bei Straßenaufläufen persönlich bedroht. Von weitgehenderen Folgen war, daß er die Wahl in die Frankfurter Nationalversammlung annahm. Von hier aus erwartete er die Umgestaltung der Verhältnisse Deutschlands und zögerte daher mit einschneidenden Aenderungen in Württemberg. Eine Erklärung vom 27. Juni versprach zwar die baldige Erfüllung vieler Wünsche und trug ihm das Ehrenbürgerrecht der Stadt Stuttgart ein; aber die Unzufriedenheit und Unruhe im Lande wuchs. Während dem war R. zu Frankfurt besonders im Verfassungsausschusse thätig; bei Festsetzung der Grundrechte entschieden demokratisch, war er bei Bestimmung der Reichsverfassung mehr conservativ, wobei er fast allein blieb mit seinem Antrage, die durch die Reichsverfassung nöthig werdenden Aenderungen der Landesverfassungen den Einzellandtagen zu überlassen. In der Oberhauptsfrage war er gegen die Hegemonie Preußens, da er Oesterreichs Ausschluß fürchtete; als aber der König von Preußen zum Kaiser gewählt war, setzte er alles daran, seine Anerkennung durch den König von Württemberg zu erlangen. Immer mehr zeigte sich, daß er zwar seinen freisinnigen Grundsätzen treu blieb, aber besonnen genug war, mit den Thatsachen zu rechnen.

Die württembergischen Kammern wurden im September wieder einberufen. R. billigte eine Adresse, wonach die Regierung vom Volkswillen abhängig sei und drohte dem König im Januar 1849, als dieser die Grundrechte nicht anerkennen wollte, mit Rücktritt; aber ebenso entschieden stellte er ihn der Kammer in Aussicht, wenn dieselbe gegen den Willen des Königs die Civilliste herabsetze. Noch blieb Römer’s leitender Gedanke, an der Reichsverfassung festzuhalten, und wieder gelang es ihm im April, durch Forderung der Entlassung den König, welcher die Vereinbarung mit den deutschen Fürsten verlangte, zur Anerkennung der Reichsverfassung zu bestimmen. Freilich war dies nur durch den Druck der öffentlichen Meinung und unter Vorbehalt möglich. Zur Erreichung jenes Zwecks war R. schleunigst nach Stuttgart berufen worden, von wo er nicht mehr nach Frankfurt zurückkehrte. Je stärker die revolutionären Ausbrüche in Süddeutschland um jene Zeit wurden, um so mehr wandte sich R. von der demokratischen Richtung ab. Er hatte Bedenken gegen die Forderung, daß sich die württembergische Regierung an die Spitze der Bewegung stellen solle; seine Fraction trennte sich von der Linken und bildete nunmehr mit der Rechten die Mehrheit der Kammer. Württembergs Kräfte seien zu schwach, um die Reichsverfassung durchzuführen, erklärte das Ministerium auch gegenüber dem Andringen der [120] großen Reutlinger Volksversammlung vom 27. Mai. Unter diesen Umständen war der offene Bruch mit der Nationalversammlung unabwendbar, als diese in ihren Resten am 6. Juni nach Stuttgart übersiedelte. Zwar wurde ihr noch der Sitzungssaal der Kammer eingeräumt und R. nahm noch an ihrer ersten Versammlung theil; aber als gar eine Regentschaft eingesetzt und von dieser der Befehl über die gesammte bewaffnete Macht Deutschlands beansprucht wurde, war der württembergischen Regierung der Widerspruch zwischen der angemaßten Machtfülle und den thatsächlichen Verhältnissen zu groß; sie erkannte die Regentschaft nicht an und R. hob in der Kammer hervor, welch ein ungleicher Kampf Württemberg zugemuthet werde. Auf seinen Betrieb brach die Kammermehrheit mit der Nationalversammlung. Noch hoffte er offenbar, daß sich diese von selbst auflösen würde, und trat erst am 13. Juni förmlich aus derselben aus, nachdem dem Könige oder ihm selbst die Reichsstatthalterschaft angeboten und die württembergischen Truppen von der Regentschaft zum Schutze von Rastatt und Landau gefordert worden waren. Jetzt erklärte er, daß die Nationalversammlung die Ordnung störe und deshalb das Land zu verlassen habe. Diese aber richtete sich am 16. in einem Reithause ein und machte trotz eines warnenden Schreibens von R. am 18. noch einmal den Versuch zu tagen. R. erfuhr dies während der Kammersitzung und veranlaßte die Besetzung des Sitzungssaales und der zu ihm führenden Straßen. Wie die Mitglieder des Rumpfparlaments sich in geschlossenem Zuge zur Versammlung begeben wollten, wurden sie auseinandergesprengt, wobei es sehr gegen den Willen Römer’s nicht ohne Gewaltthätigkeiten abging. So verfiel R. dem tragischen Geschicke, aus praktischer Staatsklugheit eine Volksvertretung auflösen zu müssen, in der er selbst seine Hoffnungen für Deutschlands Zukunft verkörpert gesehen hatte.

Mit der Auflösung der Nationalversammlung sank Römer’s Stern. Zwar erklärte sich noch die Kammer für ihn, als die Anklage wegen Verfassungsbruchs durch jene Auflösung beantragt wurde. Aber der auf Grund eines neuen liberalen Gesetzes gewählte Landtag gab seinen entschiedeneren Gegnern die Mehrheit. R. wollte zurücktreten, erhielt aber seine Entlassung nicht. Doch bald kam er auch mit seinen Amtsgenossen in Widerspruch, da er von dem Plane, sich mit Baiern über einen auf preußischer Grundlage ruhenden Dreikönigsbund zu verständigen, wieder abging. Jene traten ohne sein Wissen ab; er selbst wollte nicht unmittelbar vor dem Zusammenttitt der Kammern vom Kampfplatze weichen und machte Vorschläge zur Ergänzung des Ministeriums aus der verfassungstreuen Partei. Der König wollte ein von Grund aus neues, conservatives Ministerium und ertheilte ihm, wenn auch in verbindlicher Form, am 28. October 1849 den nicht erbetenen Abschied. Das Anerbieten der Stelle eines Geheimraths oder des Obertribunalpräsidenten lehnte R. seinerseits ab, da er sich nicht abfinden lassen wollte. So griff er denn wieder zum Berufe des Rechtsanwalts und machte als Abgeordneter seinen Einfluß geltend. 1851 zum Präsidenten der Kammer berufen, legte er im Herbst 1863 infolge schwerer Krankheit sein Amt nieder. Die Stände ehrten ihn durch ein besonderes Gesetz, das ihm 3000 Gulden Ruhegehalt anwies. Er starb am 11. März 1864 in Stuttgart. Ein muthiger, unabhängiger Mann hat er zwar nichts Großes geschaffen, aber auf die Entwicklung seines engeren und weiteren Vaterlandes in gährender Zeit mit fester Hand nachhaltig eingewirkt.

Die Gegenwart 1851, S. 87 – Beilage der Allgemeinen Zeitung 1864, Nr. 160 ff.