ADB:Philipp I. (Herzog von Braunschweig-Lüneburg)

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Artikel „Philipp I., Herzog zu Braunschweig und Lüneburg“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 762–764, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Philipp_I._(Herzog_von_Braunschweig-L%C3%BCneburg)&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 21:58 Uhr UTC)
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Philipp I., Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, aus der Grubenhagener Linie, Sohn Herzog Albrechts III. († zwischen dem 17. April 1485 und 1. Mai 1486) und dessen Gemahlin Elisabeth, einer Tochter des Grafen Volrad von Waldeck († nach 1512), wurde vermuthlich um das Jahr 1476 geboren. Als der älteste der den Vater überlebenden Söhne folgte er diesem anfangs unter Vormundschaft seines Vetters, Herzog Heinrichs IV., dann mehr und mehr unter der seiner Mutter in der Regierung, bis er dieselbe wohl im J. 1494 selbständig übernahm. Da sein jüngster Bruder Ernst schon 1493 starb, so hatte er die Herrschaft nur mit Erich zu theilen, der seit 1500 dieselbe mitführte, von 1508 an aber, wo er die Bisthümer Osnabrück und Paderborn erhielt, sie dem Bruder so gut wie ganz überlassen zu haben scheint. Nachdem auch sein Vetter Heinrich IV. am 6. December 1526 kinderlos gestorben war, kamen auch diejenigen Landestheile, welche 1481 bei der Theilung mit Albrecht III. ihm zugefallen waren (Salzderhelden und die Hälfte des Grubenhagen), an P., der nun das ganze Grubenhagener Gebiet unter sich vereinigte. Die Regierung Philipps war im Ganzen eine friedliche und segensreiche. Auswärtigen Händeln suchte er nach Möglichkeit fern zu bleiben; wie nicht selten hier, so war er auch im Innern seines Landes überall bestrebt, die Eintracht zu erhalten. In Osterode machte sich schon im J. 1492 eine Bewegung gegen [763] den Rath bemerkbar, welche P. vergeblich zu beschwichtigen suchte. Als dieselbe dann 1510 in wilden Aufruhr überging, konnte der Herzog nur durch strenge Maßregeln die Ordnung wieder herstellen. Kriege hat P. wenig geführt. Einer Grenzstreitigkeit halber unternahm er 1500 eine Fehde gegen die Grafen von Honstein. Dann betheiligte er sich seit dem Winter 1513–14 an dem Feldzuge Herzog Heinrichs d. Ae. gegen die Butjadinger und den Grafen Etzard von Ostfriesland, ohne jedoch für sich außer dem Ritterschlage, den ihm Herzog Georg von Sachsen ertheilte, irgend welche Vortheile davon zu tragen. Der kirchlichen Reformationsbewegung stand er anfangs theilnahmlos gegenüber, wenn ihm auch Luther’s Auftreten in Worms gut gefallen haben soll. Zuerst zeigten sich in seinem Lande bei Einbeck, etwa seit 1522, die Spuren der neuen Lehre, die bald in der Stadt zahlreiche Anhänger fand. Da P. zögerte, auf die hierüber erhobenen Klagen der dortigen Stifter einzuschreiten, so wandten diese sich an seinen Bruder, Bischof Erich, der die Ausweisung der lutherischen Prediger durchsetzte (1525). Nicht lange darauf wurde P. selbst – wir wissen nicht durch welche Einflüsse – für die evangelische Sache gewonnen. Im Juni 1526 trat er zu Magdeburg dem ursprünglich in Torgau geschlossenen und jetzt erneuerten Bündnisse der Lutheraner bei. Das hob den Muth der Evangelischen in Einbeck. Sie gewannen die Oberhand im Rathe, und dieser berief zur Ausarbeitung einer Kirchenordnung Nicolaus von Amsdorf und stellte evangelische Prediger an. Im J. 1529 scheint die Reformation der Stadt so gut wie durchgeführt zu sein. Da dies Streitigkeiten mit den Stiftern verursachte, so vermittelte