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Artikel „Quitzmann, Ernst Anton“ von Fressl. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 58–60, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Quitzmann,_Ernst_Anton&oldid=- (Version vom 28. Dezember 2024, 09:53 Uhr UTC)
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Quitzmann: Ernst Anton O., Dr. med. et philos., k. baier. Oberstabsarzt I. Classe, wurde am 13. November 1809 zu Freising in Oberbaiern als der Sohn eines Schullehrers geboren, besuchte in der Folge in München das Gymnasium und absolvirte dasselbe im J. 1828, um sich dem Studium der Medicin mit solchem Eifer zu widmen, daß er im J. 1836 den medicinischen Doctorgrad mit der ersten Note errang. Schon im folgenden Jahre konnte er bei Ausbruch der Cholera in München als Assistenzarzt seine Kunst praktisch verwerthen und that dies mit derartigem Erfolge, daß ihm von Regierungswegen öffentlich die allerhöchste Anerkennung ausgesprochen wurde. Noch im J. 1837 [59] erlangte Q. die ärztliche Approbation mit Auszeichnung, im J. 1838 auch den Doctorgrad der Philosophie und 1839 die Bewilligung zur selbständigen Ausübung der ärztlichen Praxis in München. Sein Lieblingswunsch, die akademische Laufbahn einzuschlagen, scheiterte an dem Umstande, daß er, wegen seiner nationalen Gesinnung verdächtigt, die königliche Bestätigung als Privatdocent nimmer erlangen konnte. Gleichwol blieb er in München und begnügte sich einstweilen mit der Stelle eines Districts- und Armenarztes, günstigere Zeiten erhoffend. Doch als er im J. 1842 die damalige Verlobung des baierischen Kronprinzen Maximilian mit der preußischen Prinzessin Marie mit begeisterten Worten als eine Anbahnung zur Aussöhnung des protestantischen Nordens mit dem katholischen Süden zu feiern wagte, büßte er diese seine Begeisterung mit dreitägigem geschärften Polizeiarreste, worauf er noch in demselben Jahre nach Heidelberg verzog und sich dort als Privatdocent für geschichtliche Medicin niederließ. Die folgenden Jahre benutzte Q. zu bildenden Reisen nach Norddeutschland, Oesterreich, der Türkei, nach Griechenland, Italien und der Schweiz. Im J. 1848 kehrte Q. nach München zurück, erhielt seine Aufnahme als Privatdocent, ohne jedoch für immer diesem Berufe nachleben zu können, weil er gleichzeitig in die bairische Armee als Unterarzt I. Cl. eintrat, in welcher er von Stufe zu Stufe bis zum Oberstabsarzte I. Klasse stieg und für seine Tüchtigkeit insbesondere während der Kriege 1866 und 1870/71 das Militärverdienstkreuz I. Cl. und das goldene Militärsanitätsehrenzeichen erhielt. Im J. 1868 schritt Q. mit der Tochter des berühmten Staatsrechtslehrers und Geheimrathes Zöpfl, Wilhelmine, welche er während seines Aufenthaltes in Heidelberg kennen gelernt und in deren väterlichem Hause er vielfach verkehrt hatte, zu einer überaus glücklichen Ehe, welche leider schon im J. 1879 am 22. Januar durch den Tod Quitzmann’s gelöst wurde. Q. war nicht bloß ein hochangesehener Arzt, sondern auch Dichter, Schriftsteller und vorzugsweise Gelehrter auf sprachlichem, geschichtlichem und mythologischem Gebiete des germanischen und insbesondere des baiwarischen Alterthumes. Als praktischer Arzt schon ließ er „Volkslieder zu den geschichtlichen Fresken im k. Hofgarten zu München“ erscheinen; ihnen folgten „Reiseberichte aus Ungarn, dem Banat, Siebenbürgen, den Donaufürstenthümern, der europäischen Türkei und Griechenland“, Stuttgart 1850 und später der große historische Roman „Götterwanderung und Götterdämmerung“ Leipzig 1873–75. Als wissenschaftliche Abhandlungen Quitzmann’s folgen sich: „Die Abstammung, Ursitz und älteste Geschichte der Baiwaren“, München 1857; „Die heidnische Religion der Baiwaren“, Leipzig und Heidelberg 1860; „Die älteste Rechtsverfassung der Baiwaren“, Nürnberg 1866; „Urkundliche Geschichte von Flinsbach im Bezirksamte Rosenheim“ im XXXII. Bd. des oberbaier. Archives für vaterl. Geschichte, München 1872/73 und schließlich „Die älteste Geschichte der Baiern bis zum Jahre 911“, Braunschweig, 1873.

Der Angelpunkt in den gesammten genannten wissenschaftlichen Werken besteht in dem Erweise, daß erstens die Baiwaren weder dem Namen noch der Abstammung nach mit den keltischen Boiern etwas zu thun haben und zweitens, daß die Baiwaren im Gegentheile reine Germanen sind und als Nachkommen der beiden Gefolgschaften der Markomannenfürsten Marbod und Catualda, demnach als Sueven gelten müssen, auch ihr Name Baiwâras d. i. Beidbünde, diesem Umstande zuzuschreiben sei.

Wenn nun auch heute unabänderlich feststeht, daß die Baiwaren Germanen sind, aber noch keineswegs, ob sie Goten oder Sueben ihre Väter nennen dürfen, so hat doch Q. bei Behandlung dieser hochwichtigen Frage ein so gründliches und reiches Wissen entfaltet, einen so umsichtigen Beweisgang eingehalten [60] und eine so scharfe Kritik geübt, daß von sämmtlichen Mitkämpfern auf diesem Gebiete, selbst Kaspar Zeuß nicht ausgenommen, ihn keiner übertroffen hat. Und darum wird derselbe als baiwarischer Gelehrter stets in der vordersten Reihe glänzen und seine Schriften werden bei baiwarischen Forschungen fortwährend grundlegend bleiben.

Fressl.