P. zwischen diesen und dem Rathe am 19. November 1529 einen Vertrag, nach welchem die Stifter bei dem katholischen Wesen verharren durften, die angestellten evangelischen Prediger aber ebenfalls ihre Stellen behalten und im übrigen Jedermann frei stehen sollte in die Kirche zu gehen, wo er wolle, „dewile de gelove von gode komen moth unde mit geboden edder verboden nicht mach gegeven werden“. Wie die Stadt Einbeck, so schloß sich auch P. 1530 dem Bündnisse von Schmalkalden an. Es verlauteten sogar Stimmen, die ihm den Oberbefehl über deren vereinigte Streitkräfte zu übertragen wünschten. Ob der milde Sinn Philipp’s, der Niemand Zwang anthun wollte, oder der Einfluß seines streng katholischen Bruders eine energischere Durchführung der Reformation gehindert hat, mag dahin gestellt bleiben. Besonnen war das Vorgehen Philipp’s in jedem Falle, aber nach dem Tode Erichs, der am 14. Mai 1532 starb, doch entschiedener als vorher. Er schritt jetzt auch zur Säcularisation der Klöster, noch 1532 zu der Katlenburgs, wohl im folgenden Jahre zu der Pöhldes. Am 20. Juni 1537 kam unter Vermittlung kursächsischer Abgesandten zwischen dem Fürsten und dem Rathe der Stadt Einbeck ein Vertrag zu Stande, nach dem auch hier in den Stiftern der evangelische Gottesdienst eingeführt werden sollte. Am 6. Juni 1538 hat P. dann zu Einbeck, wie es scheint, einen förmlichen Landtag abgehalten, auf dem die päpstliche Lehre für abgeschafft erklärt wurde. In demselben Jahre hat er eine bislang noch unbekannte Kirchenordnung erlassen, der 1545 eine zweite für die Einbeck’schen Stifter erlassene Reformationsordnung folgte. Im J. 1546 nahm P. an dem Feldzuge der Schmalkalden Theil, der vor Ingolstadt erfolglos endete. Er zog sich dadurch natürlich den Zorn Kaiser Karls V. zu, der ihn jedoch nach gänzlicher Niederwerfung der Evangelischen am 20. Juni 1548 gegen Ausstellung eines Reverses in einer förmlichen Urkunde von aller Strafe frei sprach. - Sein Land hat P. noch nach altherkömmlicher Weise, aber gut und sorgsam verwaltet. Wiederholte Brände haben demselben argen Schaden bereitet. Am 4. November 1510 brannte sein Schloß Herzberg ab, so daß er kaum sein und seiner Gattin Leben rettete; auch sein Archiv wurde zum großen Theile ein Opfer der Flammen. [764] 1540 vernichtete das Feuer fast die ganze Stadt Einbeck, 1545 Osterode. P. ist am 4. September 1551 zu Herzberg gestorben und in der Aegidienkirche zu Osterode begraben. Vermählt war er mit Katharine, der Tochter des Grafen Ernst II. von Mansfeld, die 1535 gestorben ist. Sein Sohn Ernst (s. A. D. B. VI, 258) folgte ihm in der Regierung, nach dessen Tode (1567) sein Sohn Wolfgang. Als auch dieser ohne männliche Nachkommenschaft am 14. März 1595 starb, kam Philipp’s jüngster gleichnamiger Sohn Philipp II. zur Herrschaft. Doch nur auf kurze Zeit, da er am 4. April 1596 bereits verschied. Mit ihm erlosch der Mannesstamm der Grubenhagener Linie des Hauses Braunschweig. Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel bemächtigte sich ihres Gebietes, das jedoch später an die Lüneburger Linie kam. Von den anderen Kindern Philipp’s I. sind drei in früher Jugend gestorben. Seine Söhne Albrecht und Johann fanden den Tod auf dem Schlachtfelde; ersterer fiel am 20. Oct. 1546 im Treffen bei Giengen, letzterer starb am 2. September 1557 an seinen bei St. Quentin erhaltenen Wunden. Seine Tochter Katharina heirathete in erster Ehe (1542) den Herzog Johann Ernst von Sachsen-Koburg († 1553), darauf 1559 Graf Philipp II. von Schwarzburg-Leutenberg und starb am 24. Februar 1581.